Am Leipziger Umweltbürgermeister hat sich auch Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek die Zähne ausgebissen. Bis zuletzt. Bis zur letzten Sitzung des alten Stadtrats am 21. August, als die Grüne-Fraktion endlich ein paar klare Aussagen zur Zukunft des Elsterbeckens haben wollte. Doch Klarheit sieht anders aus, als es die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer dann hergab. Also fragte Jürgen Kasek nach. Und musste doch klein beigeben.
Das Thema ist eigentlich ganz einfach: An keiner Stelle im Stadtgebiet verengt sich das Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald so stark wie am Elsterbecken. Von Osten drückt das Sportforum, von Westen Kleinmesse, das Trainingsgelände von RB und das Motodrom. Der Biotopverbund ist hier so dünn, dass von einem Biotopverbund eigentlich keine Rede sein. Die naheliegende Lösung wäre eine Renaturierung des Elsterbeckens. Und es ist eben auch wieder vier Jahre her, dass der Stadtrat die Stadt beauftragte, diese Möglichkeit prüfen zu lassen.
Aber das Thema gärt vor sich hin. Klare Ansagen aus dem Umweltdezernat gibt es bis heute nicht.
„Der Biotopverbund zwischen nördlichem und südlichem Auwald ist innerhalb von Leipzig erheblich gestört. Insbesondere zwischen Hans-Driesch-Straße und Jahnallee gibt es bedingt durch die zwei Hauptverkehrsachsen faktisch keine Verbindung mehr. Dies ist auch der Hintergrund für den 2021 gestellten Antrag zur Renaturierung des Elsterbeckens (VII-A-06607), um dadurch die Biotopverbindung wasserseitig wiederherzustellen“, stellten deshalb die Grünen nun in ihrer Anfrage fest. Auch, weil sie dazu schon einmal vertröstet worden waren.
„Im Jahr 2023 sollte dazu eine Machbarkeitsstudie vorgelegt werden. Im Umsetzungsbericht 2023 war aufgeführt, dass das Thema im Rahmen des Auenentwicklungskonzepts bearbeitet werden soll und dazu Gespräche mit der Staatsregierung geführt werden. Als Kontrolltermin wurde Juli 2024 vermerkt, der nunmehr auch vergangen ist“, stelle sie fest.
„Gleichzeitig gibt es rund um das Gesamtgelände zwischen Hans-Driesch-Straße und Jahnallee vielfältige Planungen und Interessen, insbesondere zur Erweiterung des Trainingsgeländes von RB, zur Errichtung einer neuen Brücke über das Elsterbecken und weiteres, so dass die Befürchtung besteht, dass das prioritäre Thema Stärkung des Biotopverbundes und Wiederherstellung der Verbindung zwischen nördlichem und südlichem Auwald mit niedrigerer Priorität behandelt wird.“
Obwohl alle wissen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das künstlich angelegte Elsterbecken ist im Grunde nur eine Sedimentfalle, die regelmäßig ausgebaggert werden muss. Die riesige Wasserfläche sorgt dafür, dass hier an heißen Tagen enorme Wassermengen verdunsten. Gleichzeitig wird das Becken so zu einem Hitzehotspot mitten im Stadtgebiet.
Auch das Auenentwicklungskonzept hat drei Jahre Verspätung
Dass das jetzt alles so lange dauert, liegt auch daran, dass sich die Vorlage des Auenentwicklungskonzepts immer mehr verzögert. Ursprünglich sollte es Ende 2022 vorliegen, jetzt wird es vielleicht 2025 kommen. Und vorher will das Amt für Stadtgrün und Gewässer auch nicht verraten, wie man mit dem Elsterbecken umgehen will.
Und das klingt dann so bürokratisch, dass auch ein studierter Jurist wie Kasek über der Null-Aussage verzweifelt.
„Entwicklungsperspektiven für das Elsterbecken werden im Rahmen des Auenentwicklungskonzepts für die gesamte Elster-Pleiße-Luppe-Aue (Beschluss-Nr. VII-A-00516-ÄA-02-NF-01) erarbeitet und angesichts der vielfältigen Betroffenheit (u. a. Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Naturschutz) innerhalb der Stadtverwaltung sowie mit dem Freistaat Sachsen, insbesondere der Landestalsperrenverwaltung, abgestimmt“, liest man da in der Antwort der Stadt.
„Für die Planung von Entwicklungsmaßnahmen an Gewässern 1. Ordnung und folglich für das Elsterbecken ist die Landestalsperrenverwaltung zuständig. Die abgestimmte Entwicklungsperspektive bildet die Grundlage für die daran anschließenden gemeinsamen Schritte zur Entwicklung des Elsterbeckens.“
Das Einzige, was man dieser verschleiernden Aussage entnehmen kann: Irgendwas soll sich beim Elsterbecken ändern. Ob es freilich das ist, was sich nicht nur die Grünen, sondern auch die Leipziger Umweltverbände wünschen, verrät die Aussage nicht. Sie flüchtet sich in königlichen Beamtensprech und funktioniert deshalb eigentlich wie eine Ohrfeige auch für die neugierigen Grünen. Motto: Wir werden euch doch nicht verraten, woran wir arbeiten!
Handlungsdruck seit 2013
Und indem Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal immer wieder darauf verwies, dass er sich in der schriftlichen Antwort doch deutlich ausgedrückt habe, verstärkte er nur den Effekt – und ließ Kasek, der immer ratloser nachfragte, einfach zappeln. Der wurde dabei so nervös, dass er statt „Ich verstehe das nicht“, sagte, „Ich verstehe.“
Obwohl da nicht viel zu verstehen ist, außer dass diverse Ämter hinter verschlossenen Türen irgendwie an „Entwicklungsperspektiven für das Elsterbecken“ basteln. Obwohl klar ist, dass hier eigentlich eine wirklich große, mutige Lösung gefunden werden muss.
Und das schon seit 2013, wie das Amt für Stadtgrün und Gewässer selbst feststellt: „Der Biotopverbund ist zwischen den benannten Bereichen (Hans-Driesch-Straße und Jahnallee) bekanntermaßen und wie in der Anfrage benannt, erheblich geschwächt. Das Auwaldband verschmälert sich hier sichtlich. Der Landschaftsplan von 2013 sieht an dieser Stelle eine Minderung der Barrierewirkung für den Biotopverbund vor.
Die aktuell laufende Biotopverbundplanung, welche in Zusammenarbeit zwischen dem Stadtplanungsamt, dem Amt für Umweltschutz und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer läuft, kommt in der Flächenbewertung für den Bereich zu dem Schluss, dass insbesondere die Bereiche innerhalb der Schutzgebiete eine hohe Bedeutung für den Biotopverbund haben.“
Da braucht man dann schon ein trockenes Taschentuch, um ordentlich hineinzubeißen. Denn das ist der Refrain, den die Verwaltung nun seit Jahren wiederholt, ohne auch nur einmal konkret zu werden.
Und was tut die Stadt jetzt für den Biotopverbund?
„Wie will die Stadt sicherstellen, dass die Biotopverbindung in diesem Bereich nicht weiter geschwächt wird, durch Maßnahmen wie etwa einen ergänzenden Brückenbau über das Elsterbecken oder Pflegemaßnahmen und Umgestaltung der Ecke Cottaweg/Jahnallee zu einem Park?“, hatten die Grünen gefragt.
Und wieder gab es zwei Sätze aus dem Lehrbuch amtlicher Ausweichmanöver: „Diese besonders sensible Engstelle im stadtweiten Biotopverbund ist in den oben getroffenen Aussagen bekannt und wird bei allen künftigen Planungen und Maßnahmen berücksichtigt. Der Schutzstatus des Elsterbeckens als Bestandteil nationaler und europäischer Schutzgebiete sowie das Vorkommen besonders und streng geschützter Arten stellt besonders hohe Anforderungen bei Planungen und Maßnahmen.“
Also nächste Frage der Grünen: „Gibt es ergänzende Planungen und/oder Ideen zur Stärkung des Biotopverbundes seitens der Stadtverwaltung etwa durch Errichtung von Grünbrücken über die Verkehrsflächen, um Flora und Fauna Wanderungskorridore zu schaffen? Wenn nein, warum nicht?“
Nächstes Ausweichmanöver: „Es erfolgt aktuell eine Biotopverbundplanung (siehe Punkt 3), in deren Rahmen Maßnahmenvorschläge für den Biotopverbund erarbeitet werden.“
Und daran änderte sich auch durch Kaseks Nachfragen in der Ratsversammlung nichts. Der auch extra darauf hinwies, dass das Elsterbecken eigentlich nicht in den aktuellen Planungen zum Auenentwicklungskonzept enthalten ist.
Vielleicht kennen sich die beiden nach dutzenden Begegnungen auch im Fachausschuss Umwelt so gut, dass sie verstehen, was sie da miteinander ausgefochten haben. Für die zuschauenden Bürger dürfte das ein einziges Gefecht mit Nebelkerzen gewesen sein.
Es gibt 3 Kommentare
Was soll man vom ASG unter dieser Leitung auch anderes erwarten?
Immerhin scheint die fachliche Lage interessanterweise immerhin so klar, dass man ohne Probleme Flächen asphaltieren kann.
Konsequenterweise müsste man sämtliche Maßnahmen in diesem Gebiet untersagen, bevor nicht alle diese Konzepte und Studien (im o.g. Artikel), welche die Verwaltung seit Jahren verspricht, vorliegen.
Achso: und ganze Bindenreste oder sontigen Müll in den Flüssen am Klärwerk. Der Elstermühlgraben im Rosental ist so extrem widerlich, man bekommt vom Baden direkt 8 verschiedene Krankheiten.
Der Leipziger Biotopverbund bietet bunt schillernde Fahrgeschäfte, Müllberge, tausende Besoffene Energy oder Musikfans im Stadion oder Festwiese, gut befahrene Infrastruktur, einen Laut knallenden Schützenverein, Baumöglichkeiten für Energydrink Werbung und ein extrem Lautes Feuerwerk zum Abschluss der Feierlichkeiten. Der Auwald vertrocknet, die Stadt ähnelt im Umland einer Mohnlandschaft. Ich glaube wir sind auf dem richtigen Weg.