Während ganze Fraktionen im Stadtrat beim Thema Tempo 30 mauern und Anträge zur Verkehrsberuhigung im Sinne der schwächeren Verkehrsteilnehmer abblocken, wenden sich immer mehr Leipziger mit Anfragen und Petitionen an die Stadt, um endlich in ihrer Straße ein bisschen mehr Ruhe und Sicherheit zu bekommen. Doch nicht alles lässt sich (sofort) umsetzen, so wie ein Einwohnerwunsch nach Tempo 30 in der östlichen Naumburger Straße.
„Ich bin Anwohner in der Naumburger Straße in Leipzig, 04229 (Plagwitz) zwischen dem Einrichtungsmarkt POCO und der Zschocherschen Straße“, schrieb Patrick Peick in seiner Einwohneranfrage.
„Die Straße ist baulich wie eine reine Anliegerstraße ausgestaltet, jedoch für Tempo 50 freigegeben. Die Lärmbelastung in den Stoßzeiten ist enorm, besonders, weil teilweise noch altes Kopfsteinpflaster verbaut ist. Zudem fühle ich mich durch das hohe Tempo der Autos nicht sicher, wenn ich mit meinen Kindern Fahrrad fahre. Deshalb stelle ich folgende Fragen:
1. Gibt es in dem Abschnitt Naumburger Straße zwischen Gießer- und Zschochersche Straße Pläne für Tempo 30 im Zuge des Lärmaktionsplans und wenn nicht, warum nicht?
2. Gibt es andere Möglichkeiten, z. B. mit der Novelle des StVG oder einer Umwidmung in eine Tempo 30 Zone, im betroffenen Abschnitt Tempo 30 einzuführen?“
Doch was die Anwohner in den Stoßzeiten an Lärm erfahren, bildet sich nicht unbedingt auch in den Plänen und Karten der Stadt ab, mit denen sie dann die Lärmbelastung aus Behördensicht ermittelt.
Und so teilt das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) Patrick Peick nun mit, dass in seinem Abschnitt derzeit die Bedingungen nicht vorliegen, um Tempo 30 zu verhängen.
Tempo 30 erst einmal nur zwischen Gießer- und Zollschuppenstraße
„Im Rahmen der Auswertung der Lärmkartierung 2022 wurde der Abschnitt der Naumburger Straße zwischen Gießerstraße und Zollschuppenstraße als Lärmbrennpunkt identifiziert und in den Entwurf der 3. Fortschreibung des Lärmaktionsplans aufgenommen. Als Lärmminderungsmaßnahme soll hier voraussichtlich Tempo 30 angeordnet und umgesetzt werden. Kriterien für die Einordnung waren eine Lärmbelastung >= 65 dB(A) ganztags und/oder >= 55 dB(A) nachts sowie eine Betroffenheit von mindestens 100 Einwohnerinnen und Einwohnern pro 100 Meter.“
Das ist der westliche Abschnitt der Straße, auf dem praktisch den ganzen Tag über Verkehr ist, nicht nur zu Stoßzeiten.
Zu dem Straßenabschnitt, wo Patrick Peick wohnt, teilt das MTA hingegen mit: „Im angefragten Abschnitt zwischen Gießerstraße und Zschochersche Straße liegt das Verkehrsaufkommen (und daraus resultierend die Lärmwerte) dagegen erheblich niedriger, sodass die Kriterien für die Lärmbelastung nicht erreicht werden und im aktuellen Entwurf der Fortschreibung des Lärmaktionsplans keine Maßnahme auf dieser Grundlage vorgesehen ist.“
Es zählen also vorerst die nackten Zahlen der Verkehrsbelastung, nicht nur die Stoßzeiten.
Aber ein künftiges Anbringen von Tempo-30-Schildern zwischen Gießerstraße und Zschochersche Straße schließt die Stadt nicht aus. Die „Anordnung einer Tempo 30-Zonen-Regelung“ sei zwar irgendwann in Zukunft vorgesehen.
Aber: „Eine notwendige Prüfung steht aktuell noch aus und wird im Rahmen der personellen Kapazitäten erfolgen. Aktuell liegt der Schwerpunkt des Fachbereichs auf der Umsetzung der Lärmaktionsplanung und u.a. der Begleitung von größeren Verkehrsbauvorhaben. Ein genauer Termin für die Prüfung des Abschnitts kann daher heute noch nicht genannt werden.“
Es gibt 4 Kommentare
Eben las ich in jW einen redaktionell bearbeiteten dpa-Text, lieber User “radograph” der gut paßt zum Thema, das der Einwohneranfrager Patrick Peick aus der Naumburger Straße aufgemacht hat: https://www.jungewelt.de/artikel/487386.breitensport-dann-wird-s-schwierig.html Unterstützen wir unsere Nachkommen einfach mal mehr beim Erlernen des Velofahrens. Und daß es neu wieder einen Verkehrsgarten gibt, finde ich prima. Ich sei zynisch? Ich bitte Sie!
Nur das eigentliche Anliegen Herrn Peicks überzeugt mich gar nicht, nämlich sich vorm Haus eine 30km/h-Höchstgeschwindigkeit auszubitten. Das kurze Stück mit Mansfelder Schlackesteinen und ganz wenigen Kopfsteinen, puh, da kann ich nur sagen “Augen auf bei der Wohnungssuche!” Und was muß es dort für Lärm gegeben haben, in den glücklichen Tagen, als dort noch Rangierloks, mit oder ohne Dampf, und ein paar Güterwagen unterwegs waren? Wie gellten die Pfiffe der Dampflokomotiven vom Plagwitzer Bahnhof her durch die Naumburger? Das war “the beautiful noise” (Neil Diamond) eines aufstrebenden Stadtteils, in dem zahllose Betriebe zudem unglaubliche Schlote hatten und ganz bestimmt lärmten, vermutlich auch nachts. Jetzt poltern dort ab und zu Stahlgürtelreifen, die bei Aufkommen der Schlackesteine noch nicht erfunden waren. Tja, die poltern auch bei drei Fünfteln der bisherigen Höchstgeschwindigkeit.
Eine Großstadt ist eine große Stadt, mit vielen Menschen, Häusern, Fahrstraßen, Trottoirs, einigen Pärken (CH-Deutsch für Parks), alten und neuen Gewerbearealen, und etlichem mehr, darunter krankmachendem Lärm. Herrn Peick möchte man wünschen, nach und nach seinen Frieden mit der Großstadt und insbesondere dem Quartier seiner Wahl zu machen.
Es sind insbesondere auch die baulichen Gegebenheiten, die Tempo 50 in solchen Straßen absurd machen. Rechts und links parkende Autos, der restliche Straßenraum so eng, dass 2 Autos nicht wirklich aneinander vorbei passen. Solche Straßen gibt es viele in Leipzig (Angerstraße als Beispiel). Bei solchen baulichen Gegebenheiten sollte man die Höchstgeschwindigkeit anpassen…
Und wie, Urs, sollen die Kinder denn bis zum nächsten Verkehrsgarten kommen? Ist ihnen vielleicht sogar schon ‘mal eine radfahrende Familie begegnet, die nicht des Radfahrenübens wegen Rad fuhr, sondern schlicht um im Alltag irgendwo hin zu gelangen? Ihr zynisch wirkender Verweis auf einen Verkehrsgarten, von denen übrigens ein neuer öffentlich zugänglicher kürzlich in der Alten Messe eröffnet wurde (mehr sollen folgen), ist für das beschriebene Anliegen komplett fehl am Platze.
Dass die Methoden zur Berechnung der theoretischen Lärmbelastung sich eher am analytisch Machbaren als an der Studienlage zur Gesundheitsrelevanz orientieren, lässt Abschnitte wie diesen unbeachtet. Die starken Lärmspitzen bei 50 km/h auf den ersten knapp 100 m schadhaften Kopfsteinpflasters sind gerade in der Nacht dennoch erheblich. Die Naumburger Straße ist nicht Teil des qualifizierten Hauptstraßennetzes, dient im vorderen Teil überwiegend Wohnzwecken, führt keinen ÖPNV und ist damit ganz eindeutig Kandidat für eine Tempo-30-Zone, was dem Anliegen in beiden Punkten entspräche: “Sie [Anm.: Tempo-30-Zonen] dienen vorrangig dem Schutz der Wohnbevölkerung sowie der Fußgänger und Fahrradfahrer.” (Verwaltungsvorschrift zur StVO) Insofern ist zu hoffen, dass das Mobilitäts- und Tiefbauamt die diversen Prüfschemata der aktuellen Rechtslage entsprechend verschlankt, um die Abarbeitung zu beschleunigen und gleichzeitig die Kosten zu senken.
Patrick Peick, lieber Autor, führt hier eines der Rührstücke auf, die Sie so sehr lieben. Schlümmschlümm, daß “teilweise noch altes Kopfsteinpflaster verbaut ist”, das lärmt, wie der Einwohneranfrager klagt (m.E. nur um einen vormaligen Bahnübergang herum). Das “hohe Tempo der Autos” verbaut Herrn Peick überdies leider das Gefühl von Sicherheit, gdw. er mit seinen Kindern in der Naumburger radelt. Solche Argumente, lieber Autor, sind aber überhaupt nicht originell. Ein fehlendes Sicherheitsgefühl ist derartig schwammig, daß damit Beliebiges begründet werden könnte. Wie schlimm muß es Herrn Peick erst ergehen, wenn seine Kinderschar ohne ihn und auf sich allein gestellt in der Naumburger radelt?
Fährnisse lauern überall. Gerade für Kinder, die Velofahren lernen, mit oder ohne 30km/h-Limit. Früher, vor Jahrzehnten, gab es im Clara-Zetkin-Park mal einen Verkehrsgarten. Wenn man die Wiese genau ansieht, erkennt man noch die Straßenverläufe. Wie wäre es, sich für eine Wiederauferstehung des Verkehrsgartens einzusetzen?