Es gibt mittlerweile ein Thema in Leipzig, das eine Menge mehr Menschen bewegt, als es die Stadtpolitik wahrhaben möchte. Das ist der Erhalt der grünen Inseln im Stadtgebiet, die ja tatsächlich vielen Ortsteilen ein besonderes Flair verschaffen und das Gefühl, stets einen Blick auf die lebendige Natur zu haben. Aber die Existenz dieser grünen Inseln kollidiert immer öfter mit dem Druck der Stadt, neue Wohnungen bauen zu müssen. So wie in Probstheida.
Dort plant die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft LWB auf einer noch existierenden Freifläche den Bau von acht Häusern mit insgesamt 102 Wohnungen. Doch seit die Pläne bekannt wurden, kämpfen die Anwohner um den Erhalt der großen Wiese und des seit Jahrzehnten gewachsenen Baumbestandes. Und das mit einem erstaunlichen Echo weit über den Ortsteil hinaus.
Die Petition
Am 29. Oktober hat Carmen Miosga eine Petition auf Change.org gestartet, die sich für den Erhalt der Bäume, der Blühwiese sowie des begrünten Parkplatzareals in der Wunderlichstraße in Leipzig-Probstheida einsetzt. Darin fordert sie das Bauamt der Stadt Leipzig auf, das geplante Bauvorhaben, das die Naturfläche zerstören würde, zu überdenken und eine nachhaltigere Lösung zu finden.
Die Petition hatte nach einer Woche bereits 4.000 Unterstützer/-innen mobilisiert. Am 11. November verzeichnete sie sogar schon über 27.000 Unterzeichner.
„Dieses urbane Verdichtungskonzept der städtischen Lückenbebauung wird in unserem Viertel nicht folgenlos umsetzbar sein. Durch die Fällung der Bäume und dem Wegfall der Blühwiese sowie des unterbrochenen Luftgürtels wird es zu einer Erhöhung der Temperaturen im städtischen Gebiet kommen (Hitze-Insel-Effekt), was wiederum die Notwendigkeit zur Kühlung erhöht und somit zu einem Anstieg des Energieverbrauches führt. Die Fällung von Bäumen und die Versiegelung von Blühwiesen in Leipzig haben erhebliche Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt“, erklärt Petitionsstarterin Carmen Miosga.
Mit ihrer Petition will sie jedoch nicht nur gegen die Zerstörung der Grünflächen in Leipzig-Probstheida vorgehen, Carmen Miosga gibt auch zu bedenken: „Unser Anliegen betrifft nicht nur den Verlust von wertvollem Grünraum, sondern auch die damit verbundenen ökologischen, klimatischen und sozialen Konsequenzen für unser denkmalgeschütztes Viertel. Die Abholzung in unserer Stadt muss beendet werden!“
Was sich in der Forderung an die Stadt bündelt: „Wir, die Unterzeichner dieser Petition, möchten unseren entschiedensten Widerstand gegen den geplanten Neubau auf beiden Seiten der Wunderlichstraße in Leipzig-Probstheida ausdrücken. Unser Anliegen betrifft nicht nur den Verlust von wertvollem Grünraum, sondern auch die damit verbundenen ökologischen, klimatischen und sozialen Konsequenzen für unser denkmalgeschütztes Viertel. Der Erhalt des ebenso geschützten Baumbestandes ist uns eine Herzensangelegenheit. Die Abholzung in unserer Stadt muss beendet werden!“
Eine Stadt unter Druck
Was die Herausforderungen an das innerstädtische Bauen noch einmal erhöht. Denn die LWB kann natürlich nur auf Flächen planen, die ihr oder der Stadt gehören. Viele für Wohnungsbau geeignete Flächen wurden schon vor Jahren von privaten Investoren aufgekauft, die in der Regel – wenn sie dann in Wohnungsbau investieren – auch hohe Renditeerwartungen haben, also eher nicht für den niedrigpreisigen Wohnungsmarkt bauen. Entsprechend langwierig sind diese Projekte.
Dass es so kommen würde, war schon vor 20 Jahren klar. Doch damals setze auch die Stadt bei der Haushaltskonsolidierung darauf, Flächen im Besitz der Stadt zu verkaufen. Heute fehlen diese Flächen und die neuen Pläne der LWB, die notwendigen Wohnungen im Stadtgebiet zu errichten, kollidieren immer öfter mit dem Wunsch der Anwohner, grüne Inseln in ihrem Wohnquartier möglichst zu erhalten.
Bauvorhaben ist in der Prüfung
Seit Mai rückt die Realisierung des Bauvorhabens näher: Am 15. Mai wurden von der LWB bei der Stadt Leipzig zwei Bauanträge für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern – nördlich sowie südlich der Wunderlichstraße – eingereicht. „Die Bauanträge und damit alle für eine Baugenehmigung relevanten Aspekte werden derzeit im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 63 SächsBO geprüft“, teilte das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege auf eine Einwohneranfrage von Frank Zander hin mit.
Auf die Nachfrage hin, ob denn das Bauvorhaben nicht gegen den Hitzeschutzplan der Bundesregierung verstoße, antwortete das Amt: „Die Stadt Leipzig, federführend das Amt für Umweltschutz, hat im Jahr 2023 einen Hitzeaktionsplan für die Stadt Leipzig entwickelt. Dieser Plan ist, wie auch der Hitzeschutzplan des Bundesministeriums für Gesundheit, kein im Baugenehmigungsverfahren zu prüfendes aufgedrängtes Fachrecht im Sinne von § 63 Satz 1 Nummer 3 und § 64 Satz 1 Nummer 3 der Sächsischen Bauordnung.“
Und was die zur Fällung vorgesehenen Bäume betrifft, stellte das Amt fest: „Hinsichtlich des Erhalts und der Sicherung vorhandenen Baumbestandes existiert seit dem 16.10.1992 eine Baumschutzsatzung für das Stadtgebiet. Das Neubauvorhaben ist im sogenannten Innenbereich nach § 34 BauGB geplant. Es besteht somit die rechtliche Grundlage, das Grundstück zu bebauen. In diesen Fällen wird der Eingriff in den Gehölzbestand auf Grundlage der Baumschutzsatzung ausgeglichen.“
Was die Bewohner des Quartiers ganz bestimmt nicht beruhigt haben dürfte. Und so auch erklären dürfte, warum so viele Menschen die Petition unterschreiben.
Es gibt 2 Kommentare
Man sollte hier vielleicht auch noch mal ganz deutlich sagen, worum es den meisten in der Petition tatsächlich geht: Parken.
Mit dem Bau der Häuser werden 78 Parkplätze wegfallen und der Neubau wird wegen der Bäume weniger PKW-Stellplätze bekommen als man ursprünglich geplant hatte. Es werden auch nicht alle Bäume gefällt, sondern 3 alte Bäume und ein paar, welche 2004 gepflanzt wurden.
Die Bäume von 2004 könnte man ggf. noch umsetzen. Möglicherweise nutzt man auch die Chance im Zuge der LWB-Baumaßnahme und gestaltet dort den Straßenraum mit um. Da bin ich mir jetzt aber schon ganz sicher, dass der Widerspruch zu Bäumen im Straßenraum erheblich sein wird, weils den Leuten vor Ort eben ums Parken nicht um die Bäume geht.
Unverblümter kann es die Stadt Leipzig (von den “Linken” geführtes Amt für Umweltschutz, von den sog. “Grünen” geführtes Baudezernat & Co) gar nicht ausdrücken, dass Hitzeaktionsplan, Stadtklimaanalyse nur zahnlose Papiertiger sind, die völlig unwirksam sind auch genau so sein sollen. Greenwashing in Reinkultur. Das einzige was umgesetzt werden soll und auch wird ist die völlig rücksichtslose Bebaaung, sei es durch die Stadt selbst (LWB & Co) oder auch durch Private.
Was den sog. Innenbereich angeht ist die Stadt mit den gleichen Aktueren sehr engagiert bemüht, möglichst alle Grünflächen als Innenbereich zu deklarieren, auch wenn eigentlich gar kein baulicher Zusammenhang besteht und die Areale (eigentlich) Außenbereich sind. Notfalls überplant man Grünflächen auch über einen Bebauungsplan. Strategie: Baudezernat liefert die Baupläne, Amt für Umweltschutz assisiert, Stadtrat stimmt zu… Mal sehen, ob sich durch die Neubesetzung des Stadtrates etwas ändern wird. Gewissheit besteht nur darin, dass es nicht mehr schlimmer werden kann.
Zur Baumschutzsatzung letztlich das gleiche Bild. Gelebt wird der gängige Slogan “Bauschutz vor Baumschutz”. Bäume dürfen nur erhalten werden wenn sie denn überhaupt nicht stören. Man könnte die Satzung eigentlich auch direkt Baumfällsatzung nennen, das würde die Realität abbilden. Aber Realitätsabbildung ist nicht ganz so en vogue…