Geschafft, teilt die Initiative Bürgerbegehren "Privatisierungsbremse" mit. Noch vor der Sommerpause kann die Initiative das faktische Erreichen des Quorums vermelden, mit dem die Privatisierung kommunaler Unternehmen in Leipzig künftig erschwert werden soll. Noch kann unterschrieben und gesammelt werden, um das "Sicherheitspolster" von etwa 3.000 Unterschriften zu den erforderlichen etwa 22.000 noch aufzubessern.

Die Initiative will jedoch in Kürze den Oberbürgermeister offiziell um einen Termin zur Übergabe der Unterstützerunterschriften des Bürgerbegehrens bitten, erklären die beiden Sprecher der Initiative Mike Nagler und Wolfgang Franke. “Wir erwarten, dass die Verwaltung nun die erforderlichen Prüfungen hinsichtlich des Quorums und der Zulässigkeit einleitet. Bereits zur nächsten planmäßigen Sitzung des Stadtrates könnte der Bürgerentscheid zur ‘Privatisierungsbremse’ auf der Tagesordnung stehen”, betonen sie. “Wir gehen davon aus, dass der Stadtrat einen solchen Beschluss fassen wird. Innerhalb von drei Monaten wird dann der Entscheid durchzuführen sein, der die Initiative wieder vor große Herausforderungen stellen wird – geht es doch dann darum, 100.000 Leipzigerinnen und Leipziger an die Abstimmungsurne zu bewegen und dem Anliegen der Initiative zuzustimmen.”

Möglicherweise wird die Abstimmung gerade in die Phase der Diskussion über den nächsten städtischen Haushalt fallen. “Angesichts der bereits jetzt bekannten Daten ist zu erwarten, dass es dann darauf ankommen wird, Lösungen für die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt Leipzig jenseits der Privatisierung kommunalen Eigentums zu finden. Privatisierung kann finanzielle Probleme einer Kommune nicht strukturell und nachhaltig lösen”, betonen die beiden.

Auf ein Problem des Bürgerentscheids machte Rechtsanwalt Sven Kreuter am 20. Juni aufmerksam: “Das Ziel der Initiatoren des Bürgerbegehrens ließe sich nur durch eine Änderung der Hauptsatzung der Stadt Leipzig erreichen. Die Hauptsatzung muss sich jedoch stets in dem Rahmen halten, der durch die höherrangigen gesetzlichen Vorgaben der Sächsischen Gemeindeordnung vorgegeben wird. Darüber hilft auch das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kommune nicht hinweg, weil dieses nach Art. 28 II 1 des Grundgesetzes (GG) eben nur im Rahmen der Gesetze besteht. Die Gemeindeordnung – so Kreuter – legt wiederum genau fest, wann für Stadtratsbeschlüsse welche Mehrheiten erforderlich sind.”
So bedürfe im Regelfall ein Beschluss des Stadtrates einer Mehrheit der anwesenden Stadträte (§ 39 VI 2 SächsGemO), für Änderungen der Hauptsatzung müsste die Mehrheit aller gewählten Stadträte zustimmen (§ 4 II 2 SächsGemO). Zweidrittelmehrheiten sind in der Gemeindeordnung nur in Ausnahmefällen vorgesehen, wie beispielsweise bei einer Abwahl von Beigeordneten. Von diesen Vorgaben über die notwendigen Mehrheiten für Beschlüsse dürfe die Stadt Leipzig nicht abweichen, so Kreuter. Das Problem müsse auf anderer Ebene angegangen werden.

Das Ziel der Leipziger Bürgerinitiative, das aus rein rechtlichen Dingen so leicht nicht zu erreichen ist, ist es, zukünftig Privatisierungen städtischen Eigentums erheblich zu erschweren. Ist der Bürgerentscheid erfolgreich, dürfte der Stadtrat in Zukunft Privatisierungen nur noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Bereits 2008 hatten die Leipzigerinnen und Leipziger in einem Bürgerentscheid die von CDU, SPD und FDP geplante Privatisierung der kommunalen Stadtwerke verhindert. Damals sprachen sich bei einer hohen Wahlbeteiligung knapp 90 Prozent für den Erhalt aus. – Aber der Teufel steckt halt im rechtlichen Detail.

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Dr. Sven Kreuter: “Wenn die Bürgerinitiative genügend Unterschriften zusammen bekommen sollte, muss eine Ablehnung des Bürgerbegehrens durch den Stadtrat erfolgen. Die Gefahr ist dann freilich groß, dass viele der Unterzeichner dies als undemokratisch empfinden werden, obwohl die Stadt dann nur geltendes Recht umsetzen würde. Da ein maßgeblicher Initiator des Bürgerbergehrens zugleich für die Partei ‘Die Linke’ für den Bundestag kandidiert und eine Abstimmung zeitgleich mit der Bundestagswahl angestrebt wird, könnte eine Auseinandersetzung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auch in den Bundestagswahlkampf hineingezogen werden. Dabei lässt sich das Ziel des Bürgerbegehrens durchaus erreichen, wenn eine Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung durch ein landesweites Volksbegehren angestrebt würde. Dafür werden landesweit 450.000 Unterschriften oder die Unterschriften von mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten im Freistaat Sachsen benötigt.”

Was dann freilich eine noch viel höhere Hürde ist. – Es läuft also alles auf eine recht heiße Diskussion im Herbst hinaus. Mal ganz abgesehen davon, dass auch Stadtrat und Verwaltung sich nach nunmehr sechs Jahren Erfindung der “Leipzig Charta” einen Katalog des nachhaltigen Umgangs mit städtischem Eigentum zulegen könnten. Und dazu könnten auch Selbstverpflichtungen gehören, die man einhält, auch wenn sie so nicht in der Gemeindeordnung stehen. Das ist dann noch keine Garantie – auch die Landesaufsicht regiert ja seit Jahr und Tag ohne Hemmungen in den Leipziger Haushalt hinein. Aber es könnte den Fokus schärfen für so simple Dinge: Wo wird tatsächlich Geld verschleudert? Und wo wird städtischer Reichtum bewahrt?

Franke und Nagler: “Wir bitten nochmals alle interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürger darum, ausgefüllte Unterschriftenlisten im Haus der Demokratie, Bernhard-Göring-Straße 152, abzugeben.”

www.privatisierungsbremse.de
Die Stellungnahme von Dr. Sven Kreuter als PDF zum download.

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