In dieser Form ist das in Leipzig ein echtes Novum: Zum ersten Mal zieht die Stadt einen Bebauungsplan komplett zurück, obwohl sie vom Stadtrat vor zwei Jahren extra aufgefordert worden war, einen solchen aufzustellen: den Bebauungsplan Nr. 477 „Wohnquartiere östlich der Zollschuppenstraße“. Schon damals warnte die Verwaltung, man könne einen B-Plan nicht als „Verhinderungsplan“ aufstellen und dem Bauherrn in dem Quartier so sein Baurecht entziehen. Baurecht schlägt den Wunsch nach Grün.

2022 brachte die Linksfraktion einen Antrag ein, „welcher eine Bebauung des Blockinnenbereiches unterbinden sollte. Als Gründe dafür wurden klimaseitige Aspekte sowie eine Verhinderung neuer Flächenversiegelung im Blockinnenbereich angeführt.

Der Antrag wurde am 14.09.2022 vom Stadtrat beschlossen, entgegen den ausführlich im Verwaltungsstandpunkt dargelegt kritischen Argumenten sowie der Empfehlung aus rechtlichen Gründen von der Aufstellung eines B-Plans abzusehen. Mit dem Beschluss war die Verwaltung zur Durchführung eines Bauleitplanverfahrens aufgefordert.“

Das Baurecht kann nicht entzogen werden

Damals wurde erst einmal eine Veränderungssperre erlassen und das Planverfahren mit der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung fortgeführt. Die Stadt legte sogar vier Varianten vor, wie man sich den Erhalt von Grün und öffentlich zugänglichen Räumen in dem Baublock vorstellen könnte.

Doch die Rechtsbedenken konnten nicht ausgeräumt werden. Oder so formuliert: Dem Bauherren kann sein Baurecht nicht entzogen und nicht beschnitten werden. Man hätte es mit einer „Verhinderungsplanung“ bezogen auf das beantrage Anbauvorhaben zu tun.

„Hinzu kommt, dass im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung auch seitens der Anwohnerschaft des Quartiers sowie der betroffenen Grundstückseigentümer sehr kritische bis negative Stellungnahmen zum Vorentwurf eingereicht wurden, sodass auch diesbezüglich die öffentlichen Belange und die planerische Intention des Bebauungsplans infrage gestellt wurden“, geht das Stadtplanungsamt in seiner Vorlage auch auf die andere Stimmen im Quartier ein.

„Im Ergebnis der frühzeitigen Beteiligung muss festgehalten werden, dass es der Planung sowohl an der notwendigen Rechtssicherheit, der städtebaulichen Erforderlichkeit, der planerischen Angemessenheit sowie an der nachbarschaftlichen Akzeptanz mangelt. Um weiteren Schaden, zum Beispiel durch Entschädigungsansprüche Dritter, von der Stadt Leipzig abzuhalten und eindeutige Rechtssicherheit wiederherzustellen, soll das Planverfahren mit dieser Vorlage eingestellt werden.“

Kein Defizit an öffentlichen Grünflächen

Und obwohl in der entsprechenden Ratsversammlung auf den Wert begrünter und von Baukörpern frei gehaltener Innenhöfe besonders eingegangen wurde, bestehe, so das Stadtgplanungsamt, „kein Defizit an öffentlichen Grünflächen, so dass die Erforderlichkeit der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche auf privaten Grundstücksflächen (bis hin zum dahinterstehenden Enteignungsrecht) nicht gegeben ist.“

Eine der Varianten, die das Stadtplanungsamt jetzt zur öffentlichen Diskussion gestellt hat. Grafik: Stadt Leipzig
Eine der Varianten, die das Stadtplanungsamt zur öffentlichen Diskussion gestellt hat. Grafik: Stadt Leipzig

Es wäre eine „willkürliche Einzelfallentscheidung“. „Öffentliche und private Interessen werden in der ‚Verhinderungsplanung‘ nicht ausgewogen in den Bebauungsplan eingestellt, sodass sich ein Abwägungsdefizit bei Fortsetzung des Planverfahrens und mögliche Entschädigungsansprüche gegenüber der Stadt Leipzig abzeichnen“, so das Stadtplanungssamt.

„Gleiches würde auch gelten, wenn anstelle einer öffentlichen Grünfläche eine private Grünfläche mit dem Ziel festgesetzt würde, ein Einzelbauvorhaben zugunsten des Erhalts der heutigen Situation zu verhindern.“

Und dann wird auch auf ziemlich geharnischte Wortmeldungen aus der „Bürgerschaft“ verwiesen, etwa diese: „Unsere Gärten werden niemals […] öffentliche Grünflächen sowie Geh- und Radweg […]. Sollte der B-Plan [vom Stadtrat] verabschiedet werden, werden sich unverzüglich Rechtsanwälte der Sache annehmen.“

„Auch zeigen die Stellungnahmen von einzelnen Eigentümern, dass die für die Umsetzung der Planung notwendigen Flächen ‚garantiert nicht‘ verkauft werden und ein mögliches Vorkaufsrecht als Enteignung interpretiert wird“, so das Stadtplanungsamt.

Ergebnis: „Es ist Ergebnis des Vorentwurfes zum Entwurf hin nicht möglich, im Rahmen einer sachgerechten und notwendigen Abwägung öffentlicher und privater Belange, die beauftragten Planungsziele zu erreichen. Dem Bauleitplanverfahren fehlt es an einer begründet nachvollziehbaren städtebaulichen Erforderlichkeit und der Herleitung aus übergeordneten konzeptionellen Planungen sowie der Herleitung fachlich belastbarer öffentlicher Belange, welche einen derartigen Eingriff in die privaten Belange rechtfertigen würde.“

Und wie ist das mit dem Stadtklima, für das es eigentlich auch Grün vor Ort geben müsste?

„Die dem Bebauungsplan zu Grunde liegende stadtklimatische Zielstellung bzw. die damit einhergehende Begründung zur Aufstellung des Bebauungsplans würde folglich nie erreicht werden und stellt vor dem Hintergrund eines möglichen gerichtlichen Prozesses einen eklatanten (nicht heilbaren) Verfahrensfehler im Bauleitplanverfahren dar. Ein solcher Verfahrensfehler ist rechtswidrig und führt zur Unwirksamkeit des B-Planes“, stellt daxc Stadtplanungsamtz fest.

100 Meter weiter gebe es eine öffentliche Grünfläche. Womit der Bürgerbahnhof Plagwitz gemeint ist.

Keine Chance für ein „grünes Gleis“

Und selbst der von Bürgern geäußerte Wunsch, die ehemalige Gleistrasse als Geh- und Radweg zu gestalten und damit das ganze Quartier aufzuwerten, stößt auf Missbehagen. Obwohl man doch eigentlich davon ausgehen müsste, dass die einstigen Gleistrassen in öffentlicher Hand sind. Doch das sind sie in diesem Fall nicht, stellt die Vorlage fest.

„Darüber hinaus wurde im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, maßgeblich von den Anwohnern und Eigentümern der geplanten Fuß‑/Radwegverbindung, erheblicher Widerspruch zum B-Plan vorgebracht. Es zeigte sich, dass die öffentliche (Mit-)Nutzung des derzeit privaten Innenhofbereichs als keine überzeugende Lösung betrachtet wird. Ein freiwilliger Verkauf der ehemaligen Gleistrasse seitens der jeweiligen Grundstückseigentümer wurde ausgeschlossen.“

Die Öffnung der Gleistrasse würde – zumindest rechtlich – dann wieder neue Konflikte schaffen, so das Stadtplanungsamt: „Zusätzlich würden mit Umsetzung der Planung potenziell neue abwägungsrelevante (nachbarliche) Konflikte geschaffen werden, da von einer möglichen Nutzbarmachung der sogenannten Gleisharfe als öffentliche Frei-/Grünfläche durch lärmgeschützte Innenhofbereiche unweigerlich auch immissionsschutzrechtliche (neue ungeklärte) Fragestellungen eröffnet werden.“

Womit dann hier der Wunsch eines Teils der Anwohner, ein neues Stück Freiraum im Wohngebiet zu bekommen, scheitert. Wobei natürlich noch offen ist, ob der Stadtrat nun einer Beendung des Verfahrens zustimmt.

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