Lange gab es keine Neuigkeiten mehr von den Warming Stripes auf der Sachsenbrücke. Und anders als die tatsächlichen Folgen des Klimawandels, waren sie auch immer weniger zu sehen. Doch nun kommen sie zurück und jetzt wird richtig dick aufgetragen, freut sich das Bündnis „Leipzig fürs Klima“. Die Warming Stripes übersetzen die gemessenen jährlichen Durchschnittstemperaturen der vergangenen 150 Jahre über die Farbskala von Blau, für die durchschnittlich kälteren Jahre, bis hin zu Rot für die wärmeren bzw. heißeren.
Mit einem Blick lässt sich erkennen und verstehen, dass es auf der Erde immer heißer wird und die neun heißesten Jahre auf diesem Zeitstrahl in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden haben.
Die Warming Stripes sind durch ihre deutliche Bildsprache mehr als hilfreich, um zu vermitteln, wie eindeutig sich die durchschnittliche Erdtemperatur verändert hat. Durch die Aufbringung in dieser Größe und an dieser zentralen Lage auf der Sachsenbrücke findet dieses Vermitteln und Erinnern sogar täglich statt.
Die Erde wird immer heißer
Erinnern sollen die Warming Stripes aber nicht nur an die Wissenschaft und die gemessenen Daten, sondern auch daran, dass der Klimawandel menschengemacht ist und es auch in der Hand der Menschen liegt, die schlimmsten Szenarien der Zukunft abzuwenden.
Auch heute erleben wir bereits jeden Tag die ganz realen Auswirkungen der immer heißer werdenden Erde und diese Auswirkungen finden auch längst nicht mehr weit entfernt von uns statt. Die Wetterlage, die zuletzt in Österreich, Tschechien, Polen und weiteren Ländern zu extremen Niederschlägen geführt hat, ist auch ohne die menschengemachte Erderwärmung möglich. Durch die Erderwärmung sind solche Wetterlagen jedoch häufiger und extremer. Ausschlaggebend sind die viel größeren Mengen an Wasser, die in wärmeren Luftmassen aufgenommen und transportiert werden, und die dann natürlich auch wieder abregnen können.
Wie groß das Ausmaß der Vernichtung durch diese riesigen Niederschlagsmengen und die daraus folgenden Überschwemmungen genau ist, wird erst in einigen Wochen sicher benannt werden können. Im Rahmen der Attributionsforschung werden Wissenschaftler/-innen berechnen, um wieviel wahrscheinlicher dieses Unwetter durch die Erderwärmung ist.
Die Nachricht, die darin liegt, heißt: Jedes Zehntel Grad zählt! Jedes Zehntel Grad hat enorme Auswirkungen für das Klima, und es ist wichtig, um die Verhinderung eines jeden Zehntel Grads Erwärmung zu kämpfen. Deshalb müssen wir uns – muss Politik – ambitionierte Ziele setzen und entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung auch mit Nachdruck umsetzen.
Die Fakten, die uns die Naturgewalten vor Augen führen, bestätigen auch die wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaklage gegen die Bundesregierung aus dem Jahr 2021. In der Begründung formulierte das BVerfG, dass notwendige Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen nicht unverhältnismäßig in die Zukunft verlagert werden dürfen, da dies eine in der Gegenwart zu verantwortende Freiheitseinschränkung in der Zukunft darstellt.
Das Bundesverfassungsgericht formulierte damit 2021 einen Maßstab, der generell anzuwenden ist und nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf die Regierungs- und Verwaltungsarbeit der Länder und Kommunen.
Leipzig im Klimanotstand
Leipzig hat am 30. Oktober 2019, initiiert durch Fridays for Future Leipzig und auf Antrag des Jugendparlaments, den Klimanotstand ausgerufen. Dieser hat nicht nur zu einem Sofortmaßnahmenprogramm geführt, sondern die komplette Arbeit der letzten fünf Jahre in Stadtrat und Verwaltung stark beeinflusst, ganz im Sinne für mehr Klimaschutz und mehr Klimaanpassungsmaßnahmen. Eine Erinnerung daran und einen ähnlich starken Einfluss versprechen sich auch die Initiator/-innen der Warming Stripes auf der Sachsenbrücke mit ihrem Projekt und der Erneuerung der Klimastreifen.
Leipzig hat sich im vergangenen Jahr mit dem Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 zwar ambitionierte Ziele ins Stammbuch geschrieben. Aber zum einen reichen selbst diese Ziele noch nicht aus, um wirklich kompatibel mit der Zielsetzung des Pariser Klimaabkommens zu sein. Und zum anderen hakt es bei der notwendigen Geschwindigkeit in der Umsetzung.
Klar ist den Initiator/-innen der Warming Stripes auch, dass nicht die Verwaltungsebene allein dafür zuständig ist, sondern alle gemeinsam, also Stadtverwaltung, Bürgerschaft und Unternehmen, die sich alle aktiv und intensiv einbringen müssen. Mit den Warming Stripes, die in dieser Form und Größe weltweit wahrscheinlich einmalig sein dürften, möchten die Initiator/-innen vom Klimabündnis „Leipzig fürs Klima” Verantwortung übernehmen und sich in diese gemeinsame Aufgabe einbringen.
Erster Versuch 2022
Zuerst aufgetragen und eingeweiht wurden die Warming Stripes auf der Sachsenbrücke im April 2022. Die Einmaligkeit der Umsetzung der Warming Stripes unterstrich damals der Klimawissenschaftler und Entwickler der Warming Stripes, Ed Hawkins, in einem Tweet: „You can now see the Warming Stripes from space.“ – „Sie können die Warming Stripes jetzt vom Weltraum aus sehen.“
Beigefügt war ein Satellitenfoto mit Blick auf die Sachsenbrücke, auf der – zwar verschwommen, aber in der Farbgebung deutlich – die Klimastreifen zu sehen waren. Noch viel deutlicher sind die Warming Stripes sogar auf Google Maps festgehalten, noch bis heute. Auch in der internationalen Presse – in der New York Times – fand sich 2022 ein Foto der Warming Stripes auf der Sachsenbrücke in Leipzig.
Die Klimastreifen auf der Sachsenbrücke haben nicht nur vor Ort eine Wirkung erzielt, sondern auch sehr weit darüber hinaus. So erreichten die Initiatoren aus Leipzig auch Anfragen aus anderen Städten. Gefragt wurde dabei immer wieder, wie sie es gemacht haben, wie man es nachmachen könne und auf welche Fallstricke man dabei zu achten habe.
Finanziell unterstützt durch eine Förderung des Stiftungsfonds „Sonnige Aussichten“ bei der GLS Treuhand e.V. bekommen die Warming Stripes auf der Sachsenbrücke nun wieder neuen Glanz. Dies geschieht in einer sehr viel dickeren Farbschicht, die, wie in einem Testfeld vor Ort langfristig beobachtet, auch den vor Ort gegebenen Reinigungsarbeiten standhält und damit deutlich länger und nachhaltiger Wirkung entfalten wird.
Es gibt 6 Kommentare
Falls Sie selbst stricken, lieber User “steffenster”, hier ein geeignetes Strickmuster: https://blogs.egu.eu/divisions/as/2017/06/15/the-art-of-turning-climate-change-science-to-a-crochet-blanket Ansonsten teile ich Ihre Erwartungen nicht, daß derlei Streifen helfen, “daß tatsächlich etwas passiert”, jedenfalls nichts Gutes. Die Versuchung anzunehmen, daß aus solchen Aktionen eine weltumspannende Massenbewegung erwachsen könnte, aufgrund derer dann schließlich ein globaler Effekt erzielt werden wird, mag groß sein. Das wird leider aber unter keinen Umständen passieren! Auch wenn Sie denken werden, daß man doch irgendwie und irgendwo mal anfangen müsse, die Menschheit wachzurütteln. Ich kann mir gut vorstellen, daß schon der Vorsatz, letzteres zu tun, Freude bereiten kann. Aber den Verbrauch fossiler Energieträger werden wir nur langsam und mittels globaler Diplomatie senken. Bei letzterer sieht es duster aus.
Die Farbe wird dann wohl eh wegfließen und der Asphalt butterweich.
Es ging um den Punkt der Verantwortung, den hatte ich zumindest erwähnt. Durch die Maßnahme wird keine Verantwortung übernommen.
Noch dazu ist dieser Aktionismus verdoppelt, wo doch die Klimastreifenhinweisstraßenbahn als Nachfolgerin der weggeputzten Erststreifen der Brücke auserkoren und gefeiert wurde.
Noch dazu ist die Aktion an einer Stelle angebracht, die an der vermeintlichen Zielgruppe deutlich vorbei geht. Über die Sachsenbrücke bewegt man-Mensch-jemand sich zu Fuß oder auf dem Rad. Wozu dort die Belehrung? Für den Fall, dass man eventuell doch noch vor hätte in ein Auto zu steigen? Für die jungen Leute die dort sitzen?
Es hat einfach gar nichts mit dem großen Wort Verantwortung zu tun, mit dem man sich zu schmücken versucht.
@Sebastian: ich verstehe ihre Anmerkung leider nicht wirklich. Vielleicht hilft es die Dinge mehr in den Zusammenhängen zu sehen. Es passieren immer mehrere Dinge gleichzeitig, die sich punktuell oder in größeren Bereichen ergänzen. Leipzig fürs Klima ist ein Bündnis der Leipziger Klima- & Umweltgruppen. Sehr wohl gibt es eine ganze Reihe Projekte und Aktivitäten, die direkt und indirekt darauf zielen, dass mehr Erneuerbare ausgebaut werden, die Verkehrswende auch in Leipzig schneller voran geht und noch viel mehr, das unmittelbar dazu beitragen soll den Ausstoß von Treibhausgase zu reduzieren. Die Warming Stripes auf der Sachsenbrücke sind für sich genommen und erst Recht im Zusammenhang mit allen anderen Projekten im Bündnis daran beteiligt, dass etwas tatsächlich passiert. Und natürlich fängt das beim Menschen und dem darüber nachdenken an, wie denn sonst?!
> “Mit den Warming Stripes, die in dieser Form und Größe weltweit wahrscheinlich einmalig sein dürften, möchten die Initiator/-innen vom Klimabündnis „Leipzig fürs Klima” Verantwortung übernehmen”
Die immense Verantwortung ist von den Schultern der Engagierten sicherlich schwer zu tragen. Wir alle können froh sein, dass es hinter den Kulissen helfende Schultern gab, die sich zur Mitarbeit fanden.
Das beste Leipzig von allen könnte eventuell noch das Messehochhaus in ein weltweit noch größeres, einzigartigeres Farbenwunder verwandeln. Wegen der großen Verantwortung.
Davon fährt keine Straßenbahn mehr als vorher, kein Elektrobus kann davon beschafft werden, und es liegen auch nicht mehr Solarzellen auf den riesigen LWB-Flächen als vorher, aber man kann endlich wieder Politik in die Hirne der Leute bringen. Für so wenig Geld! Ständig!
Bei allen Verständnis für die Thematik aber hat sich auch schon einmal jemand mit den Rissen im Asphalt auf dieser Brücke beschäftigt?