Am 12. Februar standen in der Ratsversammlung nicht nur die Beschlüsse auf der Tagesordnung, für die westliche Südvorstadt und für Gohlis-Süd keine sozialen Erhaltungssatzungen aufzustellen, weil die Zusammensetzung der Bevölkerung dafür keine ausreichende Handhabe bietet. Dafür sehen die Zahlen für Schönefeld-Abtnaundorf anders aus. Hier würde eine landläufig sogenannte Milieuschutzsatzung tatsächlich helfen, die Wohnbevölkerung und die Mieten zu stabilisieren. Aber dann meinte FDP-Stadtrat Sven Morlok, dass man mit einer etwas verquerten Logik auch dagegen argumentieren könnte.

Eigentlich sind soziale Erhaltungssatzungen dafür da, in Ortsteilen mit einer Einwohnerschaft, die nicht überdurchschnittlich verdient, die Mieten dadurch zu stabilisieren, dass Luxussanierungen hier untersagt werden. Normale Sanierungen übrigens nicht.

In der Debatte um die Erhaltungssatzung für die Südvorstadt wurden ja schon eine Menge sehr seltsame Argumente vorgetragen, die dann in das – leider – falsche Hauptargument mündeten, in Leipzig müsste nur mehr und schneller gebaut werden. Dann würde sich das Wohnungsproblem schon lösen und irgendwie wie durch Zauberhand würden dann auch die Mieten bezahlbar. Was bei den aktuell aufgerufenen Baupreisen schlichtweg nicht stimmt.

„Der Erlass der Sozialen Erhaltungssatzung Schönefeld (westlicher Bereich) ist ein Baustein des Handlungsfeldes ‚Stadtgesellschaft zusammenhalten‘ der Leipzig-Strategie 2035 mit dem strategischen Ziel ‘Bezahlbares Wohnen’. In Quartieren mit nachgewiesener besonderer Nachfragedynamik und einem hohen Aufwertungspotenzial des Gebäudebestandes sowie Aufwertungsdruck als auch einem nachgewiesenen Verdrängungspotenzial der im Gebiet ansässigen Bevölkerung, soll mit dem Einsatz dieses Instruments der Zusammenhang von Wohnraum, der Wohnbevölkerung und (öffentlicher) Infrastruktur erhalten bleiben“, beschreibt die Vorlage der Stadt das Ziel einer Erhaltungssatzung.

Eigentlich genau das, was sich die meisten Leipziger wünschen, die sich – man schaue auf die letzte Bürgerumfrage – mittlerweile zu Recht vor den immer weiter steigenden Mieten fürchten. Und die – wenn sie sich „gehobenen Standard“ nicht leisten können, oft vor der Unmöglichkeit sehen, in Leipzig noch eine bezahlbare Wohnung zu finden. Es sind also die Haushalte mit niedrigen und normalen Einkommen, die durch eine soziale Erhaltungssatzung vor Verdrängung geschützt werden sollen.

Aber was, wenn die Besserverdiener wegziehen?

Aber Sven Morlok zeigte am 12. Februar auch in ziemlich brillanter Weise, dass man das Anliegen auch völlig auf den Kopf stellen kann. Denn wenn die Leute mit niedrigen Einkommen im Viertel bleiben, weil ihnen der Standard genügt und die Mieten bezahlbar bleiben – was ist dann mit denen, die sich einen gehobenen Standard wünschen, ihn hier aber nicht bekommen, weil die Wohnung nicht luxussaniert werden darf?

Auf einmal sah man in seiner Rede die ganzen Gutverdiener vor sich, die auf einmal aus Verzweiflung ihre Sachen packen und wegziehen in noblere Gegenden. Das Quartier entmischt sich tatsächlich. Nur sind es in seiner Rede die Reichen, die wegziehen und nicht die Armen, die verdrängt werden.

Es ist schon erstaunlich, wie man alle Argumente für eine Erhaltungssatzung so konsequent auf den Kopf stellen kann. Auch wenn sie letztlich nicht stimmen. Schon gar nicht mit Blick auf die Bürgerumfrage 2023, die zeigt, wie Wohnen in den letzten Jahren zum Hauptproblem der Leipziger geworden ist. Und zwar vor allem aufgrund der gestiegenen Wohnkosten.

Klares Ja für Schönefeld-Abtnaundorf

Sven Morlok betonte zwar, dass er mit seiner Argumentation nur seine persönliche Meinung zu Erhaltungssatzungen überhaupt darstellte. Übrigens mit Verweis auf noch mehr Bürokratie (dem Lieblingswort der FDP), die das Wohnen im Erhaltungsgebiet noch teurer machen würde wegen all der bürokratischen Anträge.

Aber es macht einen Unterschied, ob ein Hauseigentümer mehr Anträge stellen muss, um Aufwertungen im Bestand genehmigt zu bekommen, oder die Miete sofort drastisch steigt, weil die Wohnung luxussaniert wird. Dass Morlok mit seiner Abneigung gegen Erhaltungssatzungen nicht allein steht, zeigten dann die Fraktionen von CDU und AfD, die gegen eine Erhaltungssatzung für Schönefeld stimmten.

Doch die Ratsmehrheit hat (bis jetzt) eher ein Herz für die nicht so Gutverdienenden – auch in Schönefeld-Abtnaundorf. Diese Vorlage, für Schönefeld-Abtnaundorf eine soziale Erhaltungssatzung einzuführen, bekam mit 29:22 Stimmen bei fünf Enthaltungen die nötige Mehrheit.

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