Immer wieder war das Jahrtausendfeld in den vergangenen Jahren Thema im Stadtrat โ meist mit der Frage: Wann wird hier endlich gebaut? Im Jahr 2024 nun wurden die Plรคne einer Bebauung tatsรคchlich konkret. Auf dem Gelรคnde, das der Stadtbau AG gehรถrt, soll ein neuer Schulkomplex fรผr die Leipzig International School (LIS) entstehen. Doch die Beplanung der Brache rief jetzt Protest auf den Plan. Am 19. Oktober protestierten rund 500 Bรผrger vor Ort. Am 23. Oktober stand eigentlich eine Petition dazu auf der Tagesordnung des Stadtrats.
Doch diese wurde vertagt, weil es noch keine Beschlussvorlage aus dem Petitionsausschuss gab. Diese lag erst mit Wochenbeginn vor.
In ihrer im Frรผhjahr eingestellten Petition hatte Nora Fleischer festgestellt: โEs gehen abermals gemeinwohlorientierte Flรคchen im Westen verloren. Im derzeit von der Stadtverwaltung initiierten, abgespeckten und schnell abgewickelten Dialogverfahren, entgegen des Beschlusses der Leipziger Ratsversammlung vom 24.02.2021, wird klar: die LIS und die Stadtbau AG โ die Eigentรผmerin der Flรคche, deren CEO auch Vorstandsmitglied der Stiftung der LIS ist und bis 2021 Geschรคftsfรผhrer der LIS war โ machen Druck und wollen ohne Bebauungsplan im Schnellverfahren ihr Vorhaben durchsetzen. Bitte lasst uns schnell reagieren und entschlossen fordern:
โข die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplanes, in dem das Jahrtausendfeld als Grรผnflรคche erhalten, qualitativ aufgewertet und รถffentlich zugรคnglich bleibt.
โข entsprechender Erhalt des Areals als Gemeinbedarfsflรคche.
โข einen ganzheitlichen Plan der Stadt Leipzig zum Erhalt und zur Schaffung notwendiger Grรผnflรคchen, der endlich gesetzliche Grundlage ist. Wir wollen kein zugebautes Jahrtausendfeld, wir fordern Grรผnflรคchen fรผr Alle!โ
Die Petition von Nora Fleischer
Die komplette Flรคche wird dafรผr freilich nicht zur Verfรผgung stehen, stellt der Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses klar: โDer OBM wird beauftragt, im Rahmen der Entwicklung des Schulcampus die Entstehung รถffentlicher Freirรคume abzusichern und verbindliche Regelungen fรผr die angestrebte รถffentliche Nutzung der entstehenden Schul- und Sportfreiflรคchen sowie der Schulgebรคude und Sporthallen zu vereinbaren.โ
Keine รถffentliche Grรผnflรคche
Die Stadt hat hier zwar รผber Jahre darum gekรคmpft, dass hier eine fรผr den Leipziger Westen dringend benรถtigte Schule gebaut wird. Als Grรผnflรคche aber war das Jahrtausendfeld nie vorgesehen.
โDem Jahrtausendfeld, das keine รถffentliche Grรผnflรคche in stรคdtischer Fachliegenschaft ist, wurden in den รผbergeordneten, vom Stadtrat beschlossenen gesamtstรคdtischen Planungen der Stadt in den letzten 20 Jahren keine Funktionen oder Entwicklungsziele zugeordnet, welche im eigentlichen Sinn auf eine Ergรคnzung der seit den 90er Jahren auf den anderen, ebenfalls aufgegebenen Gewerbe- und Bahnflรคchen im Stadtteil entstandenen Grรผnflรคchen ausgerichtet gewesen wรคrenโ, betont auch der Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses.
โBeispielsweise genannt seien u.a. der Stadtteilpark Plagwitz, der Henriettenpark sowie attraktive Wegeverbindungen, wie z.B. Gieรerstraรe โ Naumburger Straรe. Eine wichtige Funktion in der Grรผnraumversorgung erfรผllt auch der Karl-Heine-Kanal mit den begleitenden, รถffentlich nutzbaren erholungswirksamen Flรคchen.โ
Und eine Schule soll ja nun hier entstehen, wenn auch nicht die, die die Stadt hier einst hatte bauen wollen.
โMit dem angestrebten Schulcampus bietet sich die Chance, das Jahrtausendfeld einer Nutzung zuzufรผhren, die โ im Sinne der im Flรคchennutzungsplan ausgewiesenen Zielstellung โ die bestehende Bildungslandschaft der Stadt Leipzig innovativ ergรคnzt sowie zukunftsorientiert und international ausgerichtet ist.
Die private Schultrรคgerin ist eine nach dem Sรคchsischen Schulgesetz anerkannte vollwertige Ersatzschule und รผbernimmt in diesem Zusammenhang eine โ wie alle andere freie Schultrรคger in dieser Stadt auch โ wichtige Rolle im Rahmen der Bereitstellung vielfรคltiger Bildungsangebote in der Stadt sowie in der Abdeckung gesamtstรคdtischer Bedarfe. Es handelt sich daher auch um eine gemeinbedarfsorientierte Nutzungโ, betont der Beschlussvorschlag. โDie Petition mit den eingebrachten Forderungen ist aus Sicht der Verwaltung abzulehnen.โ
Das klingt hart, obwohl der Beschlussvorschlag gleichzeitig betont, dass einige wesentliche Anliegen der Petition trotzdem beachtet werden sollen.
Doppelnutzung von Schul- und Sportfreiflรคchen
โMit dem seit Februar 2024 laufenden Dialogverfahren werden die aktuellen Themen einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung im Sinne einer klimawirksamen doppelten Innenentwicklung diskutiert. In den Planungswerkstรคtten wurden grundlegende thematische Schwerpunkte und besondere Herausforderungen an den Standort und die geplante Entwicklung diskutiert und erรถrtert sowie die zu lรถsenden stรคdtebaulichen, nutzungsbezogenen und freirรคumlichen Fragestellungen vertieft und zum Bestandteil der Aufgabenstellung fรผr das Gutachterverfahren gemacht.
Von ganz besonderer Bedeutung war in diesem Kontext neben der vertrรคglichen Setzung die erforderlichen Gebรคudevolumina, einer Doppelnutzung der entstehenden Schul- und Sportfreiflรคchen, der verkehrsorganisatorischen Lรถsung die Setzung einer uneingeschrรคnkt รถffentlich nutzbaren Grรผn- und Freiflรคcheโ, heiรt es im Beschlussvorschlag.
Und da geht es eben auch um die kรผnftig รถffentlich nutzbaren Freiflรคchen auf dem Gelรคnde: โInsbesondere werden neben den stรคdtebaulichen Setzungen die der Schulnutzung dienenden Freirรคume sowie die รถffentlich nutzbaren Freirรคume konkretisiert, gemeinschaftliche Nutzungen ausgehandelt und die Ausstattung der รถffentlichen Freiflรคche festgelegt. In Grรถรe und Ausstattung soll diese sich an den Bedarfen der nรคheren Umgebung orientieren. Doppelt zu nutzende Schul- und Sportfreiflรคchen erweitern auรerhalb der Unterrichtszeiten das Freiflรคchenangebot.โ
Doch erst ein Bebauungsplan?
Dass die Behandlung der Petition am 23. Oktober noch einmal verschoben wurde, hat auch mit einem gemeinsamen Antrag von Linksfraktion und SPD-Fraktion im Stadtrat zu tun, der auch den Bau des geplanten Schulcampus (vorerst) verhindern kรถnnte, wenn er so eine Mehrheit im Stadtrat finden sollte.
Zur Ratsversammlung am 22. Mai hatten SPD und Die Linke den Antrag โFรผr eine nachhaltige Zukunft des Jahrtausendfeldesโ eingereicht. Dessen Ziel war eine Verรคnderungssperre fรผr die Flรคche, durch die vorerst keine Baumaรnahmen ergriffen werden dรผrfen. Und auch dieser Forderung nach einem beschlossenen Bebauungsplan ist nicht neu. In dem Antrag steckt die spรผrbare Verรคrgerung mindestens zweier Fraktionen darรผber, dass dieser B-Plan nie vorgelegt wurde.
Auch der รkolรถwe wird in seiner Haltung zum Jahrtausendfeld deutlich: โDie Zukunft des Jahrtausendfeldes liegt in der Hand des Stadtrates. Fรผr uns steht fest: Egal, ob nun ein Teil der Flรคche an die Stadt verkauft werden soll โ Wir รkolรถwen fordern vom Stadtrat ein ordentliches B-Plan-Verfahren einzuleiten, um die Wรผnsche der Bรผrger/-innen nach einem รถffentlichen Stadtteilpark wirklich zu berรผcksichtigen.โ
Die Stellungnahme der Stadt hingegen betonte, dass die Ziele eines mรถglichen Bebauungsplanverfahrens auch mit dem Dialogverfahren erreichbar wรคren. Das Ergebnis wรคre dann der oben skizzierte Kompromiss.
Die Grรผnen-Fraktion hat freilich mittlerweile einen eigenen รnderungsantrag eingebracht, in dem es heiรt: โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat nach Abschluss des laufenden Dialogverfahrens Jahrtausendfeld die Ergebnisse vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob ein B-Plan aufgestellt werden muss oder eine Entwicklung ohne Aufstellung eines formalen B-Planes mรถglich sein kann und wie dies umgesetzt werden kรถnnte.โ
Man darf also in der nรคchsten Ratsversammlung auf eine recht lebhafte Diskussion gespannt sein.
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