Am Ende war das Redezeitbudget der Linksfraktion erschöpft und Franziska Riekewald bekam Ärger mit dem OBM, der ja auch auf die Redezeit im Stadtrat aufpassen muss. Dabei wollte Riekewald eigentlich ihren eigenen Ärger loswerden darüber, dass die Stadt jetzt dem Freistaat ein weiteres Grundstück am Wilhelm-Leuschner-Platz überlässt. Was die Stadt auch tut. Denn dafür bekommt die Universität hier ein völlig neues Forschungsgebäude: den Global Hub. Aus Sicht der Linken ein Tauschgeschäft auf Kosten der Stadt.
Ursprünglich sollte der Global Hub auf demselben Grundstück seinen Platz bekommen, wo der Freistaat auch das Institut für Länderkunde unterbringen möchte. Die Baugrube zwischen Windmühlenstraße und Brüderstraße ist schon ausgehoben. Der Institutsneubau kann beginnen. Auch wenn sich hier bei den Planungen eben herausgestellt hat, dass man den Global Hub nicht einfach mit in den Neubau für das Institut für Länderkunde quetschen kann. Das allein hat schon einen deutlich gewachsenen Raumbedarf.
Auf der östlichen Seite des Grundstücks steht heute noch ein Baum. Denn hier war auch schon 2017, als die Stadt ihren Vertrag mit dem Freistaat schloss, Wohnbebauung vorgesehen. Doch mittlerweile hat der Freistaat für sich beschlossen, dass er – anders als 2017 angekündigt – nicht selbst in den Wohnungsbau einsteigen will. Was Riekewald geradezu als Unzuverlässigkeit und Nicht-Vertrauenswürdigkeit des Freistaats betrachtet.
Stattdessen bekommt die Stadt diese Fläche an der Windmühlenstraße rückübertragen und kann nun selbst Wohnbebauung realisieren.
Ein Grundstück für den Global Hub
Dafür bekommt der Freistaat jetzt ein Grundstück auf dem Teil, auf dem früher die Markthalle stand. In der Vorlage des Dezernats Stadtentwicklung und Bau heißt es dazu: „Als geeigneter Standort wurde damals das Baufeld Süd des Wilhelm-Leuschner-Platzes ausgewählt. Einen entsprechenden Kaufvertrag hatte die Stadt Leipzig mit dem Freistaat Sachsen im Jahr 2017 geschlossen. Gemäß dem im Jahr 2023 beschlossenen Bebauungsplan ist die Errichtung des Forschungsinstitutes Global Hub am vorgesehenen Ort nicht mehr möglich, weil diese Fläche nahezu vollständig für Wohnungsbau festgesetzt wurde.
Der Beschluss dieser Vorlage dient zum einen der Errichtung des Forschungsinstitutes Global Hub auf dem Baufeld Mitte und zum anderen zum Verbleib der Wohnbaufläche auf dem Baufeld Süd des Wilhelm-Leuschner-Platzes bei der Stadt Leipzig. Die beiden Baufelder sind im beiliegenden Lageplan gekennzeichnet.“
Damit wird es Teil eines ganzen Bündels von Wissenschaftseinrichtungen, die hier entstehen – neben dem Institut für Länderkunde und dem Global Hub der Universität Leipzig auch noch das neue Juridicum und das Forum Recht. Burkhard Jung bezeichnete diese Ansiedlungen geradezu als Geschenk.
Billig werden sie natürlich nicht. „Im geplanten Neubau des Institutsgebäudes Global Hub sollen ab dem Jahr 2026 ca. 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf höchstem internationalen Niveau forschen und lehren. Für den Bau werden ca. 34 Mio. € in Leipzig investiert, die jeweils zur Hälfte aus Landes- und Bundesmitteln finanziert werden“, heißt es in der Vorlage zum Global Hub.
Die Bundesförderung für das neue Institut wurde schon 2021 beschlossen. Entstehen soll hier ein Arbeitsraum für knapp 500 Geistes- und Sozialwissenschaftler/-innen der Universität Leipzig und ihre international anerkannte Spitzenforschung zu Globalisierungsprozessen.
Die Baufeldfreimachung und die Verlegung wichtiger Leitungen begannen schon 2023, auch wenn der Freistaat das Grundstück noch gar nicht in Besitz hatte.
1 Euro für das Grundstück
Baubürgermeister Thomas Dienberg warb in der Ratsversammlung am 20. Juni darum, dass der Stadtrat dem Grundstückstausch zustimmen möge.
Und ganz stimmte Franziska Riekewalds Argumentation auch nicht, dass die Stadt hier ein Grundstück tauscht gegen ein Grundstück, das der Freistaat gar nicht bezahlt hat.
Das Problem ist eher, dass das zweite Grundstück der Stadt kein Geld einbringt: „Der im Jahr 2017 abgeschlossene Kaufvertrag mit dem Freistaat Sachsen wird mittels Nachtrag geändert. Dabei soll der Kaufgegenstand auf die tatsächlich zur Errichtung des Institutes für Länderkunde benötigte Fläche reduziert werden“, liest man in der Vorlage. „Die Wohnbaufläche hingegen verbleibt bei der Stadt Leipzig. Folglich verringert sich auch der Kaufpreis entsprechend. (…) Die Stadt Leipzig verkauft dem Freistaat Sachsen aus dem Baufeld Mitte die für das Forschungsinstitut Global Hub benötigte Fläche.“
Die Stadt tauscht also nicht wirklich, sondern verkauft auch das Grundstück an der Grünewaldstraße, wen auch zu einem sehr symbolischen Preis. Wobei sich der Kaufpreis für das Grundstück an der Windmühlenstraße deutlich reduziert hat. Für die Westspitze des Grundstücks, wo das Institut für Länderkunde entsteht, wurden nur noch 700.000 Euro von den einst für das komplette Grundstück vereinbarten 2,47 Millionen Euro fällig. Der größere Ostteil des Grundstücks bleibt bei der Stadt.
Das Problem, das Franziska Riekewald wahrscheinlich meinte, ist der 2022 durch einen Gutachter festgestellte Verkehrswert für das Grundstück, auf dem der Global Hub entstehen soll. Denn der Gutachter hat hier nur einen Verkehrswert von 1 Euro festgestellt. Das Grundstück geht also für einen symbolischen Euro an den Freistaat.
Warum das so wenig ist, begründet die Vorlage so: „Die Nutzungseinschränkung führt zu einem um 86 % reduzierten Wert gegenüber einer freien Nutzung mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Erträgen durch gewerbliche Vermietung eines Neubaus. Werden vom entsprechend reduzierten Wert dann noch die erforderlichen Kosten für die Verlegung der Fernwärmeleitung und die Tiefenenttrümmerung des bestehenden Kellers abgezogen, ergibt sich ein Grundstückswert kleiner 0. Daher wurde ein symbolischer Kaufpreis von 1,00 € vereinbart.“
Man ahnt, warum es der Linksfraktion so schwerfiel, dieser Vorlage zuzustimmen, die auch noch den irreführenden Titel „Tausch von Teilflächen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz zur Errichtung des Global Hub“ trug, obwohl es faktisch gar keinen Tausch gibt.
Dafür nun zwei absehbare Baustellen am Wilhelm-Leuschner-Platz, mit denen die künftige Gestaltung auf dessen Ostseite langsam Konturen annimmt. Denn bis auf die Linksfraktion stimmte die Stadtratsmehrheit der Vorlage mit 41:11 Stimmen bei einer Enthaltung zu.
Keine Kommentare bisher
“Provinziell” hätte der Diskussionsbeitrag der Linken auch gut getroffen.
Die Linke hat sich hier völlig verrannt. Statt die beschlossenen Ziele (Ansiedlung der Einrichtungen, Schaffung Wohnraum) in den Vordergrund zu rücken, legt man den Fokus auf diese Nebensächlichkeiten. Der Vorteil des geänderten Deals ist doch, dass nun die LWB mit Fördermitteln den Wohnraum errichten kann. Auf diese Weise bekommt doch auch die Stadt einen weiteren Handlungsspielraum (in zentraler Lage). Man kann hier also selbst auch dafür sorgen, dass die angestrebte soziale Mischung und die Anzahl der Wohnungen stimmt.
Und ob die Fläche der alten Markthalle nun für 1 Euro oder für 1 Mio. Euro verkauft wird, spielt doch am Ende auch nur eine haushalterische Rolle. In jedem Falle sind es Steuergelder, die von einem öffentlichen Haushalt in einen anderen öffentlichen Haushalt verschoben werden.
Die Stadt wird von den Ansiedlungen aber so stark profitieren, dass man über den Grundstückspreis nicht diskutieren kann ohne sich lächerlich zu machen.