Seit 2021 stehen Metallzäune an der Wundtstraße. Scheinbar hegen sie nur Wiesenstücke und Gebüsche ein. Doch tatsächlich sichern sie ein Stück Untergrund, das sich bei den Kontrollen 2021 als höchst porös erwiesen hat. Denn unter dem Grün verläuft hier noch immer der alte Pleißemühlgraben. Jenseits der Mahlmannstraße verläuft er schon – bis zur Braustraße – unter freiem Himmel. Und eigentlich hatte die Stadt noch lange nicht geplant, den Pleißemühlgraben hier ebenfalls zu öffnen.
Doch jetzt sorgt die zunehmend unsichere Abdeckung des Mühlgrabens für Handlungsdruck und verschiebt andere Öffnungsprojekte für den Pleißemühlgraben – so wie für die Teilstücke an der Feuerwache oder an der Lampestraße – weit in die 2030er Jahre. Sicherheit geht vor. Aus Sicherheitsgründen sperrte das Amt für Stadtgrün und Gewässer den Grünstreifen entlang der Wundtstraße zwischen Tieckstraße und Mahlmannstraße 2021 mit einem Bauzaun ab.
Untersuchungen hatten damals ergeben, dass Belastungen – auch durch Begehen – die Standsicherheit der unter dem Grünstreifen verlaufenden Wölbleitung des Pleißemühlgrabens gefährden.
Die Vorgeschichte
Der Pleißemühlgraben war in den Jahren 1951 bis 1956 auf einer Länge von etwa drei Kilometern verrohrt worden. Die sogenannte Pleiße-Wölbleitung weist immer wieder bautechnische Mängel auf. Und eigentlich herrscht in der Stadt seit den 1990er Jahren Einigkeit darüber, dass die Mühlgräben wieder zurückkehren müssen ins Stadtbild. Denn verrohrt wurden sie nur deshalb, weil die Industrieabwässer aus dem Leipziger Südraum die Mühlgräben zu toten Gewässern gemacht hatten und die industrielle Brühe immer wieder geradezu zum Himmel stank.
Mit dem Ende der alten Industroiekolosse im Leipziger Süden verbesserte sich die Wasserqualität auch in der Pleiße wieder deutlich. Der Grund für die Verrohrung hatte sich erledigt. Die Mühlgräben hätten also problemlos wieder ins Stadtbild zurückkehren können.
Womit freilich auch der Verein Neue Ufer, der damals Druck machte, die Mühlgräben wieder zu öffnen, nicht rechnen konnte, war, dass die Öffnung der verrohrten Gewässer viel länger dauern würde als damals die eilige Verrohrung, und dass sie auch unheimliche Geldsummen verschlingen würde. Geldsummen, die nur über Jahre und und mit immer neuen Förderanträgen insbesondere beim Land aufzubringen waren.
Planungsbeschluss wohl 2027
Der Elstermühlgraben wird schon 2026 endlich in voller Länge wieder das Tageslicht erblickt haben. Beim Pleißemühlgraben freilich werden wohl noch Jahrzehnte vergehen, bis er wieder an allen Abschnitten erlebbar ist.
Um aber am Pleißemühlgraben entlang der Wundtstraße tätig werden zu können, müssen jetzt die Vorplanungen beginnen. Erst dann weiß man, wie der Mühlgraben (der hier einst auch über eine Bootsanlegestelle verfügte) künftig gestaltet werden soll und was das Ganze am Ende kostet. Mit einem Planungsbeschluss rechnet das Amt für Stadtgrün und Gewässer frühestens 2027. Gleichzeitig ist die Offenlegung Teil des Integrierten Wasserkonzeptes, nach dem die SPD-Fraktion im Stadtrat gefragt hatte und das seit 2022 stadtgrenzenüberschreitend erarbeitet wird.
Das betrifft die Regenwasserbewirtschaftung und den Wasserrückhalt. Das betrifft die künftige Gestaltung von Östlicher und Nördlicher Rietzschje. Es betrifft kleine und große Mühlgräben. Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal spricht von einer Generationenaufgabe.
Und das Amt für Stadtgrün und Gewässer betont die Schwierigkeit der Aufgabe: „Es lassen sich mehrere Schwierigkeiten bei der Umsetzung identifizieren. Die konzeptionelle Grundlagenarbeit (Säule 1) zur Bestandsaufnahme aller benötigten Daten, deren Qualifizierung und Verarbeitung ist sehr aufwendig. Um den konzeptionellen Unterbau der InWako bestmöglich weiterzuentwickeln, sind auch in Zukunft umfangreiche hydrologische Untersuchungen und Modellierungen erforderlich.
Sich ebenfalls stetig weiterentwickelnde Prognosen für Klimaveränderungen und deren lokale Auswirkungen (Dürre, Starkregen) müssen dabei ebenso angemessen berücksichtigt und zielgerichtet adressiert werden, wie eine Vielzahl städtischer Konzepte und Strategien.“
Gerade bei Gewässern wie der Östlichen und Nördlichen Rietzschke fehlen oft die geeigneten Grundstücke, um die Flüsschen wieder naturnah fließen lassen zu können. Daneben wirkt eine Öffnung des Pleißemühlgrabens geradezu einfach, auch wenn hier Planungen und Geldbeschaffung trotzdem wieder Jahre dauern, bis das Wasser des Mühlgrabens wieder offen fließen kann.
Keine Kommentare bisher
>”Und eigentlich herrscht in der Stadt seit den 1990er Jahren Einigkeit darüber, dass die Mühlgräben wieder zurückkehren müssen ins Stadtbild.”
Dafür, daß es große Einigkeit darüber gäbe, sind die Diskussionen darüber aber ziemlich lebhaft. So schön und reizvoll ein Gewässer in der Stadt sein kann, ist es nicht immer besser als ein Stück Wiese.