In der Leipziger Jugendhilfe rumort es heftig. An allen Ecken fehlen Fachkräfte und Geld. Die Auswirkungen sind gravierend: Jeder 8. Schüler erreicht in Leipzig mittlerweile keinen regulären Schulabschluss mehr, gelangweilte Kinder und Jugendliche ziehen pöbelnd und randalierend durch die Stadt. Seit Jahren macht die Arbeitsgemeinschaft der freien Träger der Jugendhilfe (AGFT) auf die Probleme aufmerksam.
Trotzdem wird bei den Jugendvereinen immer mehr Personal abgebaut: Beratungsstellen melden immer längere Wartezeiten, Freizeittreffs und beispielsweise medienpädagogische Bildungseinrichtungen müssen anspruchsvolle Bildungsangebote streichen, in diesem Sommer mussten sogar der erste Jugendclub ausgerechnet während der Ferien zeitweise schließen – aus Geldmangel.
Die Jugendhilfevereine fühlen sich mit ihren Schützlingen von Verwaltung und Politik im Stich gelassen. Gerade hat der Jugendhilfeausschuss die Förderung für das kommende Jahr beschlossen. Die Angebote sollen demnach die gleichen Beträge wie dieses Jahr erhalten. Die Fraktionen des Stadtrates wollen im Rahmen des Haushaltsbeschlusses am Montag noch mal zwei Prozent drauflegen.
“Alleine die Tariferhöhungen 2012 und 2013 haben zu Kostensteigerungen von bis zu sechs Prozent geführt, gerade haben die Stadtwerke höhere Kosten für Fernwärme angekündigt und das wird vermutlich noch nicht alles sein, was unsere Kosten in die Höhe treibt”, rechnet Oliver Reiner, Koordinator der AGFT vor. “Das was jetzt draufgelegt werden soll, ist damit nicht mehr als eine politische Beruhigungspille, die verschleiert, dass der Kahlschlag weitergeht – wirkliches politisches Engagement zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen außerhalb von Kitas und Schulen sieht anders aus.”
Die Jugendhilfeträger werden deswegen spontan am Montag, 17. Dezember, vor der Ratsversammlung protestieren. Über 20 Vereine haben ihre Teilnahme bereits zugesagt. Aus ihrer Sicht setzt Leipzig derzeit falsche Prioritäten: Allein für die drei großen Freizeiteinrichtungen für Erwachsene – Oper, Gewandhaus und Centraltheater – wird jedes Jahr acht mal soviel Geld bereit gestellt, wie für die Jugendförderung mit ihren Freizeit-, Bildungs- und Beratungsangeboten. Als in der Hochkultur Tariferhöhungen anstanden, waren schnell zusätzliche fünf Millionen organisiert. “Nur drei Millionen wären jetzt notwendig, um die Jugendangebote auf ein fachlich angemessenes Niveau zu bringen. So viel müssen uns unsere Kinder und Jugendliche wert sein”, appelliert Oliver Reiner.
Die AGFT-Mitglieder sind auch deshalb so enttäuscht, weil der Stadtrat im Herbst einen neuen Fachplan zu diesem Thema beschlossen hat. Drei Jahren hatten Verwaltung, freie Träger und Politik gemeinsam daran gearbeitet. Jetzt wo es an die Umsetzung geht, scheint all das vergessen. “Das einzige greifbare, was dieser Plan bisher gebracht hat, ist eine Verdopplung der Koordinatorenstellen im Jugendamt, sowie zusätzliche Manager in den Stadträumen”, beschreibt Oliver Reiner die Verbitterung der für die Jugendhilfe Engagierten. “In die Verwaltung der Misere wird viel Geld gesteckt. Für dringend notwendige, zusätzliche Sozialarbeiter soll dann keins mehr da sein.”
Dabei hatte die AGFT bereits im Sommer das Gespräch mit allen Stadtratsfraktionen gesucht. “Damals war bei allen Fraktion durchaus politisches Wollen zu spüren, die Jugendangebote wieder auf einen leistungsfähiges Niveau zu bringen”, so Oliver Reiner, der hauptberuflich das Soziokulturelle Zentrum “Die VILLA” leitet. “Am Ende haben aber leider nur die Linke und die Fachpolitiker im Jugendhilfeausschuss einen konkreten Antrag eingebracht, der in den politischen Diskussionen jetzt auf die symbolische Erhöhung zusammengestrichen wurde.”
Ähnliches beobachtet die AGFT im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl im kommenden Januar. “Wir haben die Kandidaten um ihre Ansichten zur Jugendhilfe gebeten und diese unter www.agft-leipzig.de veröffentlicht. Alle Kandidaten halten gute Hilfesysteme für Jugendliche, sinnvolle Freizeitangebote und außerschulische Bildungsprojekte für einen besonderen Schwerpunkt. Diese Aussagen müssen sich aber auch im konkreten politischen Handeln widerspiegeln”, so Oliver Reiner. Mit dem Engagement von Burkhard Jung in diesem Zusammenhang sind viele AGFT-Mitglieder sehr unzufrieden.
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