So könnte es was werden: Am Freitag, 13. September, ging das Leipziger Agenda.Büro mit einer Website online, auf der die nachhaltigen Aktivitäten der Stadt Leipzig dargestellt werden sollen. "Wir möchten im Rahmen der Leipziger Agenda 21 eine Internetplattform aufbauen, auf der wir zeigen möchten, welche Vielfalt von Aktivitäten und Projekten es in Leipzig gibt, die zu einer nachhaltigen, d.h. einer langfristig verantwortbaren Entwicklung beitragen", erklärt Ralf Elsässer, Leiter des Agenda.Büros.

Entstehen soll die Plattform durch die Einträge all jener, die ein nachhaltiges Projekt in Leipzig betreiben. Elsässer: “Dafür möchten wir alle Unternehmen, Vereine und andere Organisationen einladen, ihre Aktivitäten kurz zu präsentieren. Dies soll zur Ideenanregung und Nachahmung für andere beitragen. Das Internetportal nachhaltiges-leipzig.de wird die Adresse in Leipzig, wenn es darum geht innovative, nachahmenswerte Praxisbeispiele zu finden.”

In vier Sparten kann man sich anmelden: Nachhaltiger Lebensstil, Nachhaltig Wirtschaften, Energie/Klimaschutz und Soziale Nachhaltigkeit.

Natürlich sind das nicht alle Lebensbereiche, in denen Nachhaltigkeit eine Rolle spielt. Einer wurde zum Beispiel ganz bewusst ausgespart: die Bildung. Bildungsangebote sollen – so Elsässer – in naher Zukunft auf der Internetseite der Zukunftsakademie angezeigt werden.

Dabei ist den Akteuren der Leipziger Agenda 21 durchaus bewusst, dass das Wort Nachhaltigkeit in den letzten Jahren inflationär gebraucht wurde und auch von Leuten, die damit alles Mögliche meinten, nur eben keinen nachhaltigen und zukunftsträchtigen Umgang mit der Welt und ihren Ressourcen.

Ein “nachhaltiges Wachstum” kann das komplette Gegenteil eines “Nachhaltigen Wachstums” sein.

Und so gibt es zu jedem Einzelpunkt auch ein paar kurze, wohlgemeinte Hinweise. Zu “Nachhaltig Leben” etwa: “Welchen ökologischen Fußabdruck verursachen Sie durch Ihren Lebensstil?” Hier kommen also Projekte aus den Bereichen Ernährung, Konsum, Mobilität, Wohnen und Arbeiten in Frage, die Anregungen geben für unterschiedliche Lebenssituationen.

Zu “Nachhaltig Wirtschaften” heißt es: “Nachhaltig zu Wirtschaften bedeutet mehr, als vorgeschriebene Standards einzuhalten.” Das wird für viele, die durch den Missbrauch des Wortes Nachhaltigkeit längst völlig verwirrt sind, natürlich zu unkonkret. Und mit Recht werden sie fragen: Was bedeutet es nun? Darf hier jedes Unternehmen hinschreiben, was es selbst für nachhaltig hält?
Das Agenda-Büro verweist in seiner Selbstbeschreibung natürlich auf seinen Ursprung in der Agenda 21 der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992. Diese nun – fast schon legendär – hat seinerzeit die drei wichtigen Kriterien Ökonomie, Ökologie und Nachhaltigkeit nebeneinander gesetzt. In zahlreichen Ländern entstanden danach entsprechende Agenda-Initiativen, in der Bundesrepublik bis hinunter auf die lokale Ebene. Was dann – wie in Deutschland so oft üblich – auch wieder eine Art des Wegdelegierens war. Die Initiativen bleiben dezentral – bis auf den Netzwerk21-Kongress, die Unterstützung bleibt privat oder lückenhaft. Da, wo eine nachhaltige Politik tatsächlich verankert werden müsste, findet sie nur in Ansätzen statt: auf Bundesebene genauso wie auf Landesebene. In Sachsen dann gar noch unterfüttert mit einem Jubiläum, denn es war ja der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der 1713 den Begriff Nachhaltigkeit prägte – damals explizit in Bezug auf die Forstwirtschaft, die nach Jahrhunderten des Raubbaus an den Wäldern Mitteleuropas begriffen hatte, dass man immer nur so viel Holz aus dem Wald holen kann, wie auch jedes Jahr nachwächst.

Lang ist das her. Aber diese einfache Prinzip gilt für alle Bereiche des Lebens auf Erden. Und in allen Ländern, in allen politischen Systemen. 1992 war die Staatengemeinschaft für einen kurzen Augenblick soweit, das tatsächlich zu akzeptieren. Alle folgenden Konferenzen – auch die zum Klima – haben dann die alten Untugenden der nationalen Egoismen wieder zu Tage gebracht.

Auch in Deutschland wird seit Jahren heftig kritisiert, dass der nachhaltige Umbau des Landes viel zu langsam, zu unsystematisch und lustlos vonstatten geht. Dabei kann sich auch die Bundesrepublik dem Nachhaltigkeitsprinzip nicht entziehen, das – nach Wikipedia – so lautet: “Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht.”

Man sieht schon hier die Zurückhaltung des Autors, der von “einem Handlungsprinzip” spricht, als hätten die Menschen die Wahl zwischen unterschiedlichen Handlungsoptionen. Haben sie aber nicht. Denn jede Gesellschaft, die ihre Ressourcen plündert, entzieht sich ihrer Existenzgrundlagen. Jeder einzelne Teil der Gesellschaft muss nachhaltig organisiert werden. Auch die Wirtschaft. Da kann man gespannt sein, welche Leipziger Unternehmen hier tatsächlich auftauchen – einen gewissen Filter gibt es schon bei den Unterkategorien, wo dann so wichtige Kriterien wie regionale Produktion, fairer Handel und Kreislaufwirtschaft angeklickt werden können.

Etwas klarer wird das Anliegen beim Thema “Energie/Klimaschutz”: “Energieeinsparung, Nutzung erneuerbarer Energien oder umweltfreundliche Mobilität – Hier wird die Energiewende für Leipzig konkret.”

Etwas komplexer wird es dann wieder bei “Soziale Nachhaltigkeit”. Da formuliert auch das Agenda-Büro lieber: “‘Soziale Nachhaltigkeit’ klingt sehr abstrakt. Hier geht es aber um konkrete Projekte zu den Aspekten der Chancengerechtigkeit, der Bildung, des sozialen Zusammenhalts oder der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement.” Hier geht es durchaus auch um heikle Themen wie Bildungschancen und eine echte Bürgerbeteiligung. Wörtchen wie Transparenz, informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz fehlen hier noch. Aber die Seite ist durchaus auch denkbar als Diskussions- und Entwicklungsplattform.

Warum sollen einzelne Aktivitäten auch nicht wieder öffentlich diskutiert werden auf ihre Nachhaltigkeit hin? Denn selbst der Blick auf den mehr als knappen Leipziger Haushalt zeigt: Wenn nicht die ganze Stadtgesellschaft den Weg schafft hin zu einem wirklich nachhaltigen Wirtschaften – auch mit Finanzen, Teilhabe und Ideen – dann hat Leipzig keine Zukunft. Außer die, dauerhaft in die finanzielle Vormundschaft einer Landesregierung zu rutschen, die zwar Kommunen gängelt, selbst das Geld aber zum Fenster hinausschmeißt. Stichwort: SLB. Stichwort: nicht-nachhaltiger Hochwasserschutz.

Keine Frage: Auch Sachsen und erst recht die Bundesrepublik brauchen eine nachhaltig denkende Regierung.

Man kann gespannt sein, welches Bild sich mit der Zeit ergibt, wenn all jene, die in Leipzig glauben, dass sie schon nachhaltig agieren, ihre Einträge hinterlassen auf:

nachhaltiges-leipzig.de

Wikipedia zur “Agenda 21”:
http://de.wikipedia.org/wiki/Agenda_21

Wikipedia zum Begriff Nachhaltigkeit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit

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