Sämtliche Wahlkämpfe im letzten Jahr waren von Populismus geprägt, falschen Versprechungen, falschen Problembehauptungen. Das hat auch den Leipziger Stadtrat verändert und damit die dort sichtbar werdende Leipziger Politik. Dominierten in den Vorjahren Sachpolitik und Ernsthaftigkeit, nutzen mittlerweile drei Fraktionen die Ratsversammlungen dazu, Probleme aufzubauschen, die es gar nicht gibt. Und das Erschreckende dabei sind die immer heftigeren Attacken gegen die Stadtverwaltung. Da sah sich am 19. März selbst FDP-Stadtrat Sven Morlok gezwungen, die Verwaltung mit einer kurzen Rede in Schutz zu nehmen.
Vorhergegangen waren heftige Attacken auf die Arbeit der Verwaltung in den Reden von Cornelia Falken (Die Linke), Christian Kriegel (AfD), Stefan Rieger (fraktionslos). Woran Morloks Rede aber nichts änderte, denn genauso verbissen waren die nachfolgenden Reden von Julian Schröder (CDU) und Michael Weickert (CDU), belehrend auch. Vorwurfsvoll sowieso und teilweise falsch. Worum ging es?
Um die simple Grundsatzentscheidung, ob nun anstelle zweier Garagengemeinschaften in der Katzmannstraße in Mockau ein neues Schulgebäude gebaut werden kann, das von 2026 bis 2041 die Schüler von vier Schulen aus dem Leipziger Norden aufnehmen kann, die dringend zur Sanierung anstehen.
Und da begann schon das Schimpfen und Wettern auf eine Verwaltung, die irgendwie in den vergangenen Jahren verschlafen haben soll, die Schulen in der Stadt zu sanieren. Nicht nur Morlok, SPD-Stadtrat Andreas Geisler und Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Tobias Peter wiesen darauf hin, dass diese Beiträge von etwas erzählten, was man so im Stadtrat bislang nicht beobachtet hat: der völligen Ignoranz gegenüber zurückliegenden Stadtratsentscheidungen und der tatsächlichen Investitionen Leipzigs in seine Schulgebäude.
200 Millionen Euro jedes Jahr für Schulbau
Am Ende wies OBM Burkhard Jung noch darauf hin, wie er in seiner Zeit als Oberbürgermeister startete – mit mickrigen 30 Millionen Euro, die für den Schulhausbau im Haushalt zur Verfügung standen. Viel zu wenig, selbst für den Substanzerhalt. Grund dafür waren die klammen Stadthaushalte vor 20 Jahren, die mehr Spielraum eigentlich nicht ließen.
Erst 15 Jahre später hatte sich Leipzig finanziell endlich so frei geschwommen, dass der Schulbauetat auf 200 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt werden konnte. Das Geld aber, so Burkhard Jung, floss natürlich zuallererst in den Schulneubau, denn seit 2000 waren die Geburtenzahlen drastisch gestiegen. Für tausende zusätzliche Kinder mussten Plätze in neuen Schulen geschaffen werden.
Erst jetzt ist Leipzig beim Schulneubau endlich so weit fertig, dass das Geld in die Sanierung all der Schulen fließen kann, die seit Jahren dringend auf die Sanierung warten. Aber was man in Leipzig nie wieder machen würde, so Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus in ihrer einleitenden Rede: Schulen mitten im Betrieb zu sanieren. Das werde man Lehrern und Schülern nicht zumuten.

Also braucht die Stadt, um die zur Sanierung anstehenden Schulen frei zu räumen, Auffangschulen, in die die Schüler und Lehrer für die Zeit der Sanierung umziehen können. Und so ein Gebäude soll an der Katzmannstraße entstehen. Was schon länger bekannt ist, wie Felthaus erklärte. Denn schon im Mai 2022 gab es die erste Information dazu aus dem Liegenschaftsamt.
Und auch Sven Morlok erinnerte daran, dass sich der Stadtrat damit schon in der letzten Legislatur beschäftigte und grundsätzliche Beschlüsse zu Sanierungen und Auslagerungsschulen fasste. Mit dem Wissen darum, dass die Stadt dafür kaum freie Grundstücke der benötigten Größe besitzt, dass also – wie schon beim Schulneubau in der Hans-Beimler-Straße – die Flächen existierender Garagenhöfe in Anspruch genommen werden müssen. Flächen, die der Stadt gehören, deren Pachtverträge demnach gekündigt werden können.
Garagenpächter gegen Schulneubau?
Im Dezember 2024 gab es die nächste Vorabinformation der Stadt zur Katzmannstraße. Da passierte noch nichts. Aber dann kam die Informationsveranstaltung am 28. Januar in Mockau – und auf einmal war alles ganz anders. In der einen und der anderen Zeitung in der Stadt wurde auf einmal eine heftige Diskussion losgetreten und eigentlich erst der Zwist aufgemacht, der dann in der Ratsversammlung am 19. März kulminiere: Garagenpächter gegen Schulneubau.
Ein Teil der Garagenpächter startete eine Petition gegen den Schulneubau. Stadtschülerrat und Stadtelternrat starteten eine Gegenpetition. Die erste fand 600 Unterschriften, die zweite fast 1.700.

Die Diskussion war so schrill, dass am 19. März auf einmal lauter Vorwürfe im Raum standen, die Verwaltung würde schlecht kommunizieren. Das wäre der Grund für den ganzen Streit. Obwohl völlig unklar ist, wie viele Garagenpächter tatsächlich den vor über 50 Jahren gebauten Stellplatz für ihr Auto brauchen.
Und wie viele sogar einverstanden wären, wenn ihnen nur ein sicherer Stellplatz in Wohnortnähe zugesichert würde. Etwas, was die SPD-Fraktion in einen Antrag packte, für den Ute Köhler-Siegel ruhig und überzeugend argumentierte.
Und natürlich ergibt das Sinn. Das Liegenschaftsamt hatte bei der Suche nach einem Schulstandort im Leipziger Norden 34 Grundstücke auf ihre Eignung untersucht und sie – für den Schulhausbau – alle verworfen. Aber als ein neuer Stellplatz für 100 Autos würde sich manches dieser Grundstücke eben doch anbieten. Weshalb Vicki Felthaus den Antrag auch gleich mit in die Verwaltungsvorlage übernahm.
Eigentlich alles geklärt.
Drei Anträge gegen den Standort
Aber sowohl Christian Kriegel für den Änderungsantrag der AfD als auch Julian Schröder für einen Änderungsantrag der Stadträte Julian Schröder, André Möllmer, Jens Lehmann (alle CDU), Sascha Jecht (BSW) und Stefan Rieger wollten die Argumente von Liegenschaftsamt und Amt für Schule zur Ablehnung der untersuchen Grundstücke nicht akzeptieren und wollten das Verfahren noch einmal stoppen, um den Schulbau auf andere Grundstücke umzulenken, Schröder gar mit der völlig falschen Behauptung, man hätte für den Schulbau ja noch acht Jahre Zeit bis 2033.
Obwohl in der Vorlage eindeutig steht, dass die Schule 2026 bezugsfertig sein muss, weil es ab dann für 15 Jahre einen dicht gestaffelten Belegungsplan gibt. Die Stadt könne nicht warten und eine Ablehnung der Vorlage würde auch sämtliche Sanierungspläne über den Haufen werfen, wie Vicki Felthaus betonte.

Andreas Geisler vermutete in seiner Rede, die Antragsteller hätten wohl einfach die entsprechenden Ausschusssitzungen versäumt, in denen die Verwaltung ausführlich über die Pläne in der Katzmannstraße informiert hat.
Aber vielleicht trifft auch etwas anderes zu: Dass die Ratsversammlung immer mehr zur Schaubühne für eine Politikinszenierung wird, in der es nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung und die Suche nach guten Kompromissen geht, sondern um – Show, um die Inszenierung von heftig ausgetragenen Konflikten.
Was vorher eher eine Masche von Boulevard-Medien war, schwappt nun mitten hinein in die Kommunalpolitik und suggeriert uninformierten Zuschauern, dass sich die Antragsteller zugespitzter Anträge doch irgendwie viel stärker im Sinne „ihrer Wähler“ in die Seile werfen würden und für ihre Klientel „kämpfen“ würden. Gegen eine „sture“ Verwaltung.
Sündenbock Verwaltung?
Und dann behaupten manche Redner eben auch einfach immer wieder, die Verwaltung würde schlampig arbeiten, Kritik ignorieren und sowieso ihre Arbeit nicht machen. Was dann das seltsame Rede-Bild ergibt, dass Verwaltung per se bürgerunfreundlich, undurchschaubar und ignorant agiere, was dann die Politikverdrossenheit bestärke.
Eine Volte, die tatsächlich den Blick darauf verstellt, dass es eigentlich der inszenierte Streit selbst ist, der die Bürger abschreckt. Während gleichzeitig – wie in diesem Fall – verbal die Garagenpächter gegen die Kinder ausgespielt werden.
Obwohl die jahrelange Beobachtung von Stadtratsarbeit nun einmal zeigt, dass eine Stadt wie Leipzig immer unter finanziellen Zwängen agiert und in einer zunehmend verdichteten Stadt Kompromisse zwingend nötig sind.

Entsprechend gespannt waren natürlich auch die Petenten auf den Rängen, die an diesem Tag der Diskussion folgten und durchaus an einer Stelle heftig geatmet habe dürften.
Knapper Ausgang
Denn natürlich kamen auch die Anträge, die das Schulprojekt in der Katzmannstraße verhindern wollten, zur Abstimmung. Zuerst der Antrag der CDU-Fraktion, die den Schulstandort Katzmannstraße komplett streichen wollte und dafür einen Schulbau in der Rosenowstraße habe wollte.
Doch mit 17:29 Stimmen bei 19 Enthaltungen war dieser Antrag weit von einer Zustimmung entfernt.
Anders war es schon mit dem Antrag von Julian Schröder, André Möllmer, Jens Lehmann, Sascha Jecht und Stefan Rieger. Auch der forderte das Aussetzen der Planungen in der Katzmannstraße und suggerierte sogar, dass eine Ausweichschule im Norden gar nicht mehr gebraucht werden würde.
Die über die nächsten Jahre geplanten fünf Auslagerungsschulen sollten gar zu einem Projekt zusammengezogen werden. Der Antrag hätte sogar fast eine Mehrheit bekommen, stand bei einem Patt von 30:30 Stimmen, als sich auch CDU-Stadtrat Karsten Albrecht noch verspätet meldete. Also ließ OBM Burkhard Jung diesen Antrag noch einmal abstimmen, der diesmal mit 31:33 Stimmen eine – knappe – Ablehnung erfuhr.
Völlig chancenlos war der AfD-Antrag, der den Schulneubau ebenfalls an die von der Stadt abgelehnte Rosenowstraße verlagern wollte. Er wurde mit 11:44 Stimmen abgelehnt.
Während dann die von Vicki Felthaus vorgestellte Vorlage, die Ausweichschule an der Katzmannstraße zu bauen, am Ende doch noch mit 34:28 Stimmen die nötige Mehrheit bekam.
Aber Julian Schröder deutete es schon an: Bei den nächsten Auslagerungsschulen ist im Stadtrat dasselbe Theater zu erwarten. Auch da geht es wieder um Garagenhöfe. Und um die inzwischen natürlich akute Frage, was der Ratsversammlung wichtiger ist: zufriedene Garagenpächter oder Kinder, die endlich in sanierten Schulen lernen können.
Denn der Sanierungsstau in Leipzigs älteren Schulen ist ja nicht aus der Welt. Zu Dutzenden sind sie in den nächsten Jahren dran für eine Generalsanierung. Und für jedes einzelne Sanierungsprojekt wird eine Ausweichschule benötigt – und zwar möglichst im selben Stadtbezirk und nicht am anderen Ende der Stadt.
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Es gibt 2 Kommentare
Käthes Beitrag fast alles hervorragend zusammen.
Polarisierungsunternehmer, links wie rechts.