Es ist das Schwammstadt-Problem, das am 12. Juli wieder einmal sichtbar wurde, als in Leipzig punktuell ein Regen niederprasselte, der einige Straßen binnen kürzester Zeit unter Wasser setzte und auch den Straßenbahnverkehr in der Bornaischen Straße zum Erliegen brachte. Noch ist Leipzig keine Schwammstadt. Aber auch CDU-Stadtrat Karsten Albrecht hat längst das Gefühl, dass Leipzig sich für solche Regenereignisse wappnen muss. Auf seine Stadtratsanfrage hat das Umweltdezernat jetzt ausführlich geantwortet.

Denn natürlich schlagen sich auch die Stadtplaner und die Wasserwerke mit der Frage herum, was man machen kann, um mit solchen Starkregenereignissen, die in der Vergangenheit einfach die Ausnahme waren, umgehen kann. Denn mit dem Klimawandel werden solche punktuellen Ereignisse immer öfter auftreten und das Kanalsystem der Stadt überfordern.

Nur ist, wie Karsten Albrecht das anfragte, eine Vergrößerung der Einlassbauwerke nicht die Lösung.

„Die entstandenen Überschwemmungen auf der Leinestraße und Bornaischen Straße zeigen, wie stark die städtische Infrastruktur bei solchen Extremwetterereignissen gefordert ist“, bestätigt das Umweltdezernat.

„Gemäß den verfügbaren Wetterinformationen ist der am 12.07.2024 gefallene Regen mit einer Intensität von 38 Litern pro Stunde aufgetreten. Dies entspricht nach Einordnung in die historischen Wetterdaten (Basis: KOSTRA) einem Starkregen, der statistisch alle 25 Jahre in dieser Stärke vorkommt. Die Verteilung der Regenintensität kann dabei natürlich lokal im Stadtgebiet und den Straßen differieren.“

Solche Regen werden nicht mehr selten sein

Aber Kanalnetze sind schon aus simplen Kostengründen nicht so gebaut, dass sie auch Extremwetterereignisse, die statistisch aller 25 Jahre auftreten, schlucken können. Ihre Reserve ist für eher „gewöhnliche“ Starkregenereignisse ausgelegt, wie das Umweltdezernat betont: „Mitteilungsgemäß ist das Kanalnetz der Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH nach geltendem technischen Regelwerk für einen Regen auszulegen, welcher statistisch aller 3 Jahr fällt, also eine wesentlich geringere Intensität hat.“

Der Regen vom 12. Juli gehört nicht dazu.

„Der gefallene Regen ist als Starkregen weit über den Ableitkapazitäten des Netzes einzustufen. Würde man das Kanalnetz für solch deutlich größere Regenereignisse dimensionieren, so wäre dies für den Trockenwetterabfluss nachteilig und für die Bürger mit sehr hohen Koststeigerungen verbunden“, stellt das Umweltdezernat fest. „Es gilt hier ein wirtschaftlich ausgewogenes Maß zu finden.“

Und so kommt das Thema Schwammstadt auf den Tisch: „Darüber hinaus kehrt man in der Stadtentwicklung mittlerweile grundsätzlich von dem Ansatz ab, Niederschlagswasser aus den städtischen Bereichen ‚schnell‘ abzuführen, vielmehr soll es am Ort des Anfalls versickern, verdunsten oder gespeichert werden, um den lokalen Wasserhaushalt in zunehmenden Trockenphasen zu stärken.“

Ein sowieso starkregengefährdetes Gebiet

Nur ist das betroffene Gebiet dafür (noch) nicht ausgelegt. Denn gemäß Starkregengefahrenkarte der Stadt Leipzig ist der Bereich der konkret angefragten Abschnitte in der Bornaischen Straße/untere Leinestraße/Helenenstraße und auch der ebenso betroffene Bereich Bornaische Straße/Hildebrandstraße aufgrund der oberflächlichen Gegebenheiten (topografische Lage, Versiegelung, Art der Bebauung, etc.) ein potenzielles Starkregenüberflutungsgebiet.

Bereich Bornaische Straße/Leinestraße /Helenenstraße in der Starkregengefahrenkarte der Stadt Leipzig. Karte: Stadt Leipzig
Der Bereich Bornaische Straße/Leinestraße /Helenenstraße in der Starkregengefahrenkarte der Stadt Leipzig. Karte: Stadt Leipzig

Wer sich die Starkregengefahrenkarten genauer betrachtet, sieht, dass das auf noch viel mehr Straßenabschnitte in Leipzig zutrifft. Es ist eher Zufall, wo die größten Regenmengen herunterkommen und dann binnen Minuten ganze Straßenabschnitte unter Wasser setzen.

„Beim Starkregenereignis am 12.07.2024 war der Bereich ‚Bornaische Str./Leinestr.‘ kein betrieblicher Schwerpunkt der Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH im Hinblick auf Ereignisse im Kanalsystem. Es sind in dem Zusammenhang keine Meldungen bei der Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH zu Überstau aus dem Kanalnetz in diesem Bereich bekannt“, teilt das Umweltdezernat noch mit.

Was auch damit zu tun haben wird, dass das Wasser nach dem kurzen Starkregen binnen eine Stunde wieder komplett ablief, denn dadurch, dass andere Bereiche der Stadt nicht so viel Wasser abbekamen, war das Kanalnetz auch nicht überlastet.

Es braucht ein sinnvolles Regenwasserkonzept

Angesichts der zunehmenden Häufigkeit solcher Extremwetterereignisse durch den Klimawandel sei es offensichtlich, dass eine alleinige Anpassung der technischen Infrastruktur nicht ausreiche, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, betont das Umweltdezernat: „Ein zukunftsorientiertes Wassermanagement muss daher umfassender gedacht werden. Die Lösung liegt in der Entwicklung und Umsetzung eines sinnvollen Regenwasserkonzepts, das auf eine flächendeckende Strategie öffentlicher und privater Akteure abzielt.

Dabei rückt auch das Konzept der wassersensiblen Stadt in den Fokus, bei dem städtische Flächen so gestaltet werden, dass sie Wasser aufnehmen, speichern und langsam wieder abgeben können, um so die Kanalisation zu entlasten und Überschwemmungen zu verhindern.“

In diesem Zusammenhang arbeite die Stadt Leipzig bereits an mehreren Projekten, die die Grundlage für ein solches Regenwasserkonzept bilden. Dazu gehören das „Bewässerungskonzept“, die „Integrierte Wasserkonzeption für das erweiterte Stadtgebiet Leipzig“ sowie das Projekt „KAWl-L – Kommunale Anpassungsstrategie für wassersensible Infrastruktur in Leipzig“.

Auch Initiativen wie „Rietzschke-Aue Sellerhausen – mehr Wildnis wagen!“ und der BMBF-Förderaufruf „ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft: blau-grüne Quartiersentwicklung in Leipzig (Leipziger BlauGrün)“ trügen zur Entwicklung eines nachhaltigen Wassermanagements bei.

Eine Senke für den Wasserrückhalt

Aber Karsten Albrecht hatte selbst einen Vorschlag, wie man solche zusätzlichen Wassermengen zwischenspeichern könnte, nämlich im ehemaligen Teich Ecke Leinestraße/Dölitzer Schacht.

Doch auch das ist für die Stadt nichts Neues, die inzwischen systematisch nach solchen Rückhaltemöglichkeiten such.

„Die Senke an der Ecke Leinestraße/Dölitzer Schacht, die vermutlich der ehemalige Teich ist, wird bereits als Retentionsfläche zum Wasserrückhalt genutzt“, merkt das Umweltdezernat deshalb an. „Die Teiche ‘Leinestr.’ sind in den Leinegraben eingebunden, eine Verbindung zum Kanalnetz besteht nicht. Eine Einbindung weiterer Standorte/Bereiche ist grundsätzlich möglich, insofern diese den wasserrechtlichen, wasserwirtschaftlichen sowie umwelt- und planungsrechtlichen Regelungen entsprechen und verhältnismäßig sind.“

Wie dann der Weg zu einer richtigen Schwammstadt aussehen wird, muss die Verwaltung noch verraten. Erst im Dezember hat der Stadtrat die Informationsvorlage zu wassersensiblen Stadtentwicklung entgegengenommen. Der Umbau der Stadt zu einer Stadt, die mit künftigen Dürren und Starkregen besser umgehen kann, hat aber noch nicht wirklich begonnen. Das dauert noch und wird wohl langsamer vorangehen, als sich die Starkregenereignisse mehren werden.

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Prinzipiell stehe ich der Idee Schwammstadt offen gegenüber, habe jedoch das Gefühl, dieser Begriff wird in Leipzig wie eine Monstranz seit Jahren publikumswirksam vor sich her getragen, ohne tatsächlich eine realistische Lösung zu planen oder zu haben.

Nach mehrmaligem Lesen des Artikels verstand ich folgendes:
* das Kanalnetz war nicht überlastet im Starkregengebiet
* offensichtlich ist die Kapazität der Einlassbauwerke begrenzt
* aber mehr Einlassbauwerke sind auch nicht die Lösung bzw. gewollt.

Das heißt, auch die Regenwässer der Grundstücke (Dächer), welche direkt in das Kanalnetz strömten, waren nicht das Problem. Da nützt also auch kein Gründach oder eine Rigole!

Insofern ist der Einflussbereich “privater Akteure” (Grundstückseigentümer) begrenzt.

Wenn ich nun schon solche Starkregenkarten habe, warum erhöht man nicht in solchen Gebieten die Anzahl der Einlassbauwerke, um die Infrastruktur zu schützen?

In welchem Maße kann denn die jetzige Infrastruktur überhaupt jemals entsiegelt werden, um das Ziel wirklich zu erreichen? Sollen Straßen und Fußwege zu Wiesen umgestaltet werden?

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