In der Ratsversammlung am 19. März stand auch noch einmal der Umgang mit dem ehemaligen Technischen Rathaus auf der Tagesordnung. Denn die CDU-Fraktion war verärgert. Im April 2024 hatte der Stadtrat nach einer langen und zähen Debatte dem Verwaltungsvorschlag zugestimmt, den entkernten Stahlskelettbau an der Prager Straße zu kaufen, ihn dann abzureißen und ein komplett neues Verwaltungsgebäude an der Stelle zu bauen. Doch dann meldeten sich die Leipziger Architektenverbände zu Wort und plädierten für den Erhalt der Bausubstanz.
Und das taten sie mit guten Argumenten. Auch die Planer, die 1978/1980 für den Bau des Gebäudes verantwortlich waren, wurden von der Verwaltung eingeladen, um Auskunft über die Belastbarkeit des Gebäudes zu geben. Die Gebäudesubstanz wurde noch einmal durch Bohrungen geprüft, wie Baubürgermeister Thomas Dienberg erklärte. Und am Ende stand die Botschaft aus der Verwaltung, dass man den Bau wohl erhalten, auf den 11 Millionen Euro teuren Abriss also verzichten könnte.
Was natürlich bedeutet, dass die Verwaltung einen neuen Beschlussvorschlag für die Ratsversammlung vorlegen muss. Aber statt diesen Vorschlag abzuwarten, formulierte die CDU-Fraktion einen ganzen Fragenkatalog, den das Referat Verwaltungsunterbringung zur Ratsversammlung am 19. März auch beantwortete.
Aber das reichte der CDU-Fraktion nicht. Die aus irgendeinem Grund zutiefst beleidigt war, dass der Bau nun vielleicht doch stehen bleiben könnte. Von einem „Gerippe“ sprach CDU-Stadtrat Karsten Albrecht bei seiner Nachfrage und suggerierte massive mögliche Schädigungen im Beton. Falk Dossin meinte, nur ein von CDU und Linken vorgeschlagener Kompromiss hätte im April, 2024 überhaupt die Vorlage der Verwaltung gerettet.
Auch wenn dieser Kompromiss lediglich aus dem Satz bestand: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Prüfung über die CO₂-Bilanz des Abrisses des auf dem Grundstück befindlichen Stahlbetonskeletts durchzuführen und diesen mit ökologischen Kompensationsmaßnahmen im Objekt oder im Stadtgebiet auszugleichen.“
Nur so als logische Fortsetzung: Ohne den Beschluss hätte die Stadt das Gebäude gar nicht gekauft und der Stadtrat würde gar nicht in die Lage kommen, jetzt über einen möglichen Erhalt des Bauwerks zu diskutieren. Das ist nur möglich, weil die Stadt den Bau gekauft hat.
Hält sich die Verwaltung nicht an Stadtratsbeschlüsse?
Aber es fiel auch einmal mehr auf, wie sehr die CDU-Fraktion mit allen Mitteln versucht, die Verwaltung der Untätigkeit oder gar – wie in dieser Debatte deutlich geworden – des Unterlaufens von Stadtratsbeschlüssen zu bezichtigen. Deutschland ist eigentlich voller tragischer Großprojekte, bei denen Behörden aller Art stur einen oft schon vor Jahrzehnten gefassten Beschluss umsetzen und keine Rücksicht auf fachliche Einsprüche oder geänderte Rahmenbedingungen nehmen.
Und ein heißer Diskussionspunkt im April 2024 war nun einmal die Graue Energie, also das CO₂, das rechnerisch schon in den Stahl- und Betonteilen steckt, die 1978 bis 1980 verbaut wurden. Und es waren die Grünen, die darauf beharrten, diese Energie dadurch zu bewahren, dass man den Bau nicht abreißt.
Man merkt schon: Das war der eigentliche Stachel im Fleisch der CDU-Fraktion. Und so schritt ein CDU-Stadtrat nach dem anderen ans Mikrofon und versuchte zu suggerieren, die Verwaltung hielte den Stadtratsbeschluss nicht ein und würde hier ein marodes Bauwerk erhalten wollen. Dabei wiederholten die Redner – abgewandelt – im Grunde alle Fragen aus ihrer schriftlichen Anfrage noch einmal.
Zur Frage „Wie wird die Betonqualität durch die Witterung negativ beeinflusst?“ konnte man da zum Beispiel lesen: „Grundsätzlich ist Beton gegenüber äußeren Einflüssen sehr widerstandsfähig. Bisher sind keine nennenswerten Schädigungen aus der zurückliegenden Bewitterung (Entkernung und Umbau zum Wohngebäude) erkennbar.“
Neue Vorlage im Mai
Und auf die Frage „Wurde die Betonqualität und die Carbonisierung geprüft? Falls nicht, warum wurde die HTWK noch nicht dazu beauftragt, die Betonqualität und Traglasten zu prüfen?“ lautete die Antwort: „Es liegen Bestandsunterlagen und verschiedene Gutachten zur Betonqualität und Deckentragfähigkeit vor. Diese werden derzeit geprüft. Die Ergebnisse werden Gegenstand einer für den Mai 2025 geplanten Vorlage an den Stadtrat sein.“
Eine Antwort, die die CDU-Stadträte irgendwie besonders ärgerte, weil sie eine neue Vorlage geradezu als Aushebelung des Beschlusses von 2024 verstanden.
„Der Beschluss gilt“, versicherte Oberbürgermeister Burkhard Jung.
Aber wenn die Verwaltung zu neuen Erkenntnissen käme, wäre es nur zu angebracht, den Stadtrat dazu auch zu informieren und im gegebenen Fall einen neuen Vorschlag vorzulegen. Über den dann die Ratsfraktionen wieder befinden können. Dann steht es ja der CDU-Fraktion unbenommen zu, wieder für den Abriss zu stimmen. Möglicherweise aber findet eine Ratsmehrheit dann aber auch, dass ein Vorschlag zur Weiternutzung des Stahlskelettbaus viel sinnvoller ist und vielleicht sogar Geld spart.
Das kann man abwarten. Die Ausschreibung für einen möglichen Abriss liegt in der Schublade. Die kann sofort scharf geschaltet werden, wenn der Stadtrat im Mai zu der Auffassung kommen sollte, dass der Abriss die bessere Lösung ist.
Aber die CDU-Fraktion hat sich geradezu verbissen in die Forderung, das Gebäude umgehend abzureißen. Das formulierte CDU-Stadtrat Lucas Schopphoven sehr deutlich. Außerdem würde die Stadt auch noch Geld zum Fenster herausschmeißen, weil die Baustellensicherung im Jahr auch noch 960.000 Euro kostet. Mit einem Baubeschluss wäre sowieso erst im nächsten gewählten Stadtrat zu rechnen, so der Fraktionsvorsitzende Michael Weickert, der meinte, er wolle sich nicht schon wieder aufregen.
Aber vielleicht ist genau das der Punkt, um den es in dieser Nachfragerunde eigentlich ging: Jede Menge Aufregung, weil man stur auf einem Beschluss beharrt und nicht wirklich bereit ist, über neue Vorschläge nachzudenken.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Keine Kommentare bisher