Es soll tatsächlich Leute gegeben haben, die dann sofort bei der Stadt angerufen haben, was das denn heißen soll, was da auf großen Bautafeln im Lene-Voigt-Park am 3. Januar auf einmal zu lesen stand. Aus dem Park solle ein großer Parkplatz gemacht werden! Wie könne das sein? Was habe sich die Stadt dabei gedacht? Aber natürlich wusste im Rathaus niemand von dieser Aktion. Denn den Lene-Voigt-Park für Stellplätze zu planieren, hat niemand vor.
Und wer sich auch nur ein wenig für Stadtpolitik interessiert, weiß, dass die Stadt so nicht arbeitet. Sie überrascht ihre Bürger nicht. Alles hat seinen geregelten Gang. Bevor die Stadt irgendetwas baut, braucht es einen (neuen) Bebauungsplan, der vom Stadtrat diskutiert und beschlossen werden muss. Dann braucht es einen Beschluss zur Planung und dann einen zum Bau. Und das alles wandert schön gemächlich durch die Instanzen und muss in der Ratsversammlung öffentlich beschlossen werden.
Spätestens dann wird es zum Skandal, wenn eine Faktion meint, die Stadt wolle damit gegen Stadtratsbeschlüsse oder gegen den Willen der Bürger etwas durchsetzen. Und der Lene-Voigt-Park in Reudnitz ist bei den Anwohnern beliebt. Der Aufschrei wäre enorm gewesen.
Wie aus einem Bahngelände ein Park wurde
Auch wenn sich von den heute dort Wohnenden kaum noch jemand daran erinnert, wie es vorher hier aussah auf dem ehemaligen Bahngelände des Eilenburger Bahnhofs, der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde. Ein paar Backsteingebäude erinnern noch an den Bahnhof. Jahrzehntelang war das Gelände Brache, mit ein paar Baracken und wirtschaftlichen Nutzungen.
1997 beschloss der Stadtrat, dass aus dem alten Bahngelände ein Park werden sollte. 2001 waren die ersten Teile des Parks fertig, 2004 konnte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee den gesamten Park eröffnen, der heute den Namen der Dichterin Lene Voigt trägt, die ganz in der Nähe – in der Reichpietschstraße (damals Nostitzstraße) – wohnte. Und übrigens ein Gedicht über das geschrieben hat, was da vor ihrem Fenster zu sehen war – nämlich die Dampfloks am Eilenburger Bahnhof.
Wer also die Bautafeln aufgestellt hat, die unter anderem auch ein Starbucks-Café an der Straße ankündigen, traf einen Nerv. Und provozierte gleichzeitig. Weshalb neben der Annahme, hinter den aufwändig und recht professionell gestalteten Tafeln könnte ein Kunstkollektiv stecken, das sich bislang noch nicht zu Wort gemeldet hat, auch die Möglichkeit besteht, dass hier tatsächlich jemand provozieren wollte.
Heiße politische Themen
Denn längst ist der öffentliche Kampf um die bestehenden Leipziger Grünflächen entbrannt, seit auch im Leipziger Osten jahrzehntelange Brachen wieder zur Bebauung vorgesehen sind – so wie derzeit gleich um die Ecke am Gerichtsweg /Ecke Täubchenweg. Gleichzeitig ist auch im Leipziger Osten der Kampf um Stellplätze entbrannt. Autoverliebte Fraktionen bringen immer neue Ideen für Parkhäuser und Parkplätze ins Spiel, während viele Bewohner des Ostens eher für das Gegenteil kämpfen – eine Verkehrsberuhigung in ihrem Quartier.
Gerade die Tafel mit der Ankündigung „Wir bauen Parkplätze für Sie!“ trifft also mehrere wunde Punkte. Und löst natürlich gerade bei den Besuchern des Parks das reinste Entsetzen aus. Denn der hat sich längst zu einem Lieblingsaufenthalt der Reudnitzer entwickelt – gerade in den zunehmend heißen Sommern, wenn man hier ein bisschen Erholung beim Picknick an der frischen Luft finden kann. Dann ist der Park so besucht, dass es auf dem Radweg, der ihn Richtung Sellerhausen quert, immer wieder zu Konflikten kommt.
Und gebaut wird hier ja tatsächlich. An der Reichpietschstraße entstehen eine neue Grundschule und eine Kindertagesstätte. Und auch eine Sporthalle findet am Eingang zum Lene-Voigt-Park ihren Platz. Gut möglich, dass da Besucher des Parks befürchten, dass noch weitere Teile des Parks zugebaut werden. Was aber nicht geplant ist.
Wie oben geschildert: Die Reudnitzer hätten es gemerkt, wenn in der Ratsversammlung so ein Thema aufgetaucht wäre.
Wer die Website der Stadt besucht, findet auch diese Aussage, die deutlich macht, dass sich auch im Rathaus niemand vorstellen kann, den Park für einen riesigen Parkplatz zu opfern: „Ziel der Sanierung dieses Gebietes war es, nicht nur die historisch gewachsene Feingliedrigkeit und Vielschichtigkeit des Stadtteils zu bewahren und wieder herzustellen, sondern auch einen Stadtteilpark zu schaffen, der zum Spielen und Erholen einlädt und in einer Grünradiale in Richtung Stadtrand fortgeführt werden soll.“
Aber wie gesagt: Die Tafeln verraten noch nicht, ob sich hier ein Kunstkollektiv eine besonders bissige Satire auf die Parkplatz-Träume einiger Leipziger Parteien ausgedacht hat. Oder ob die Tafeln tatsächlich als politische Provokation gedacht sind in einer Zeit, in der Politik zusehends aus Provokation zu bestehen scheint.
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