Eine separate Abstimmung der Petition „Petition zur geplanten Baumaßnahme Prager Straße wegen breiterer Straßenbahnen“ wird es am 21. November in der Ratsversammlung nicht geben. Der Grund ist simpel: Am selben Tag steht sowieso die Entscheidung der Ratsversammlung über diese für 2025 geplante Baumaßnahme auf der Tagesordnung. Und die ist dringend, weil dieses Nadelöhr am Völkerschlachtdenkmal zwingend für breitere Straßenbahnen ausgebaut werden muss.
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau empfiehlt also dringend, die Petition einfach als Abwägungsmaterial zur Verwaltungsvorlage zu nutzen. Aber das Dezernat nutzt auch die Gelegenheit, sich noch einmal ausgiebig mit dem Inhalt der Petition auseinanderzusetzen. Es weist dazu auch auf die schon im Dezember 2022 vom Stadtrat beschlossene Vorzugsvariante der Vorplanung (VII-DS-07613), in der auch der geplante Straßenquerschnitt festgelegt wurde.
Und wesentlicher Kern war dabei eben auch, dass die Straßenbahn ihre separate Gleistrasse behält.
„Eine Mitbenutzung der Gleisanlagen durch den motorisierten Individualverkehr, wie in der Petition vorgeschlagen, würde im Abschnitt der Prager Straße zu einer Verlangsamung des ÖPNV und zu einer zusätzlichen Versiegelung führen. Im Sinne der Mobilitätsstrategie ist jedoch die Steigerung der Attraktivität des Umweltverbundes aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zu priorisieren“, merkt das Baudezernat dazu jetzt in seiner Stellungnahme an.
„Innerhalb der Vorplanung des Bauprojektes wurden bereits verschiedene Varianten entwickelt und anschließend von der Ratsversammlung die zu planende Vorzugsvariante beschlossen (VII-DS-07613). Dabei wurde auch die Führung der Straßenbahn im sogenannten straßenbündigen Bahnkörper – d. h. das Teilen des Straßenraumes zwischen Straßenbahn und Kraftfahrzeugverkehr – untersucht, um ggf. zwei Richtungsfahrbahnen anbieten zu können.“
Doch genau da würde das eigentliche Ziel des Umbaus torpediert, stellt das Dezernat fest: „Eine solche Führung der Straßenbahn bietet jedoch keine Fahrplanstabilität und widerspricht so den Zielen der ‚Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig‘.“
Es droht die Rückzahlung von Fördermitteln
Und es wird noch viel brisanter, denn: „Der Wegfall des besonderen Gleiskörpers könnte zudem zu einer erheblichen Rückzahlung von Fördermitteln in Höhe von bis zu 40 Mio. € führen.“
Denn diese Fördermittel gab es ganz konkret für die Beschleunigung der Straßenbahn auf der Linie 15, was direkt mit der Herstellung eines separaten Gleiskörpers einhergeht.
„Aus diesen Gründen wurde sich in der Ratsversammlung für die Vorzugsvariante mit Verbreiterung des besonderen Gleiskörpers, Reduzierung auf eine Fahrspur für den Kraftfahrzeugverkehr, und vom Kfz-Verkehr abgetrennte Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn entschieden. Dies stellt auch die kostengünstigste der untersuchten Varianten dar“, fasst das Planungsdezernat zusammen.
Und verweist auch darauf, dass der zuständige Stadtrats-Ausschuss sich mit dem Thema schon ausgiebig beschäftigt hat: „Die Erarbeitung einer Aufgabenstellung zur Straßenraumaufteilung hat im Vorfeld zusammen mit dem Fachausschuss für Stadtentwicklung und Bau ergebnisoffen stattgefunden. Eine erneute Betrachtung der möglichen Straßenraumaufteilung auf Grundlage der bereits untersuchten Varianten sowie der damit verbundenen Kostensteigerung sowie dem einhergehenden Bauverzug ist daher nicht zielführend.“
Platz für breitere Straßenbahnen
Mit der Baumaßnahme verbreitern die Leipziger Verkehrsbetriebe den Gleismittenabstand für den Einsatz der neuen XXL Straßenbahnwagen NGT 12+, um eine kollisionsfreie Begegnung von zwei Straßenbahnen zu ermöglichen. Die Verbreiterung erfolgt dabei unter Beibehaltung des besonderen Gleiskörpers und dem Erhalt der vorhandenen Baumallee, mit der Konsequenz, dass nach dem Umbau der Prager Straße zugunsten des ÖPNV eine Kfz-Fahrspur in stadtwärtiger und landwärtiger Richtung entfällt.
Warum die von der Petition vorgeschlagene Lösung nicht umsetzbar ist, begründet das Planungsdezernat ebenfalls.
„Es reicht bei der Verbreiterung nicht aus, nur die vorhandenen Gleise innerhalb des bahneigenen Körpers um 5 cm nach außen zu verlegen. Verkehrs- und Gleisplanungen sind deutlich komplexer als in der Petition angenommen wird“, schreibt das Planungsdezernat.
„Beim Einsatz der breiteren Straßenbahnen muss ein Gleismittenabstand auf der gesamten Länge gewährleistet sein. In Kurven verringert sich der Abstand zwischen zwei sich begegnenden Straßenbahnen aufgrund der Achsgeometrie der Fahrzeuge. Nach den anzuwendenden Planungsvorschriften sind ebenso alle Sicherheitsabstände einzubeziehen. Aktuell liegt der Gleismittenabstand bei mindestens 2,56 m, muss jedoch auf mindestens 2,80 m geweitet werden, um die notwendigen Sicherheitsabstände im Begegnungsfall einzuhalten.
Eine Aufweitung des Gleismittenabstands hat zur Folge, dass die Sicherheitsabstände zum angrenzenden Kraftfahrzeugverkehr nicht eingehalten werden können. Aus diesem Grund ist eine Verbreiterung des besonderen Bahnkörpers zwingend notwendig, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.“
Der Rettungsdienst kommt künftig besser durch
Und auch eine andere Vermutung räumt das Dezernat aus: „Mit dem Ausbau der Prager Straße zugunsten des ÖPNV und der Neuordnung des Querschnitts haben Rettungsfahrzeuge keinen Nachteil in diesem Straßenabschnitt.
Im Ist-Zustand sind 2 untermaßige Kfz-Fahrspuren je Richtung vorhanden. Im Einsatzfall kann in einer Stausituation mangels Breite keine Rettungsgasse hergestellt werden. Die Rettungsfahrzeuge stehen wie alle anderen Fahrzeuge im Stau. Zukünftig wird es eine vorschriftsmäßige Fahrspurbreite für den Kfz-Verkehr zzgl. eines 2,00 m breiten Radfahrstreifens pro Fahrtrichtung geben. Im Notfall können die Rettungsfahrzeuge den Radfahrstreifen unter Nutzung des Sicherheitsabstandes zum Kfz-Verkehr als Rettungsgasse benutzen.“
Bleibt noch das immer wieder beschworene Gespenst des Ausweichverkehrs durch die angrenzenden Wohngebiete. Dazu, so das Stadtplanungsdezenat, soll es eigene Maßnahmen geben: „Um dem befürchteten ‚Ausweichverkehr‘ in der Augustinerstraße und Naunhofer Straße, sowie den umliegenden Nebenstraßen entgegenzuwirken, wurde die Überprüfung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu dessen Verhinderung mit Beschluss der Vorzugsvariante ebenfalls beschlossen (vgl. Beschlusspunkt 2).
Die Unterbrechung der Augustinerstraße für den durchgehenden Kfz-Verkehr ist dabei eine dieser Maßnahmen, die in diesem Rahmen geprüft und als geeignet eingeschätzt wurde, zu einer deutlichen Verkehrsentlastung des Dorfangers Probstheida sowie entlang der Verkehrsrelation Augustinerstraße/Naunhofer Straße beitragen zu können. Die Unterbrechung wurde Mitte Oktober baulich umgesetzt.“
Es gibt 3 Kommentare
https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsverpuffung will gekonnt sein, ieber User “radograph”, und da wäre es schon ganz nützlich, den Zauberspruch zum Verschwindenlassen des leidigen MIVs vor der Strangulation der Prager Straße im Bereich des Völkerschlachtdenkmals einmal auszuprobieren. Verschwindenlassen geht beim Kaninchen und dem Zylinder quasi sofort, beim MIV in der Großstadt ist Skepsis angezeigt, jedenfalls bei Anwendung von Realitätssinn. Und Symbolpolitik mangelt es an selbigem. Die sieht die Realität als Gespenst, bedauerlicherweise.
Sehr geehrter Herr Julke, schon wieder bemühen Sie das “beschworene Gespenst des Ausweichverkehrs”. Bereits im Bestand der Prager Straße “spukte” der Ausweichverkehr nicht ab und an, sondern ergoss sich sichtbar, hörbar, riechbar, in meinem Fall auch fühlbar und vor allem ZÄHLBAR in den Dorfanger Probstheida und die folgende 30er Zone im Wohngebiet, sobald es in den Spitzenstunden auf der Prager Straße etwas voller wurde. Und genau diese Zählbarkeit hat für mehr als ein Jahrzehnt die bessere Radverkehrsanbindung des Südostens (Kliniken, Probstheida/Holzhausen/Lieberwolkwitz) in Richtung Stadtzentrum entlang der Radvorrangroute (Klassifikation IR 2) im Hauptnetz Rad verhindert. Alle Prüfaufträge zur Einrichtung von Fahrradstraßen (RVEP 2020, Bürgerwettbewerb zum STEP Öffentlicher Raum und Verkehr, Projekt “Mach’s Leiser”, ExWoSt-Projekt Aktivachse, Aktionsprogramm Radverkehr) scheiterten am zu hohen KFZ-Aufkommen.
Heraufbeschworen wurde Ihr sogenanntes “Gespenst” schon vor 15 Jahren durch die selektive Umsetzung des Bebauungsplanes 98.1 mit dem Ausbau der Bock- und Nieritzstraße mit Kreisverkehr, ohne die ebenfalls im Plan enthaltenen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen am Dorfanger umzusetzen. Die jetzt erfolgte Unterbrechung der Augustinerstraße für den KFZ-Verkehr öffnet endlich die Möglichkeit, ein attraktive Alternative zum KFZ-Verkehr über die Prager Straße anzubieten, indem das Stückwerk an teils teuren Investitionen (Fahrradstraßen DNB und Alte Messe, “Völkerschlachtsbrücke”, Fuß- und Radweg Alte Tauchaer Straße) mit wenig finanziellem Aufwand weitgehend über ruhige Nebenstraßen zu einer durchgängigen Route verbunden wird.
Das die Rettungskräfte zukünftig besser durchkommen sollen entkräftigt meine persönliche Hauptsorge bei diesem Thema.
“Und es wird noch viel brisanter, denn: ‘Der Wegfall des besonderen Gleiskörpers könnte zudem zu einer erheblichen Rückzahlung von Fördermitteln in Höhe von bis zu 40 Mio. € führen.’
Denn diese Fördermittel gab es ganz konkret für die Beschleunigung der Straßenbahn auf der Linie 15, was direkt mit der Herstellung eines separaten Gleiskörpers einhergeht.”
Diese erhoffte “Beschleinigung der Straßenbahn” soll dann wohl die Pünktlichkeit erhöhen. Aufgrund weniger Störungen durch Autos auf dem Gleisbett, wenn ich das richtig verstanden habe. Richtig doll kommuniziert wird das aber nicht, insofern kann ich Zweifel z.B. von @Sebastian nachvollziehen. Als Laie hängt man sich an den paar Zentimetern mehr Breite auf und wundert sich.
Ich denke ohne teils schmerzhafte Kompromisse für alle Seiten wird es hier nicht abgehen, es ist kompliziert. Wünschenswert wäre auf jeden Fall auch eine Befriedung der Situation an der Haltestelle Südfriedhof. Hier treffen Fußgänger und Radfahrende auf dem Bürgersteig, der dort auch der Radweg ist, richtig blöd aufeinander: ältere trauernde Fußgänger treffen auf Berufspendler mit e-bikes aus dem Leipziger Umland- perfekt um gegenseitige Ressentiments zu pflegen.