Alle Jahre wieder kann man da sagen. Vor einem Jahr gab es in der Ratsversammlung schon fast dieselbe Diskussion wie am 12. Februar dieses Jahres. Damals beschloss die Ratsversammlung die Aufstellung eines Bebauungsplanes für die innere Westvorstadt. Der wurde damals dringlich, weil ein Investor im Dezember 2023 eine Voranfrage für ein Bauvorhaben an der Gottschedstraße gestellt hatte.

An einem hochsensiblen Platz, nämlich auf dem Parkplatz direkt neben dem Denkmal für die 1938 von den Nazis zerstörte große Synagoge. Schon damals wurde mit der so gern beschworenen Dringlichkeit des Wohnungsbaus in Leipzig argumentiert.

Der ganz sicher notwendig ist. Aber das Argument wird fadenscheinig, wenn hier das Bauen, Bauen, Bauen immer wieder wie eine Keule benutzt wird, obwohl schon heute kein Investor mehr so preiswert bauen kann, dass sich am Ende Menschen mit niedrigen und durchschnittlichen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Und es sind nicht die teuren Wohnungen, die in Leipzig fehlen. Auch das ist ein Märchen. Was fehlt, sind Wohnungen mit niedrigen, für Normalverdiener bezahlbaren Mieten. Die es aber nur gibt, wenn der Wohnungsbau staatlich gestützt wird.

Aber schon vor einem Jahr fand die Stadtratsmehrheit, dass an der Stelle neben dem Synagogen-Denkmal nicht einfach platzfüllend gebaut werden sollte. Sondern, dass sich die Stadt hier um andere Lösungen bemühen und mit dem Investor in Gespräche gehen sollte über einen möglichen Flächentausch.

Gespräche ohne Ergebnis

Das war der Auftrag vom 28. Februar 2024. Und auch wenn CDU-Stadträtin Sabine Heymann und CDU-Stadtrat Falk Dossin Baubürgermeister Thomas Dienberg mehr oder weniger vorwarfen, er wäre viel zu spät in Gespräche mit dem Investor gegangen, gar erst vor drei Wochen, scheint das so nicht zu stimmen. Auch wenn Dienberg die konkreten Gesprächstermine nicht parat hatte, bei denen die Stadt dem Investor Tauschgrundstücke anbot. Nur ist der – wie Dienberg sagte – bis zuletzt auf keines der Tauschangebote eingegangen.

Und als hätte es die heftige Diskussion vor einem Jahr nicht gegeben, warf auch FDP-Stadtrat Sven Morlok dem OBM vor, mit der Veränderungssperre habe die Stadt einfach nur eine Verzögerung der Bebauung vor.

Eine Veränderungssperre gilt maximal für zwei Jahre. Und hier wird es schwierig, denn wenn man beharrlich argumentiert, dass hier die geplante Bebauung nur um zwei Jahre verzögert werden soll, geht man ganz offensichtlich davon aus, dass der Grundstückseigentümer überhaupt nicht gewillt ist, auf ein Angebot der Stadt einzugehen und unbedingt flächenfüllend bauen will. Also stur bei seiner Haltung bleibt.

Wann kommt der Bebauungsplan?

Dass Dienberg sich mehr Zeit wünscht, mit dem Eigentümer doch noch zu einer Lösung zu kommen, sagte er auch. Denn genau das ist ja der Zeitpuffer, der mit der Veränderungssperre erreicht werden soll. Wobei ein ganz anderes Thema nicht mal angesprochen wurde: In diesem Zeitraum sollte das Baudezernat ja dann auch den beschlussreifen Bebauungsplan für die Westvorstadt vorlegen, in dem die Stadt durchdekliniert, was an welcher Stelle gebaut werden darf und was nicht.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 12.02.25. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 12.02.25. Foto: Jan Kaefer

So gesehen hatte die Linke-Stadträtin Franziska Riekewald durchaus recht, wenn sie den Vorredner/-innen – vorsichtig ausgedrückt – falsche Argumente vorwarf. Und eine gewisse Scheinheiligkeit, weil sie die ganze Zeit von bezahlbarem Wohnraum redeten, obwohl kein Mensch weiß, ob solcher vom Investor überhaupt vorgesehen ist. Auch aus ihrer Sicht war die Vorlage für eine Veränderungssperre die direkte Folge des vor einem Jahr gefällten Aufstellungsbeschlusses.

Verzögert hat das Ganze ganz offensichtlich der Investor. Dienberg sprach von mehreren Gesprächen, die seit einem Jahr mit diesem geführt wurden und zu keiner Einigung führten. Dienberg hofft noch, dass es eben doch noch klappt, mit dem Investor zu einer Lösung zu kommen. „Wir brauchen an der Stelle jetzt die Zeit.“

Und die Zeit bekam er. Denn auch wenn so vehement gerade von der CDU gegen die Veränderungssperre argumentiert wurde, stand die Stadtratsmehrheit weiterhin hinter dem Beschluss vom Februar 2024. 35 Ratsmitglieder stimmten der Vorlage zu einer Veränderungssperre zu, 23 stimmten dagegen. Jetzt hat das Baudezernat zwei Jahre Zeit – vielleicht mit dem Investor – zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Und wenn nicht, steht der zu beschließende Bebauungsplan für die Westvorstadt auf der Tagesordnung, der dann regelt, was an der Gottschedstraße entstehen darf und was nicht.

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