Es ist das ehrgeizigste Projekt, das sich Leipzig derzeit vorgenommen hat: der Bau eines Bildungscampus mit Volkshochschule, Musikschule, Wohnungen und einer Markthalle am Wilhelm-Leuschner-Platz. Ein Projekt, dessen Bau wahrscheinlich im Jahr 2030 beginnt. Am 18. Dezember gab es dazu die wohl wichtigste Entscheidung für die Vorzugsvariante. Die einen Moment lang auf Messers Schneide stand, weil sich die Linksfraktion auf einmal vehement gegen die Markthalle positionierte.
Das hätte man eigentlich eher von einer anderen Fraktion erwartet, nicht von der Linksfraktion. Denn in der Diskussion um das Landwirtschaftskonzept der Stadt plädierte auch diese Fraktion für gute Angebote für die Produzenten landwirtschaftlicher Produkte in der Region, diese Produkte auch direkt in der Stadt anbieten zu können. Das wäre der direkteste Weg, die regionale Erzeugung zu stärken. Dafür plädierte im vorhergehenden Stadtrat auch der damalige Umweltexperte der Linksfraktion, Michael Neuhaus.
Aber mit der Wahl scheint dieses Verständnis für regionale Wirtschaftskreisläufe verloren gegangen zu sein, auch wenn die Fraktionsvorsitzende Franziska Riekewald mit den Wirtschaftlichkeitsberechnungen für die Markthalle, welche die Stadt in der Vorlage mitgegeben hatte, argumentierte. Nur dass diese Wirtschaftlichkeitsberechnungen – wie der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Tobias Peter, anmerkte, geradezu irreführend sind. Tatsächlich zeigen sie auch in der Vorlage, dass die Verwaltung mit der Wirtschaftlichkeitsermittlung für eine Markthalle schlicht keine Erfahrungen hat.
Bei der möglichen Besetzung der Markthalle mit Ständen hat man tatsächlich nur die Markthändler befragt, die jetzt schon die Leipziger Frischemärkte bespielen. Die logischerweise so gut wie alle Nein gesagt haben, ob sie Interesse an einem Stand in der Markthalle hätten, denn ihre Angebote auf den Frischemärkten in der Stadt funktionieren. Dass eine Markthalle auch in Leipzig funktioniert, beweist seit Jahren die Markthalle in Plagwitz.
Fast ein Eigentor
Aber Tobias Peter erinnerte daran, dass die Markthalle von Anfang an anders gedacht war und man ihre Wirtschaftlichkeit nicht dadurch errechnen kann, dass man einfach auch die Abschreibung für den Neubau mit in die Rechnung einbezieht – samt fiktiven Mietpreisen. In der Vergangenheit glaubte die Stadt ja sogar, es brauche einen 1.500 Quadratmeter großen Supermarkt, um die Markthalle gegenzufinanzieren. Etwas, was man in den verschiedenen westdeutschen Städten, wo es funktionierende Markthallen gibt, gar nicht findet. Selbst in der kleineren Leipziger Partnerstadt Hannover funktioniert die Markthalle.
Denn so ein Angebot wächst nicht nur mit den Anbietern, sondern auch mit dem Kunden, die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Stadt gar nicht vorkommen. Als glaubte im Rathaus niemand, dass die Leipziger Interesse an regional produzierten Waren haben könnten.
So gesehen war es auch die Verwaltung selbst, die mit ihrer obskuren Wirtschaftlichkeitsberechnung erst dafür gesorgt hat, dass die Linksfraktion nun die Markthalle – mit der das ganze Bauprojekt überhaupt begonnen hat – radikal infrage stellte. Da war es schon erstaunlich, dass Michael Weickert für die CDU-Fraktion und Udo Bütow für die AfD-Fraktion sich deutlich für die Markthalle und ihre wirtschaftliche Bedeutung aussprachen.
LWB oder LESG oder beide?
Ein wenig hin und her ging es in den Redebeiträgen noch um die Frage, ob jetzt ausgerechnet die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft LWB der Bauträger für das – noch jetzigen Kalkulationen – 197,5 Millionen Euro teure Projekt Bildungscampus sein soll. Dafür spricht auf jeden Fall der Fakt, dass in den Obergeschossen des Gebäudes auch Wohnungen entstehen sollen.
Aber OBM Burkhard Jung brachte auch noch die Entwicklungsgesellschaft LESG mit ins Spiel, die bis jetzt durch einen Berg von Kita- und Schulbauprojekten überlastet war. Sie wird aber in den nächsten Jahren eher mit einer Unterlastung zu kämpfen haben, hätte also Kapazitäten, in das Projekt mit einzusteigen. Man solle also prüfen, ob vielleicht nicht sogar LWB und LESG gemeinsam die Projektgesellschaft bilden, so Jung.
Ein Vorschlag, mit dem ein entsprechender SPD-Antrag erst einmal obsolet war, den Stadträtin Anja Feichtinger vorgestellt hatte. Und ein weiterer SPD-Antrag und ein CDU-Antrag, schon mal den Verkauf der bis jetzt von Volkshochschule und Musikschule genutzten Gebäude zu überlegen, wurde von Jung auch erst einmal abgebogen, indem er vorschlug, bis Ende 2025 eine Entbehrlichkeitsprüfung für beide Gebäude vorzulegen. Denn es könnte ja auch sein, dass die Stadt die Gebäude für andere Zwecke dringend brauchen könnte.
Sodass am Ende nur der Linke-Antrag zur Abstimmung stand, auf die Markthalle zu verzichten. Aber der fand ganz eindeutig keine Mehrheit und wurde mit 18:39 Stimmen abgelehnt. Während die Gesamtvorlage, die das Projekt Bildungscampus jetzt ins Rollen bringen soll, eine klare Mehrheit von 46:0 Stimmen bei 14 Enthaltungen bekam. Die Konsequenz: Noch 2025 könnten Realisierungswettbewerb und Vorplanung beginnen, 2028 die Ausführungsplanung stehen und 2030 die Bauaufträge vergeben werden.
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