Man kann auch nach fünf Jahren im Leipziger Stadtrat noch Niederlagen erleben. So erging es am 21. August dem Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt, der eigentlich einen ganz sinnvollen Antrag gestellt hatte: Er wollte, dass der P+R-Parkplatz an der Neuen Messe endlich in einen akzeptablen Zustand versetzt wird. Nach Regenfällen ist über ein Drittel des Platzes eine einzige Pfütze und nicht nutzbar. Und einige der Behindertenparkplätze seien schwierig platziert. Die Stadt fand das richtig. Doch dann machte Gebhardt einen Fehler.

„Die Antworten der Anfrage VII-F-09770 zeigten sehr deutlich die Defizite des P+R Platzes sowie den Änderungsunwillen des zuständigen Dezernates auf“, hatte er in seinem Antrag festgestellt. „Inklusion und Teilhabe ist und bleibt ein gesamtgesellschaftliches Thema. Es ist daher völlig unverständlich, weswegen ein Teil der ausgewiesenen Behindertenparkplätze in der Nähe der Treppe zur S-Bahn ausgewiesen sind. Auch ein 400 m Umweg mit zusätzlicher Straßenbahnfahrt sind weit entfernt von wirklicher Teilhabe im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention.

Solange kein barrierefreier Zugang zur S-Bahnstation gewährleistet werden kann, sollten in diesem Bereich auch keine entsprechenden Parkplätze für Menschen mit Behinderung ausgewiesen werden. Dies führt nur zu Verwirrung. Nach einem barrierefreien Umbau des Zugangs sind die ausgewiesenen Stellplätze entsprechend wieder dorthin zu verlegen.

Ebenso schwer nachvollziehbar scheint die Verweigerung zur Ertüchtigung des P+R-Platzes bei Starkregenereignissen. Insbesondere bei Veranstaltungen in der Innenstadt soll der Platz zur Verminderung des individuellen Personennahverkehrs genutzt werden. Dass bei Starkregen aber weite Teile des Platzes nicht verfügbar sind, steht dem aber konträr entgegen. Daher sollte der gesamte Platz entsprechend ertüchtigt werden.“

Das übrige Drittel

Das Verkehrs- und Tiefbauamt hatte damals geantwortet: „Der P+R Platz Neue Messe ist im Wesentlichen in einem gut nutzbaren Zustand. Die Fahrspuren des Platzes besitzen eine bituminöse Oberflächenbefestigung und ca. 2/3 Drittel der Parkstellflächen sind mit Ökopflaster befestigt. Zwischen den befestigten Parkstreifen befinden sich Rigolen zur Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers.

Das übrige Drittel der Parkstellflächen besitzt lediglich eine ungebundene Oberflächenbefestigung. Das in diesen Bereichen anfallende Oberflächenwasser soll versickern. Bei langanhaltenden oder intensiven Regenereignissen kommt es aufgrund der vorhandenen Bodenverhältnisse leider teilweise zu großflächigen Pfützenbildungen, sodass die Nutzbarkeit dieser Flächen eingeschränkt ist.

Eine wesentliche und dauerhafte Zustandsverbesserung dieses Teils des Platzes ist nur durch den Ausbau der noch unbefestigten Parkflächen, einschließlich der Herstellung einer geordneten Oberflächenentwässerung möglich. Da die derzeit befestigten Parkstellflächen im Wesentlichen dem Parkaufkommen genügen, ist derzeit jedoch kein weiterer Ausbau des P+R Platzes vorgesehen.“

Park-and-Ride-Platz an der Neuen Messe. Foto: Ralf Julke
Der Park-and-Ride-Platz an der Neuen Messe. Foto: Ralf Julke

Und das, obwohl der Stadtrat parallel immer wieder darüber diskutierte, dass die Kapazitäten der P+R-Parkplätze bei Fußballspielen und größeren Veranstaltungen nicht ausreichen. Da sollte der größte verfügbare P+R-Platz doch in einem ordentlichen Zustand sein. Auch vor dem Hintergrund, dass darauf eine große Photovoltaik-Anlage errichtet werden soll.

Die hilfreiche Rolle von Rahmenplänen

Das Problem aber ist, so das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) nun in seiner Stellungnahme zu Gebhardts Antrag: Ausbauarbeiten am P+R-Platz Neue Messe sind in den nächsten beiden Jahren nicht geplant, auch nicht in der Mobilitätsstrategie.

„Die vorgeschlagene Maßnahme ist nicht Bestandteil der Fortschreibung des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig (VII-DS-09238), der am 25.04.2024 durch den Stadtrat beschlossen wurde“, stellt das VTA trocken fest. Seit geraumer Zeit drängt das Baudezernat darauf, dass der Stadtrat solche Rahmenpläne beschließt, damit Baumaßnahmen sauber eingetaktet und mit den verfügbaren Ressourcen auch abgearbeitet werden können.

Das ist ein nicht ganz unwichtiges Instrument, um den riesigen Investitionsstau in sämtlichen Bereichen der Stadt wenigstens stückweise in Griff zu bekommen. Will der Stadtrat eine andere Maßnahme vorher umgesetzt bekommen, fliegt dafür eine der schon beschlossenen Maßnahme aus dem Paket.

Das ist der simple Effekt einer falschen Steuerpolitik im Bund und einer falschen Finanzpolitik in Sachsen, die alle Kommunen in Sachsen mit viel zu knappen Budgets irgendwie vor sich hinwursteln lässt.

Vielleicht ab 2027

Ab 2027 könnte man den P+R-Platz Neue Messe ja vielleicht eintakten, gestand das VTA zu: „Dem o.g. Beschluss zur Fortschreibung des Rahmenplans folgend, werden neue Maßnahmen erst mit einer weiteren Fortschreibung für die Jahre 2027/2028 bewertet und priorisiert. Sofern die Maßnahme dagegen bereits für den Zeitraum 2025/2026 eingeplant werden soll, muss dieser Beschluss auch einen Vorschlag enthalten, mit welcher Maßnahme aus dem beschlossenen Rahmenplan diese getauscht werden soll.“

Eine klare Ansage. Das Baudezernat kann sich hier auf mehrere Beschlüsse des Stadtrats berufen, die genau das gefordert haben: Klare Prioritätenlisten, sodass man weiß, was in den nächsten zwei Jahren tatsächlich umgesetzt wrden kann.

Die Sache mit den Behindertenparkplätzen ist dann noch ein bisschen komplizierter, so das VTA: „Eine Verlegung von Behindertenstellplätzen ist nicht angezeigt, da an der Georg-Herwegh-Str. ebenfalls Behindertenstellplätze vorhanden sind und es durchaus auch für die Plätze direkt am S-Bahnhof eine Nachfrage gibt, selbst wenn die Rampe zur Straßenbahnhaltestelle nicht barrierefrei ist. Da der barrierefreie Zugang zum S-Bahnhof grundsätzlich gegeben ist, wenn auch sicher nicht optimal, wird für den Neubau einer Rampe keine Priorität gesehen.“

Die Rampe müsste bei 8,5 Meter Höhenunterschied 100 Meter lang werden. Das wäre eine Menge Geld, das hier fließen müsste. Aber die Sache mit dem schlechten Wasserabfluss prüfe man gerade, so das VTA: „Aktuell werden einige Randbedingungen der Planung geprüft, wie z.B. intermodale Mobilitätsangebote sowie eine wassersensible Flächengestaltung.“

Denn einfach wegfließen soll das Wasser ja nicht, sondern möglichst in der Nähe zurückgehalten werden, wenn es auf dem Parkplatz schon nicht versickert.

Knapp, aber abgelehnt

Und eigentlich war das der Punkt, an dem Oliver Gebhardt hätte umdenken müssen. Denn manchmal spürt man schon beim Lesen der Verwaltungsvorlagen, ob sie nicht bessere Chancen auf eine Mehrheit in der Ratsversammlung haben. Erst recht, wenn sie – wie Gebhardt selbst feststellte – das Anliegen ja bestätigten. Oberbürgermeister Burkhard Jung fragte extra noch, ob nun der Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung stehe. Aber Gebhardt beharrte auf seinem eigenen Antrag.

Der dann zwar knapp, aber dennoch von der Ratsversammlung abgelehnt wurde, mit 21:23 Stimmen bei zwölf Enthaltungen.

Irgendwie zeichnete sich in dieser letzten Ratsversammlung des scheidenden Stadtrats schon ab, wie unberechenbar viele Abstimmungen im neu gewählten Stadtrat sein werden.

Auch Oliver Gebhardt scheidet ja jetzt aus und verabschiedete sich geradezu nett von den Ratskollegen, bedankte sich aber vor allem bei seiner Familie, die ihm die Stadtratsarbeit erst ermöglicht habe. Das sollte man vielleicht nicht vergessen, dass Stadtratsarbeit eine Menge Freizeit und Familienzeit auffrisst und ohne die Menschen zu Hause nicht machbar ist.

Es sind diejenigen, die den Stadträtinnen und Stadträten fünf Jahre lang den Rücken frei halten, damit sie im Dienste der Bürger arbeiten können.

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