Das Bauprojekt Prager Straße, das am 21. November in der Ratsversammlung beschlossen werden soll, droht zu einem neuerlichen heftigen Schlagabtausch zu werden. Denn obwohl die Stadt den anvisierten Bautermin 2025 schon öffentlich gemacht hat, versuchen nun mehrere Einwohner aus Meusdorf, Holzhausen, Stötteritz, Probstheida und Reudnitz-Thonberg, die Umbaupläne zu stoppen – mit einer Petition und einem Offenen Brief. Und die Kammerpräsidenten haben auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Eingereicht hat die Petition im September Dieter Kriegsmann aus Meusdorf auf der Petitionsseite der Stadt Leipzig. Inzwischen haben über 7.000 Personen unterzeichnet, auch wenn die Website der Stadt Leipzig keine Auskunft darüber gibt, ob sie alle in Leipzig wohnen. Aber die Sorge wird deutlich, die auch die diversen Diskussionen in der Leipzig Ratsversammlung schon thematisiert hatten, dass die Straße nach dem Umbau für den Kfz-Verkehr nicht mehr leistungsfähig genug ist.
Die Bürgerinitiative Prager Straße, die für Petition und Offenen Brief zeichnet, betont: „Für den Erhalt der insgesamt vierspurigen Magistrale. Für sinnvolle Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer. Wir vertreten die Interessen von über 6.500 Unterzeichnern der von Dieter Kriegsmann am 17. September 2024 eingereichten Petition.“
Platz für Radfahrer, Bäume und Straßenbahn
Umgebaut werden soll die Prager Straße in Höhe Völkerschlachtdenkmal so, dass es in der Mitte einen separaten Gleiskörper für die Straßenbahn gibt, daneben jeweils eine Fahrbahn für den Kfz-Verkehr und daneben erstmals auch separate Radfahrstreifen, sodass die Fußwege endlich ganz den Fußgängern gehören. Die Gleisbaumaßnahme ist sowieso fällig, damit auch auf diesem Teilstück künftig die breiteren Straßenbahnen der LVB fahren können. Dass jeweils eine Fahrspur wegfällt, hat mehr damit zu tun, dass hier endlich auch StVO-gerechte Radwege angelegt werden sollen.
Aber auch in den beiden Leipziger Wirtschaftskammern hadert man mit dem Lösungsvorschlag der Stadt, befürchtet einen neuen Engpass für den Wirtschaftsverkehr und betont, man versuche nun seit zwei Jahren, auf die geplante Baumaßnahme in der Prager Straße konstruktiv Einfluss zu nehmen.
„Unsere Bedenken hinsichtlich des geplanten Wegfalls von 50 Prozent der Flächen für den motorisierten Wirtschaftsverkehr liegen der Verwaltungsspitze und den Stadtratsfraktionen vor“, schreiben die Handwerkskammer und die IHK zu Leipzig in eine gemeinsame Wortmeldung.
„Im Vorfeld der Stadtratssitzung vom 21. November halten es die Präsidenten von Handwerkskammer sowie Industrie- und Handelskammer zu Leipzig für absolut geboten, darauf hinzuweisen, dass eine Beschlussfassung der Vorlage des Dezernats Stadtentwicklung und Verkehr für die Leistungsfähigkeit der Verkehrsader Prager Straße sowie für die Wohnqualität in den benachbarten Quartieren gravierende Folgen hätte.
Besonders negativ schlage zu Buche, dass sich der Park-and-Ride-Platz in einer Flaschenhalsposition befindet und im Zuge der geplanten Sanierung der agra-Brücke keine leistungsfähige Magistrale mehr in den Süden führen würde.
Die Präsidenten sind sich in ihrer Beurteilung einig: Hier werden Millionen Euro versenkt, weil Ideologen nicht bereit sind, die guten Argumente von Betroffenen in den Planungen zu berücksichtigen. Alle anderen umsetzbaren Szenarien, die die Vierspurigkeit erhalten würden, wurden unambitioniert geprüft und lustlos zu Seite gelegt. Es ist finanzpolitischer Irrsinn, nach den bereits entstanden Planungskosten nun auch noch Steuermittel in Millionenhöhe für die Umsetzung zu versenken.“
Auch die Stadt sieht das Nadelöhrproblem
Dass dieser Abschnitt der Prager Straße tatsächlich zum Nadelöhr werden könnte, stellt auch das Mobilitäts- und Tiefbauamt in seiner Vorlage für den Stadtrat fest, denn die Prager Straße ist hier nun einmal die wichtigste Route aus dem Südosten der Stadt in Richtung Stadtmitte.
„Durch die Änderung des Straßenquerschnittes im Bereich der Haltestelle Südfriedhof und der südlichen Knotenzufahrt (von zwei Kfz-Fahrstreifen auf einen Kfz-Fahrstreifen) reduziert sich die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr. In der Spitzenstunde können daher Rückstaulängen von ca. 170 m aus der LSA Zufahrt Südfriedhof (Überstauung ca. 80 m ab der LSA Prendel-Allee) und ca. 250 m aus der Aufstelllänge der LSA Kommandant-Prendel-Allee entstehen.
Somit kann eine Rückstaulänge in der KFZ-Spitzenstunde (Überstauung LSA Südfriedhof und Aufstelllänge LSA Prendel-Allee) von ca. 330 m, gemessen ab der LSA Prendel-Allee, also bis etwas in Höhe des Gebäudes Prager Straße 214, auftreten. Ein mögliche Überstauung mit erhöhten Rückstaulängen löst sich nach der KFZ-Spitze auf“, schreibt das Mobilitäts- und Tiefbauamt.
Es weist aber auch darauf hin, dass man hier unter echten Platzzwängen steht: „Zu Gunsten des Erhalts der bestehenden Baumallee und zu Gunsten einer regelgerechten Radverkehrsanlage wurde an der Einspurigkeit für den Kfz-Verkehr in der stadtwärtigen Knotenzufahrt Prager Straße festgehalten. – Auch für den linksabbiegenden Kfz-Verkehr aus der Kommandant-Prendel-Allee in die Prager Straße können Rückstaulänge in der Spitzenstunde bis ca. 98 m auftreten.“
Kosten soll die Maßnahme 5,9 Millionen Euro und soll 2025 und 2026 durchgeführt werden, was allein schon in den beiden Baujahren zu erheblichen Umleitungen führen wird.
Sollte die schon für 2025 angekündigte Maßnahme von der Ratsversammlung abgelehnt werden, dürfte sich das Gesamtprojekt mindestens um ein Jahr verschieben, der Kostenrahmen wäre dann auch obsolet. Und der bislang gerade für Radfahrer und Fußgänger unbefriedigende Zustand bliebe erhalten.
Da ist absehbar, dass die Debatte am 21. November sehr intensiv werden dürfte.
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Der Offene Brief der Bürgerinitiative Prager Straße
Wir fordern die politischen Entscheidungsträger der Stadt Leipzig auf, einem Umbau der insgesamt vierspurigen Magistrale Prager Straße in eine Straße mit weniger Fahrstreifen keinesfalls zuzustimmen. Eine solche Veränderung soll im Stadtrat am 21. November 2024 beschlossen werden und zerstört für Millionen-Summen unumkehrbar vorhandene Infrastruktur. Einst angekündigte Bürgerbeteiligung wurde vernachlässigt, die Petition mit aktuell über 6.500 Unterzeichnern ist Ausdruck des bisher nicht gehörten Bürgerwillens. Ebenso unsere Bürgerinitiative.
Wir fordern komplexe Lösungen für den Verkehr in Leipzig. Eine aus unserer Sicht ergebnisoffene Prüfung gab es für das Projekt in der Prager Straße nicht. Insgesamt vier Varianten wurden näher betrachtet – eine vierspurige war da nicht einmal dabei. Obendrein wird immer wieder argumentiert, dass künftig breitere Straßenbahnen keine andere Wahl lassen als eine Reduzierung der Fahrstreifen. Dies ist nach unserer Sicht nicht richtig!
Wir sprechen uns neben dem Erhalt der jeweils zwei Fahrspuren auch dafür aus, dass Verbesserungen für andere Verkehrsteilnehmer angestrebt werden sollen. Da gibt es ausreichend Überlegungen und Ideen, wie die Situation für Fußgänger und Radfahrer verbessert werden kann – wir stehen für konstruktiven Austausch zur Verfügung.
Das von der Verwaltung und einem Teil der Kommunalpolitik angestrebte Modell ist nicht nur eine Verschwendung von vielen Millionen Euro, sondern auch umweltpolitisch eine Mogelpackung. Lärm und Schadstoffausstoß nehmen bei Staus in der Prager Straße zu – oder werden lediglich verlagert. Folgen einer Reduzierung werden einfach ignoriert oder nicht ernst genommen. Rückstaus bis in die eingemeindeten Ortsteile, Schleichverkehr durch Wohngebiete und weiträumigere Umfahrungen als Belastung anderer großer Straßen oder Probleme für Rettungsdienst und Feuerwehr sowie Busverkehr seien da genannt.
Für viele Menschen, die die Prager Straße mit dem Auto nutzen, gibt es eben nicht immer eine Alternative. Sinnvolle Maßnahmen, die Notwendigkeit von Autofahrten zu reduzieren, sind nicht in Sicht. Der große und einzige Park-and-Ride-Platz der betroffenen Region befindet sich am Völkerschlachtdenkmal innerhalb des angestrebten „Flaschenhalses“. Und eine wirkliche Verbesserung des ÖPNVs – beispielsweise neue Straßenbahntrassen, sind seit Jahrzehnten nur immer wieder zerplatzte Luftschlösser.
Wir fordern, dass in der Prager Straße nicht wieder einmal Tatsachen geschaffen werden, die für viele Bürger eine Verschlechterung bedeuten. Eine Verkehrswende kann nur gemeinsam mit und für alle Verkehrsteilnehmer geschafft werden – und vor allem nur mit fundierten Einzelfallentscheidungen und nicht mit pauschalen Urteilen!
Es gibt 4 Kommentare
Für die Verlängerung nach Liebertwolkwitz hat die Potenzialanalyse kein Nutzen/Kosten-Verhältnis größer als 1 ergeben, daher wird nur weiterhin eine Trasse freigehalten, aber nichts konkret geplant. Fokussiert wird auf 3 Projekte: Südsehne – von Grünau bis Neu-Schönefeld, Anschluss S-Bahnhof Wahren und die Verlegung der Trasse zum besseren Anschluss von Mockau-Nord. Die Route Franzosenallee-Herzzentrum-Holzhäuser hat Potenzial, ist aber dahinter priorisiert. Da ist realistisch in den nächsten 10 Jahren nichts zu erwarten, wenn sich nicht radikal etwas bei der Nahverkehrsfinanzierung ändert. Hier wenigstens mit den neuen Bahnen fahren zu können und brauchbare Radverkehrsbedingungen anzubieten ist also das, was realisierbar ist. Die Stärke der Linie 15 ist ihre Zuverlässigkeit als “Stadtbahnlinie” mit nahezu durchgehend separiertem Gleisbett. Das sollte man allerhöchstens mittels signaltechnisch garantierten “Zeitinseln” punktuell aufgeben. Der Radverkehr wickelt im Stadtgebiet übrigens ebenso viele Wege ab wie Straßenbahn und Bus zusammen – weitaus preiswerter als der trotz hoher Fahrpreise auf Zuschüsse angewiesene ÖPNV. Den Radverkehr hier wieder als fünftes Rad am Wagen zu behandeln, wie implizit von der Bürgerinitiative gefordert, wird seiner schon jetzt wichtigen Rolle und dem Potential bei der Entlastung sowohl des ÖPNV mit seinen Kapazitätsengpässen als auch von zusätzlichem KFZ-Verkehr nicht annähernd gerecht. Ein Fakt, den auch die Kammern bei ihrer Argumentation stets verdrängen.
So ganz Alternativlos ist es ja nicht. Förderung von etwas, bedeutet nicht nur, alles andere zu behindern.
Gegen den geplanten Umbau ist nichts einzuwenden, wenn die Straßenbahn bis zur S-Bahn nach Liebertwolkwitz verlängert ist und die S-Bahn über Bad Lausick nach Geithain im 20 min Takt fährt.
So nebenbei, dies ist äquivalent auch für die Linie 4 bis S-Bahn-Hst. Holzhausen sinnvoll.
Auch der große P+R-Platz zwischen Monarchenhügel und Liebertwolkwitz für den schnellen direkten Umstieg zur Straßenbahn ist auch noch nicht fertig.
Aber genug geträumt.
Eine Straßenbahn fährt derzeit im Mittel alle fünf Minuten.
D.h. der Verkehrsraum ist die restlichen vier Minuten ungenutzt.
Hier kann die Straßenbahn eine gemeinsame Fahrspur mit dem Autoverkehr nutzen.
Durch intelligente Steuerung kann der Straßenbahn ein Vorlauf eingeräumt werden.
Mit Dauerlichtzeichen “rotes X” kann diese Fahrbahn zum Zeitpunkt des Straßenbahnverkehrs exklusiv der Straßenbahn zugewiesen werden bzw. mit grünem Senkrechtpfeil wieder dem Autoverkehr freigegeben werden.
Aber das sollte eigentlich auch gar nicht notwendig sein.
Wenn ausreichende Straßenleistungsfähigkeit mit einer Spur gegeben sei, dann gibts mit 200% schon gar kein Problem, wenn da eine Straßenbahn “mitschwimmt”.
Wenn die ganz oben genannten gesellschaftlichen Fortschritte dann erreicht sind, kann dann der Fahrbahnbelag aus den Gleisen wieder herausgenommen werden.
Ausbau induziert Nutzung. Also los beim ÖPNV. Über den Straßenausbau wird es auch immer gesagt.
Der einzige Ausweg wäre, dass dort die neuen handbreit größeren Bahnen eben doch nicht fahren können, weil eben doch nicht verbreitert wird. Wäre ja nicht völlig undenkbar, es gibt ja auch jetzt schon zig verschiedene Typen an Straßenbahnen im Fuhrpark, und im Vergleich zum XXL aus den Nuller Jahren bringen die zehn Zentimeter eigentlich keine größere Kapazität. Ist allerdings ein eher unwahrscheinliches Szenario und bringt noch andere Nachteile mit sich, aber könnte man auch mal durchdenken.
Die Argumentation ist irgendwie schief.
Der Abschnitt wird umgebaut, weil die LVB dort einen größeren Gleismittenabstand für die neuen Straßenbahnen benötigt. Das ist die Ausgangslage. Die Stadt Leipzig würde hier gar nicht bauen, wenn die LVB nicht zwingend bauen müssten.
Die LVB haben hier eine Stadtbahn und die benötigt einen separaten Gleiskörper. Die Baumallee ist ein Kulturdenkmal und steht unter besonderem Schutz.
Damit hat man 2 Zwangspunkte, die im Prinzip unverhandelbar sind. Wenn der separate Gleiskörper wegen des größeren Gleismittenabstands 34cm mehr Platz benötigt als heute, dann fehlen diese zwischen dem Gleiskörper und dem Bordstein. Da bereits heute keine echte Viersprurigkeit besteht, wird mit weniger Platz erst recht keine Vierspurigkeit mehr bestehen.
Weil nach den Regelwerken nicht ausreichend Platz für 2 Fahrstreifen/Richtung besteht, kann man auch einen Radfahrstreifen markieren ohne dass es zu einer zusätzlichen Änderung für den Kfz-Verkehr kommt.
Das Thema “Stau” ist hierbei übrigens auch relativ. Es kann sein, dass man nach dem Umbau 2 Knoten nicht beim ersten Mal passieren kann. Das ist für eine Großstadt absolut kein Drama und stellt sich auch heute nicht anders da als es zukünftig der Fall sein wird. Die Knoten werden in ihrer Leistungsfähigkeit nicht verändert. Der Knoten bestimmt aber maßgeblich wie viele Autos eine Straße nutzen können.