Noch ist es erst Zukunftsmusik, dass die Radefelder Allee, eine der wichtigsten Straßen gleich westlich des Porsche-Geländes im Leipziger Norden, ausgebaut wird. Das Verkehrsdezernat brachte es trotzdem fertig, die Ratsfraktionen heftig zu erschrecken mit einer ersten Vorlage, die – so Grünen-Fraktionsvorsitzende Kristina Weyh – aussah, als wollte die Stadt die Allee tatsächlich vierspurig ausbauen und die 100 Bäume an der Allee einfach opfern.

Ein Unding. Das fand auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler, der nach eigenem Bekunden regelmäßig auf der Radefelder Allee unterwegs ist – mal mit Auto, mal mit Fahrrad. Mit seiner Ortskenntnis war er natürlich federführend für den Antrag der SPD-Fraktion, dieses scheinbar völlig überdimensionierte Vorhaben zu bändigen.

Das hatte die SPD schon im April so ins Verfahren gebracht. Der wesentliche Kern des Antrags liest sich so: „Laut übereinstimmenden Medienberichten und Berichten in den nichtöffentlichen Ausschüssen gibt es die Absicht, im Rahmen des 45 Mio.-Euro-Pakets für die Kommunen, im Umfeld des Flughafens die S 8 vierspurig auszubauen.

Das wird aus unserer Sicht nicht gehen, ohne die Bäume auf mindestens einer Seite der erst kürzlich erbauten Straße zu entfernen. Wir zweifeln aus eigener Betrachtung, ob diese Maßnahme wirklich nötig ist, denn die Straße ist nur wochentags, und zwar genau 3-mal zum Schichtwechsel voll und ist den Rest des Tages kaum befahren und steht am Wochenende auch schon mal leer.

Wir wollen überprüfen lassen, ob man den Ausbau umgehen könnte, indem man mit den vorhandenen Straßen und einem Ausbau des ÖPNV arbeiten kann. Als zweiten Schritt sehen wir den teilweisen Ausbau nur an den Knotenpunkten, damit könnten die meisten Bäume dort erhalten werden und der Verkehr staut sich nicht auf Strecke, sondern nur an den Knotenpunkten, weil der Verkehrsfluss dort nicht optimal passt.“

Ein „Geschenk“ mit Hintergedanken

Die SPD-Befürchtungen waren nicht aus der Luft gegriffen, denn genau hatte es die sächsische Staatsregierung angekündigt, als sie ihr 45-Millionen-Euro-Geschenk für die Kommunen rund um den Flughafen Leipzig/Halle schnürte, das viele Kritiker durchaus als Bestechungsversuch betrachteten, mit dem die Kommunen für die Flughafenerweiterung „gekauft“ werden sollten.

In diesem Paket stand eben auch: „Der Ausbau der Radefelder Allee zu einer vierstreifigen Verkehrsanlage. Diese ist von großer Bedeutung insbesondere im Zusammenhang mit den geplanten Gewerbe-Großansiedlungen im Umfeld des Flughafens und verbindet die Bundesstraße 6 mit der Poststraße/Staatsstraße 8a.“

Radefelder Allee in einer Skizze der Stadt für die Planungsvorlage. Grafik: Stadt Leipzig
Die Radefelder Allee in einer Skizze der Stadt für die Planungsvorlage. Grafik: Stadt Leipzig

Entsprechend heftige Diskussionen gab es dann auch in den Ausschüssen des Leipziger Stadtrates, wie Kristina Weyh anmerkte. Und dort machten gerade auch die Grünen deutlich, dass für sie ein Erhalt der Alleebäume, Beschattung, Windschutz und ein Augenmerk auf die Umweltverkehrsarten von zentraler Bedeutung ist.

Denn nicht nur Andreas Geisler fährt hier mit dem Fahrrad. Das ganze Mobilitätskonzept für den Leipziger Nordraum steht auf dem Prüfstand und soll umweltfreundlicher werden. Darauf hat sich die Stadt mit den Nachbargemeinden in einem „Letter of Intent“ verständigt.

Visionen für Radfahrer, Fußgänger, ÖPNV

Also überarbeitete das Verkehrsdezernat die Vorlage zur Radefelder Allee, und das nicht nur einmal. Denn die Mitglieder des Planungsausschusses ließen sich nicht mit vagen Formulierungen abspeisen. Viel zu lange schon wurstelt der Nordraum mit einem völlig unzureichenden Mobilitätsangebot vor sich hin. Der Radschnellweg nach Halle, der es tangieren soll, ist Zukunftsmusik und kommt nur im Schneckentempo zur Planungsreife.

Und richtig heftig ging es im Stadtrat ja schon zu, als darüber diskutiert wurde, dass die S-Bahn nach Halle am Güterverkehrszentrum endlich einen S-Bahn-Haltepunkt bekommt, damit die Mitarbeiter der dortigen Unternehmen eine echte Alternative zum Auto bekommen.

Frau Kristina Weyh (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 19.09.24. Foto: Jan Kaefer
Kristina Weyh (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 19.09.24. Foto: Jan Kaefer

Und wenn man die Vorlage liest, scheint die Stadt da mit der Bahn tatsächlich in Gesprächen zu sein.

„Des Weiteren wird, an den beschriebenen TOP 14-Maßnahmen und der Umsetzung dieser weiter gearbeitet. Dazu gehören Maßnahmen im ÖPNV genauso wie die intensive Unterstützung des Baues eines S-Bahn-Haltepunktes am GVZ Nord. Zum betrieblichen Mobilitätsmanagement werden die Gespräche fortgesetzt.
Ebenfalls wird die Planungsprämisse ‘Erhalt der Bäume entlang der Radefelder Allee’ verfolgt.“

Man kann es auch so formulieren: Die Mitglieder des Planungsausschusses haben das Verkehrsdezernat in mehrere Sitzungen weich geklopft und dazu gebracht, die bestehenden Beschlüsse der Stadt zur nachhaltigen Entwicklung des Nordraums auch ernst zu nehmen und als TOP-14-Maßnahmen in die Vorlage aufzunehmen.

14 elementare Maßnahmen

Die 14 Maßnahmen sind auch elementare Bestandteile der Leipziger Nordraum-Strategie. Die findet auf der Homepage der Stadt.

Was eben auch heißt, wie Kristina Weyh am 19. September betonte, dass die Stadt dem Ausschuss mehrere Planungsvarianten vorlegen soll, wie der wertvolle Baumbestand an der Allee erhalten werden kann. Und einiges davon hatte die SPD-Fraktion direkt in ihren Antrag geschrieben: „Die Stadt prüft, ob der vierspurige Ausbau der Staatsstraße S 8 wirklich nötig ist oder ob ein Ausbau der Knotenpunkte zur Bundesstraße B 6, zur Hugo-Junkers-Straße und am Kreisverkehr zur Poststraße ausreicht, um den Verkehr zu gewährleisten.

Die Stadt prüft, ob und wie ein geeignetes Konzept für den öffentlichen Nahverkehr realisiert werden kann, um Verkehre im Schichtwechsel zu minimieren, um Lieferverkehre aufrechtzuerhalten. Das könnte mit dem Bau von S-Bahn-Haltepunkten plus Bus-Shuttle-Verkehre geplant werden.“

Baubürgermeister Thomas Dienberg übernahm den SPD-Antrag für die Stadt, sodass er Bestandteil der Vorlage wurde. Und er versprach, den Bauausschuss demnächst regelmäßig über den Stand der Variantenplanungen zu informieren. Also die ganz kurze Leine zu akzeptieren.

Die Planungen allein werden über 3 Millionen Euro kosten. Den Straßenbau kalkuliert die Stadt noch grob auf 18 Millionen Euro – was sich je nach gewählter Straßenvariante noch verändern kann.

Beschlossen hat die Ratsversammlung am 19. September, dass die Planungen jetzt beginnen können.

Allein am Zeitplan sieht man, wie langwierig mittlerweile Bauprojekte in Sachsen geworden sind. Denn gebaut werden soll erst 2031. Da amtiert dann schon wieder ein neuer Stadtrat. Der gerade frisch gewählte Stadtrat jedenfalls brachte Oberbürgermeister Burkhard Jung zum Staunen, denn er bestätigte die Vorlage einstimmig. Ohne Gegenstimme und ohne Enthaltung.

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Die neue S-Bahnstation könnte es übrigens schon geben, wenn sich DB und ZVNL auf die Bahnsteighöhe einigen könnten. Der ZVNL will 550mm, die DB will 760mm. Das ist zwar nur ein Detail, führt aber dazu, dass man sich dermaßen stark blockiert, dass es keinen Millimeter vorwärts geht. Sachsen hatte mal angefangen den Standard 760mm umzusetzen und ist dann auf 550mm umgeschwenkt. Das Maß von 550mm hat man heute fast im gesamten S-Bahnnetz, außer an den großen Bahnhöfen, wo die DB seit jeher 760mm umsetzt.

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