Während die Autoliebhaber in Leipzig jedes Mal aufschreien, wenn ein neuer Radstreifen auf die Straße kommt, erleben Radfahrer in der Stadt nach wie vor, dass sie an entscheidenden Stellen ohne sicheren Radweg in den fließenden Verkehr geschickt werden – so wie in der Breiten Straße und der Riebeckstraße in Reudnitz. Auch hier wurde schon vor Jahren über dringend benötigte Radwege diskutiert. Ein Bürgervorschlag hebt sie jetzt wieder aufs Tapet – erfährt aber doch eine Vertröstung.
„Für Fahrradfahrer gibt es auf der Breite Straße und der Riebeckstraße (Reudnitz) weder einen Fahrradweg noch eine Abgrenzung auf der Straße. Man befindet sich immer zwischen parkenden Autos, fahrenden Autos und der Straßenbahn bzw. zw. den Schienen“, begründete der Bürgervorschlag den Wunsch, hier einfach mal ein paar Radfahrstreifen anzulegen.
„Ich fühle mich dort nicht sicher und wähle oft einen anderen Weg, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Für viele Strecken wäre es aber die bessere Anbindung und für die Anwohner der genannten Straßen gibt es gar keine Alternative.“
Das Problem ist nicht, dass die Stadt nicht will. Die Verwaltung schreibt sogar: „Dem Vorschlag wird zugestimmt. Unabhängig vom Standpunkt der Stadtverwaltung wird der Bürgervorschlag auf Grundlage der Anforderungen des Leipziger Bürgerhaushaltes zur Abstimmung zugelassen.“
Die Riebeckstraße muss bis 2029 warten
Und Pläne, hier Radwege anzulegen, gibt es sogar, wie die Stellungnahme der Verwaltung erläutert: „Der Vorschlag überschneidet sich mit dem HauptnetzRad des Radverkehrsentwicklungsplans 2030+. Da auf dem Abschnitt aktuell ein für die Netzkategorie (IR III) unzureichendes Infrastrukturangebot vorliegt, ist im Rahmen mehrerer Maßnahmen bereits die Einrichtung einer Radverkehrsanlage vorgesehen.
So ist auf der Riebeckstraße für den Abschnitt Stötteritzer Str. bis Mühlstraße bereits im Aktionsprogramm Radverkehr 2023/2024 eine Maßnahme vorgesehen. Außerdem sind mit den Komplexmaßnahmen I-37 (Riebeckstraße/Breite Str., HS Breite Str.) und I-49 (Riebeckstr, Witzgallstr. – Stötteritzer Str.) des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie umfangreiche Umbauarbeiten vorgesehen, die auch den Bau von Radverkehrsanlagen beinhalten werden.“
Der Wermutstropfen dabei: „Der geplante Baubeginn ist hier jedoch erst 2029.“
Pläne für die Breite Straße
Und im Verkehrsdezernat ist man sich auch längst sicher, dass das nicht reicht, dass man die Radverkehrsanlagen deutlich ausweiten muss: „Da die aktuelle Situation auf dem Netzabschnitt aus Sicht des Radverkehrs jedoch wie beschrieben sehr unzureichend ist, empfiehlt es sich, die Maßnahme aus dem Aktionsprogramm Radverkehr auf die nördlichen Abschnitte der Riebeckstraße und die Breite Straße auszuweiten. Hierfür wurde die technische Machbarkeit bereits untersucht.
Zur Umsetzung beidseitiger Radfahrstreifen sind noch Änderungen an den Steuerungen der Lichtsignalanlagen Riebeckstraße/Stötteritzer Straße und Riebeckstraße (Höhe Mühlstraße) erforderlich. Des Weiteren müssen noch rechtliche Rahmenbedingungen im Zuge der Riebeckbrücke geklärt werden. Eine Planung kann 2025 erfolgen, eine Realisierung in 2026.“
Was zumindest eine halbe gute Nachricht ist, da wenigstens diese Maßnahme in den Doppelhaushalt 2025/2026 fällt.
Es gibt 12 Kommentare
Also wenn es egal ist, ob die Bahn auf eigenem Gleiskörper eine höhere Geschwindigkeit fahren kann, und auch an einer Kreuzung vorn das erste Fahrzeug ist was bei grün starten kann, dann kann bei der Gleisabstandsaufweitung demnächst beim Völki ja der große Fehler der Frühzeit rückgängig gemacht werden, und der eigene Bahnkörper durch Asphalt ersetzt werden. Laut Ihrer These stört das die Bahn gar nicht, wenn Autos darauf fahren, und die Autos haben dann weiter die zwei Spuren, die sie heute haben. Plus Radweg! 😀
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Und dass man langsame Strecken im Fahrplan berücksichtigen kann… Schönes Argument. Ja, das geht. Man kann langsame Strecken auch mit extra Fahrzeugen berücksichtigen. Man kann so ziemlich alles berücksichtigen. In Stuttgart berücksichtigt man die Stadtbahnen mit ihren sehr gut ausgebauten eigenen Bahnkörpern durch gute Ampeln, so das sich deren Vorteile bequem ausspielen. Nichts mit “Ach, die Bahnen wurden nach Ende des Konzertes von Pkws blockiert”. Sie wird mit Priorität über Kreuzungen gebracht und muss sich nicht anstellen. Es geht so flüssig und insgesamt schnell.
Das “Sanierungsgebiet Prager Straße” hatte in den 90ern aufgräumt, nach Plänen aus Zonenzeiten. “Entlang der Prager Straße wurde die straßenbegleitende Gründerzeitbebauung Anfang der 1990er Jahre großflächig abgebrochen. Straßenbegleitend wurden neue Bürobauten und andere Gebäude errichtet.” Und: “Die Prager Straße wurde von 14 Metern auf 38 Meter verbreitert. ”
https://www.leipzig.de/bauen-und-wohnen/foerdergebiete/leipziger-osten/sanierungsgebiet-leipzig-prager-strasse
@Tlpz
Die kleine Funkenburg ist sicherlich das bekannteste Beispiel, wenn es um Abriss wegen separaten Gleiskörpers geht.
In der Prager hat man das Chinarestaurant und 1 frisch saniertes Gründerzeithaus abgerissen, um in Probstheida die städtebaulich unzureichende Situation zu schaffen.
Wann genau die Häuser in der Prager zwischen Ostplatz und Alter Messe verschwanden, weiß ich nicht. Der Großteil ist aber sicherlich noch in der Leninstraße verschwunden.
@Sebastian
Im Einzelfall kann es sein, dass die Straßenbahn auf separatem Gleiskörper schneller ist, entscheidend ist aber nicht die Höchstgeschwindigkeit. Im Allgemeinen ist sie es auf separaten Gleiskörpern aber nicht. Das liegt an den zig Ampelanlagen und den entsprechend großen Knoten, die dann notwendig sind. Bei den separaten Gleiskörpern ging es auch nie um die Straßenbahn, sondern um die Beschleunigung des Kfz-Verkehrs. Hintergrund ist die Ölkrise in den 1970ern. Damit die Autos nicht an der lahmen Straßenbahn warten müssen, sollte diese mit dem GVFG ab 1974 separiert werden. Der Blick auf alte und neue Fahrpläne zeigt sehr schön, dass die Straßenbahn auf den neuen Gleisen am Ende nicht schneller ist, teils sogar langsamer. Krassestes Beispiel war Prager Straße Probstheida, wo die 15 auf völlig verschlissenen Gleisen 3 Minuten schneller war. Erst durch die Anpassung der LSA war sie wieder so schnell wie vor dem Umbau – allerdings auf neuen Gleisen. Da hätte man bei deutlich über 10 Mio. Euro Investition schon etwas mehr erwarten können. Ohne Separierung hätte man dort übrigens sowohl eine schnellere Bahn als auch erheblich geringere Eigenmittel benötigt. Für den vierspurigen Ausbau musste man Flächen kaufen, Häuser abreißen und hat heute ein mäßiges Ergebnis. Ohne Fördermittel hätte man im Bestand für ca. 4 Mio. saniert (Stadt + LVB). Mit Fördermittel hat man ca. 5 Mio. Euro Eigenmittel ausgegeben, um die verkehrspolitischen Ziele zu unterwandern.
Bei separaten Gleiskörpern sollte man noch etwas im Hinterkopf haben: Sie sind sehr unfallträchtig. Die Bahnen fahren schnell und können dann nicht mehr rechtzeitig bremsen, wenn dann mal wieder jemand ohne zu gucken nach links abbiegt. Auch immer wieder schön: offene Gleiskörper sind beliebte Landeplätze für zahlreiche Autofahrys. Die Bergung dauert und führt dazu, dass die Bahnen eben nicht störungsfrei fahren können. Und klar nervt es, wenn die Straßenbahn in der Eisenbahnstraße 2 Ampelumläufe benötigt. Das kann man aber auch im Fahrplan berücksichtigen, weil es eine Konstante ist, so lange die Stadt Leipzig die Zufahrt vom Listplatz in Richtung Torgauer Platz nicht auf Pförtnerung umprogrammiert.
Nun, Sebastian, “Mordsbauten” eben wegen des enormen Platzbedarfes und der nachfolgenden städtebauschädlichen Konsequenzen, wie sie bereits durch andere Kommentatoren erwähnt wurden.
Das Hochboard sieht wahrlich grauenvoll aus; aber solch böser Unfug sollte nicht als Vergleich oder Referenz dienen. Bitte immer so gut wie möglich, und nicht so gut wie nötig.
Schlimm finde ich, dass kein Unterschied gemacht wurde. Im Innenbereich einer Stadt ist nun mal von (Mittel-)Alters her kein Platz für separate Straßenbahnschienen gedacht oder reserviert worden.
Da kann man doch bitte auch mal Schienen fördern, ohne separates Gleisbett.
Wie realitätsfern sind solche Fördermittelgeber?
Dort, wo Platz ist: gern ein Rasengleis!
Hallo TLpz,
Von Ihrem Glück oder meinem out-sein kann ich nicht viel nachvollziehen. Eine Bahn, die nicht mit anderen Verkehrsmitteln konkurriert, kommt schneller durch die Stadt. Das nur bei separatem Bahnkörper denkbare Rasengleis bringt Ruhe rein, bindet Stäube und heizt sich über sehr viele Gleismeter (anders als paar kleine hochgejubelte begrünte Wartehäuschen) weniger auf als Asphalt oder Beton. Selbst Regenwasser könnte besser zurückgehalten werden als wenn es bloß über harten Boden abläuft.
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Ist alles bekannt, und wieder mal bleibt nur Politik. Was gewichtet man mehr? Am Ende ist viel Zeitgeist dabei, und keineswegs ein “weiter sein”.
Bahnen werden mit sehr großem Invest gebaut, damit die Leute von A nach B kommen. Wenn sie für ihren entrichteten Fahrpreis X schnell, komfortabel und pünktlich ankommen, spricht sich das rum und mehr Leute nutzen die Bahn.
@Sebastian
Zum Glück ist man da mittlerweile gedanklich schon etwas weiter. Komplette Trassen ohne Mitbenutzung durch andere Verkehrsmittel sind mittlerweile out. Denn sie bringen kaum Mehrwerte gegenüber anderen Bauarten, sind jedoch sehr platzintensiv. Das, was seinerzeit in der Delitzscher Straße gebaut wurde bzw. aufgrund der Fördermittelrichtlinien gebaut werden musste, ist vielleicht kein “Mordsbau”, aber jede Menge toter Raum. Und wenig(er) Platz für andere Verkehrsmittel und Fußgänger.
Wozu taugen eigentlich immer diese seltsamen Bilder? Mordsbau? In Anführungszeichen, also nicht ganz so mörderisch gemeint, aber dennoch gewollt weil eindrucksvoll?
Leute… Guckt euch Städte mit Hochbahnsteigen an, dort gibt’s wirklich invasive Bauten im Stadtbild. Das sind dann wohl Genozidbauten?
https://www.bahnbilder.de/bild/deutschland~strassenbahn~stuttgart-keine-stadtbahn/119246/-stadtbahnausbau-u15—blick-auf.html
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Stadtbahnen, also Trassen ohne Mitbenutzung durch andere Verkehrsmittel, haben enorme Vorteile für den Transport, so wie Hochflurfahrzeuge auch, und bieten gute Argumente um Leute zur Nutzung des ÖPNV zu gewinnen. Man kann das gegen die Nachteile abwägen, aber die Polemik…
Es wurde das Henriette-Goldschmidt-Haus abgerissen: https://www.l-iz.de/bildung/zeitreise/2022/03/ein-verlorener-ort-leipziger-frauengeschichte-vor-22-jahren-wurde-das-henriette-goldschmidt-haus-abgerissen-439496
@Christian
Ja, eine Zeit lang wurden nur separate Gleisbette bei Straßenbahnen gefördert. Mir ist jedoch nicht bekannt, das deswegen irgendwelche Altbautenweichen mussten. In der Friedrich-Ebert-Str. schon garnicht (zumindest nicht zu Nachwendezeiten) und in der Jahnallee lag der Sachverhalt auch völlig anders (Kleine Funkenburg) und hatte keinen Fördermittelbezug.
Ein guter Hinweis, daran dachte ich gar nicht mehr.
Das Diktat war sicher ein indirektes: “Malt ihr Radfahrstreifen, gibt’s kein / weniger Geld.”
Kennen wir das nicht auch beim separaten Ausbau der Straßenbahnschienen? Nur weil es für solche teils verschandelnde “Mordsbauten” Fördermittel gab, wurden diese in jener Art und Weise errichtet.
Dafür durften dann historische Altbauten weichen, weil der Straßenraum sonst nicht gereicht hätte.
Der Fördermittelgeber gab / gibt also Geld, um historische und teils denkmalsträchtige Gebäude zu beseitigen (z.B. Jahnallee, Fr.-Ebert-Straße,…). Absurd.
Eigentlich waren die Radfahrstreifen vom Technischen Rathaus bis zur Grünen Schänke teil der Sanierung Riebeckbrücke im Jahr 2018. Der Fördermittelgeber wollte aber keine Radfahrstreifen auf der Riebeckbrücke, weshalb nun erst nach Ablauf der Fördermittelbindung 2029 die bereits fertig geplanten Radfahrstreifen markiert werden können. Erstaunlich hierbei ist, dass eine Fördermittelbehörde einer Straßenverkehrsbehörde diktiert, was sie zu tun und zu lassen hat. Das geht wohl nur in Sachsen.
Ihr habt übrigens damals auch darüber berichtet: Durch Änderung der Art des Fahrbahnbelages und die Einordnung von _beidseitigen Radfahrstreifen_ wird die Verkehrssicherheit für Radfahrer erheblich verbessert.” https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2018/02/Ab-Juli-wird-endlich-der-alte-Fahrbahnbelag-auf-der-Riebeckbruecke-ausgetauscht-205171