Wo stehen wir wirklich mit der Emanzipation in unseren ach so modernen Zeiten? Oder ist Vieles von dem, was irgendwie wie eine Würdigung der Gleichberechtigung der Geschlechter aussieht, nichts als ein Marketing-Gag? Mit dem auch übertüncht wird, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen weltweit noch immer ein Normalzustand ist? Am Donnerstag, 14. Februar, wird deshalb auch auf dem Leipziger Marktplatz getanzt.

Unter der großen Dachzeile “One Billion Rising”. Das ist alles Mögliche in einem: ein globaler Streik – eine Einladung zum Tanz – ein Akt weltweiter Solidarität. Wer mitmachen will, kann sich am 14. Februar um 17:00 Uhr auf dem Marktplatz einfinden.

Der 14. Februar ist in den Kalendern der Kaufhäuser und Blumenhändler der Valentinstag. Zwar mit der Geschichte des kirchlichen Gedenktages untersetzt. Aber im Grunde eine Werbeidee des 20. Jahrhunderts. So jung ist diese Marketing-Idee der nordamerikanischen Blumenhändler, die damit den Blumenverkauf im frostigen Winter ankurbeln wollten. Was ihnen ja irgendwie auch gelungen ist. Mittlerweile sind auch Schokoproduzenten und Präsentebastler auf den Verkaufszug aufgesprungen. Ist ja eine hübsche Idee: Einmal im Jahr zeigen Verliebte einander, dass sie sich gern haben.

Manche nur kurz, manche richtig lang.

Aber das kann nicht kaschieren, dass Gewalt gegen Frauen weltweit noch Alltag ist. Die Ereignisse in Indien haben ein mehr als erhellendes Schlaglicht auf eine Kultur geworfen, in der Männer ihre Angst vor selbstbewussten Frauen in sexueller Gewalt gegen junge Studentinnen ausgetobt haben. Aber man muss nicht nach Indien schauen, um mit dem Phänomen in Kontakt zu kommen. Es ist auch in Deutschland zu finden. Auch der Leipziger Polizeibericht erzählt davon. Im Jahr 2011 kamen 353 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zur Anzeige. 2010 waren es 310 Fälle gewesen, 2009 waren es 445. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Fälle kommen nicht zur Anzeige, weil sie im privaten Umfeld passieren.

In Deutschland war jede vierte Frau schon einmal sexueller oder anderer Gewalt ausgesetzt. 90 Prozent aller Frauen sind von sexueller Belästigung in der Öffentlichkeit betroffen.

Aus Anlass des Valentinstages 2013 wurde “One Billion Rising” ins Leben gerufen: Weltweit sind eine Milliarde Frauen und Mädchen, Männer und Jungen aufgerufen, sich gemeinsam zu erheben, auf die Straße zu gehen und zu tanzen, um ein klares Signal gegen Gewalt und Unrecht an Frauen und Mädchen zu setzen.

“One Billion Rising” ist eine weltweite Bewegung, die im September 2012 von der New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Ensler (Autorin der Vagina-Monologe) initiiert wurde. Die Kampagne fordert ein Ende der Gewalt gegen Frauen sowie Gleichstellung und Gleichberechtigung. Für den Valentinstag 2013, am 14. Februar, werden weltweit eine Milliarde (engl. “Billion”) Menschen zu Streiks und Protestkundgebungen aufgerufen. Indem sie gemeinsam öffentlich tanzen, wollen sie ihre Solidarität mit von Gewalt betroffenen Frauen demonstrieren.

AktivistInnen in mehr als 13.000 Organisationen aus 178 Ländern organisieren Veranstaltungen oder nehmen teil. Ihr Ziel an diesem Tag ist es nicht anzuklagen, sondern Solidarität zu zeigen und den “One Billion Rising”-Song “Break The Chain” zu tanzen. Zu deutsch also: “Zerbrich die Fesseln”.Auch der Landesfrauenrat Sachsen als Spitzenverband der Sächsischen Frauenverbände und -initiativen begrüßt diese Initiativen und ruft Frauen und Mädchen und ihre Unterstützer zur Teilnahme auf.

Irene Schneider-Böttcher, Vorsitzende des Landesfrauenrats Sachsen: “Die Aktionen in Dresden, Leipzig und Freiberg sind ein großartiges öffentliches Zeichen. “One Billion Rising” zielt auf eine Änderung der gesellschaftlichen Kultur: gegen Gewalt an Frauen, gegen das Wegsehen gerade bei Belästigungen im öffentlichen Raum. Sie stärken Mädchen und Frauen den Rücken, Nein zu sagen und zeigen ihnen, dass sie nicht allein sind.”

Der Landesfrauenrat mahnt darüber hinaus ein entschlossenes staatliches Handeln gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen an. Dieser Kriminalitätsbereich habe die höchste Dunkelziffer und die Hilfelandschaft in Sachsen viel zu viele weiße Flecken. Insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt zeigen Statistiken, dass die Anzeigenbereitschaft weiter sinkt, wenn keine Hilfsangebote da sind. So haben der Erzgebirgskreis und Nordsachsen kein Frauenschutzhaus und vermeinen, in diesem Bereich geringe Probleme zu haben. “Das Gegenteil ist aber der Fall”, so Schneider-Böttcher. Auch die Strafverfolgung selbst müsse sich im Hinblick auf die Begleitung und Unterstützung von Opfern verbessern.

Der Landesfrauenrat begrüßt in diesem Zusammenhang auch besonders die Selbsthilfe und Solidarisierung, die in letzter Zeit über die neuen Medien erfolgt: die #aufschrei-Aktion bei Twitter oder die Initiative Hollaback, die sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum in regionalen Blogs dokumentiert.

In Sachsen sind drei große Aktionen am 14. Februar geplant: In Dresden ab 17.00 Uhr auf dem Dr.-Külz-Ring, in Freiberg auf dem Obermarkt schon ab 16.30 Uhr. In Leipzig treffen sich alle, die mitmachen wollen, am 14. Februar um 17.00 Uhr auf dem Markt, um eine einfache Choreografie zu tanzen.

“Nicola und Gesa von Nia & more zeigen uns, wie das geht, damit es auch wirklich getanzte Freude wird. Natürlich zeigen wir Euch auch die Bilder der weltweiten Tanzstreiks an diesem Tag”, kündigen die veranstaltenden Vereine an. “Lasst uns Leipzig zeigen, wie eine Milliarde aussieht! Lasst uns den Markt zum Beben bringen!”

www.onebillionrising.de

www.landesfrauenrat-sachsen.de

www.frauenfuerfrauen-leipzig.de

www.nia-leipzig.de

www.frauenkultur-leipzig.de

www.lebenszeiten.leipzigerinnen.de

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