Acht Gebiete mit sozialer Erhaltungssatzung gibt es derzeit in Leipzig. Aber ganz so einfach ist es nicht, solch eine Satzung rechtssicher zu erlassen. Das wurde am 12. Februar in der Ratsversammlung deutlich, als zwei Beschlüsse zur Aufstellung eine Erhaltungssatzung wieder aufgehoben wurden und dafür eine in Schönefeld auf den Weg gebracht. Gerade die Aufhebung des Beschlusses für die soziale Erhaltungssatzung in (einem Teil) der Südvorstadt sorgte für martialische Diskussionen.

Martialisch deshalb, weil auch mit fadenscheinigen und falschen Argumenten diskutiert wurde und insbesondere Falk Dossin (CDU) und Udo Bütow (AfD) die sozialen Erhaltungssatzungen in Leipzig prinzipiell infrage stellten. Der eine behauptete, dass dadurch das Baugeschehen abgewürgt werde, der andere meinte, es sei statistisch erwiesen, dass die Erhaltungssatzungen nichts bringen.

Ein Argument, das die CDU-Fraktion immer wieder anbringt, ohne es wirklich zu belegen.

Und darauf wies auch Baubürgermeister Thomas Dienberg hin. Denn es gibt sehr wohl klare Prämissen, nach denen eine Erhaltungssatzung in ihrer Wirksamkeit geprüft werden kann. Und genau das hat der Stadtrat mit den Aufstellungsbeschlüssen ebenfalls beschlossen.

Nach fünf Jahren soll jede einzelne Erhaltungssatzung evaluiert werden und geprüft werden: Wirkt sie dem Mietpreisanstieg entgegen? Vermindert sie die Verdrängung von Menschen, die sich steigende Mieten nicht leisten können? Werden Luxussanierungen tatsächlich unterbunden? – Erst dann weiß man wirklich, ob und wie diese Satzungen wirken.

Denn darum geht es eigentlich. Nicht um die von Falk Dossin beschworene Vernachlässigung der Häuser.

Der Antrag der Linksfraktion

Die Linksfraktion hatte deshalb den Änderungsantrag eingebracht, den Beschluss zur Aufstellung einer Erhaltungssatzung in der Südvorstadt von 2023 nicht aufzuheben.

Doch dieser Antrag hatte am 12. Februar keine Chance. Der Leipziger Stadtrat hat die Soziale Erhaltungssatzung für die Südvorstadt aufgehoben und zuvor auch den Antrag der Linksfraktion mit 12:32 Stimmen bei 14 Enthaltungen abgelehnt.

Aus Sicht der Linksfraktion „ein schwerer Schlag für den Mieterschutz! Diese Satzung sollte Luxussanierungen und dadurch bedingte steigende Mieten eindämmen und einkommensschwache Mieter/-innen vor Verdrängung schützen. Der Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zur erneuten Prüfung des Gebietes hatte keine Chance.“

Dazu erklärt Dr. Elisa Gerbsch, Sprecherin für Wohnen der Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig, die dazu auch im Stadtrat redete: „Weil die Neubauaktivitäten sozialen Wohnraums nur schleppend vorangehen, ist die Ausweisung sozialer Erhaltungsgebiete aktuell ein unverzichtbares wohnungspolitisches Instrument zur Sicherung bezahlbarer Mieten. In der Südvorstadt herrscht ein starker Wohnungsmarktdruck. Hier nicht einmal den Versuch zu unternehmen, vor Ort wohnenden Mieterinnen vor Verdrängung zu schützen, ist verantwortungslos.

Die Verwaltung sieht hier jedoch keinen Handlungsbedarf. Dabei beruht die Aufhebung des Beschlusses zur Sozialen Erhaltungssatzung im Falle der Südvorstadt auf fragwürdigen Daten: Während das Areal der Galopprennbahn und eine ‚Prunkmeile‘ wie die August-Bebel-Straße einbezogen wurden, blieben große Teile östlich der Karl-Liebknecht-Straße außen vor. Eine neue, und vor allem realitätsnahe Untersuchung ist dringend notwendig!“

Eine Erhaltungssatzung wäre rechtssicher nicht umzusetzen

Doch zu den östlichen Gebieten der Südvorstadt sagte Baubürgermeister Thomas Dienberg, dass es dort kein anderes Ergebnis gegeben hätte als für die westlichen Teile. Eine Ausweitung des Erhaltungsgebietes auf die ganze Südvorstadt hätte keine Chancen. Es geht nun einmal auch um Rechtssicherheit. Und auch die Grundbedingungen für eine soziale Erhaltungssatzung sind vom Gesetzgeber sehr eng definiert. Weshalb jetzt zwar ein neues Gebiet in Schönefeld Chancen hat, Erhaltungsgebiet zu werden, die Südvorstadt aber genauso wenig wie Gohlis-Süd.

Was aus Sicht der Linksfraktion trotzdem Bedauern auslöst: „Traurig, dass sich Die Linke als einzige Fraktion geschlossen gegen die Aufhebung der Sozialen Erhaltungssatzung in der Südvorstadt gestellt hat. Dass eine Mehrheit im Stadtrat dafür gestimmt hat, dass der ebenfalls stark von Verdrängungsprozessen gezeichnete Ortsteil Schönefeld mit einer Sozialen Erhaltungssatzung ausgestattet wird, ist für uns ein Wermutstropfen. Denn für uns gilt: Bezahlbar Wohnen ist ein Grundrecht und von diesem sollte in allen Leipziger Ortsteilen Gebrauch gemacht werden können!“

Die Detailuntersuchung

Warum die Südvorstadt keine Chancen hat, zu einem sozialen Erhaltungsgebiet zu werden, formulierte die Vorlage aus dem Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung so: „Die Fortschreibung der gesamtstädtischen Voruntersuchung hatte 2023 auf der Grundlage von Sekundärstatistiken Stadträume herausgearbeitet, in denen eine Relevanz für die mögliche Eignung als Soziales Erhaltungsgebiet bestand. In der Folge vertieften (dem Ratsbeschluss zu VII-DS-07353 folgend) drei Detailgutachten die Ergebnisse.

Die nun vorliegende Detailuntersuchung zur Prüfung des Einsatzes einer Sozialen Erhaltungssatzung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Untersuchungsgebiet Südvorstadt (Anlage 2) bekräftigt die notwendigen Voraussetzungen nicht.

Der Aufstellungsbeschluss ist aufzuheben, auch um die Anwendung des § 15 Absatz 1 BauGB zur Zurückstellung von Bauanträgen außer Kraft zu setzen. Im Ergebnis des Detailscreenings liegt eine ausführliche Begründung über die Anwendbarkeit des sozialen Erhaltungsrechts im Stadtraum Südvorstadt vor.

Die Analyse von Sekundärstatistiken, die Ortsbildanalyse und die Auswertung der Haushaltsbefragung führten zum Ergebnis, dass die Anwendungsvoraussetzungen für den Erlass einer Sozialen Erhaltungssatzung – ein bestehendes bauliches Aufwertungspotenzial, ein wohnungswirtschaftlicher Aufwertungsdruck und ein soziales Verdrängungspotenzial – im Untersuchungsgebiet Südvorstadt nicht vorliegen.“

Gut möglich, dass Dr. Elisa Gerbsch recht hat, wenn sie hier anmerkt, dass die Mieten hier sowieso schon höher sind als im sonstigen Stadtgebiet, dass man mit der August-Bebel-Straße auch eine richtige Prachtstraße mit im Gebiet hat. Aber das bedeutet dann wohl auch, dass die Entmischung hier eigentlich zu großen Teilen schon stattgefunden hat, eine Erhaltungssatzung also ungefähr 15 Jahre zu spät kommt.

Am Ende geht es wohl wirklich um das Einhalten der eng gesetzten Bedingungen für ein solches Erhaltungsgebiet. Und da hat wohl auch Thomas Dienberg recht, dass der Aufstellungsbeschluss hier nicht zu halten wäre, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind.

Die Stadtratsmehrheit sah das dann auch so und stimmte der Aufhebung des Beschlusses zur Aufstellung einer Sozialen Erhaltungssatzung in der Südvorstadt mit 45:9 Stimmen bei vier Enthaltungen zu.

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