Vielleicht ist es wirklich so, dass wirklich erst eine sachgerechte Entscheidung zum Jahrtausendfeld möglich ist, wenn die abschließenden Ergebnisse des Dialogverfahrens vorliegen. Eines Dialogverfahrens, das mit drei Jahren Verspätung begann und mit einer Überraschung für alle Beteiligten dafür sorgte, dass seit Mai praktisch unvereinbare Positionen aufeinanderprallen. Der Überraschungscoup war, dass hier die Leipzig International School (LIS) einen neuen Campus für bis zu 2.000 Schüler bekommen soll.
Das hatten die Fraktionen von Die Linke und SPD sofort mit einem Antrag thematisiert, der letztlich forderte, das Dialogverfahren zum Jahrtausendfeld zu beenden. Aus Sicht von SPD-Stadtrat Christian Schulze ist es gescheitert. Und auch Linke-Stadtrat Volker Külow sah es so und die Interessen der Anwohner völlig negiert. Auch die Umweltverbände seien ausgestiegen, weil ihre Anliegen kein Gehör gefunden hätten.
Noch mehr Brisanz bekam die Diskussion durch die im April eingereichte Online-Petition „Ein Stadtteilpark für alle! Keine Bebauung des Jahrtausendfelds im Leipziger Westen!“, die inzwischen über 6.000 Unterschriften hat. Auch viele Plagwitzer fühlen sich im Dialogverfahren nicht wahrgenommen.
Dass solche Dialogverfahren nicht einfach sind und manchmal regelrecht zäh, das war zuletzt beim Dialogverfahren zum Matthäikirchhof zu sehen, welches Baubürgermeister Thomas Dienberg trotzdem als vorbildlich bezeichnete, eben weil es völlig kontroverse Ansprüche unter einen Hut brachte. Was nicht heißt, dass das Ergebnis am Ende allen gefällt.
Finale fürs Dialogverfahren ist erst am 18. Juni
Aber wo steht das Dialogverfahren wirklich? Erst am Vortag zur Stadtratssitzung, am 21. Mai, hatte das Zwischenkolloqium zum Dialogverfahren stattgefunden, zu dem auch die beauftragen Entwicklerbüros ihre Entwürfe für die LIS auf diesem Grundstück an der Karl-Heine-Straße vorstellten.
Und während Schulze und Külow das Gefühl hatten, dass der Investor und Grundstückseigentümer, die Stadtbau AG, nicht mehr mit sich reden lasse und alles schon entschieden sei und das gesamte Riesengrundstück mit einem großen Schulgebäude bebaut würde, sahen es die Grünen ganz anders, für die Stadträtin Kristina Weyh dringend dafür warb, das Ende des Dialogverfahrens abzuwarten und die dann vorliegenden Abschlussergebnisse zur Kenntnis zu nehmen.
Denn die kennt noch niemand. Diese Abschlussveranstaltung wird am 18. Juni sein. Und erst danach werden dann die Ergebnisse auch schriftlich für die Ratsfraktionen zur Verfügung stehen.
Und wie Baubürgermeister Thomas Dienberg andeutete, könnte es in der Gestaltung des Grundstücks durchaus noch Veränderungen geben – auch in Hinsicht auf das noch fehlende Grün und die Nutzung von Freiräumen für die Bevölkerung.
Zurück in die Ausschüsse
Hätten sich SPD und Linke mit ihrem Antrag jetzt durchgesetzt, wäre das Dialogverfahren mittendrin abgebrochen worden. Womit übrigens der Stadtratsauftrag von 2021 ebenso torpediert worden wäre, der das Dialogverfahren zur Voraussetzung für das anschließende Bauleitverfahren gemacht hat. Mit dem Antrag von SPD und Linke wäre sofort das Bebauungsplanverfahren in Gang gesetzt worden, von dem sich Schulze und Külow mehr wirksamere Bürgerbeteiligung erwarteten.
Die Grünen hatten eigentlich das Logische daraus beantragt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat nach Abschluss des laufenden Dialogverfahrens Jahrtausendfeld die Ergebnisse vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob ein B-Plan aufgestellt werden muss oder eine Entwicklung ohne Aufstellung eines formalen B-Planes möglich sein kann und wie dies umgesetzt werden könnte.“
So begründete es Kristina Weyh auch am 2. Mai. Was aber die Gemüter nicht besänftigte. Unterstützung für den Grünen-Antrag signalisierte CDU-Stadträtin Sabine Heymann.
Aber da nicht absehbar war, dass einer der beiden Anträge eine Mehrheit finden würde und auch der Verwaltungsstandpunkt keine wirkliche Konfliktlösung vorschlug, machte Dr. Tobias Peter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, den Vorschlag, die Anträge noch einmal zurück ins Verfahren zu verweisen, damit sich alle betroffenen Ausschüsse noch mit den absehbaren Ergebnissen des Dialogverfahrens beschäftigen können.
Dann haben alle Ratsmitglieder wenigstens einen belastbaren Kenntnisstand über das, was das Dialogverfahren gebracht hat, und können dann immernoch entscheiden, ob es auf dieser Grundlage tatsächlich ein B-Planverfahren gibt oder nicht.
Wobei die Debatte eben auch noch einmal deutlich gemacht hat, dass die Ratsmitglieder die Leipzig International School (LIS) nicht einfach als elitären Fremdkörper wahrnehmen sollten. Worauf insbesondere OBM Burkhard Jung hinwies.
Und so kam es, wie es nach solch langen und kontroversen Debatten im Stadtrat eher selten kommt: Eine Mehrheit stimmte mit 36:21 Stimmen für eine Vertagung der Anträge und eine weitere Behandlung in den Ausschüssen. Womit die Ratsversammlung weiter ihre Entscheidungshoheit behält – aber dann wirklich mit einer belastbaren Informationsvorlage über die Ergebnisse des Dialogverfahrens.
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An Dr. Külows und Herrn Schulzes Befürchtungen, daß die Würfel für die Monsterschule gefallen seien, wird genug dran sein, die beschwichtigende Sicht von Frau Weyh und auch Ihnen, lieber Autor, sehr infrage zu stellen!
Und man erkennt den Bündnisgrünen Grundwiderspruch: wenn es gegen parklerende oder auch rollende Autos geht, kann nicht genug mit “Aufenthaltsqualität” und dergleichen Buzzwords, ich sage nur “Flanierquartier”, operiert werden. Wie wäre es, angesichts des Riesenareals “Jahrtausendfeld” einmal konsistent zu denken? Eine Elitenschule, wie schön! Wenn Sie schreiben, lieber Autor “Und wie Baubürgermeister Thomas Dienberg andeutete, könnte es in der Gestaltung des Grundstücks durchaus noch Veränderungen geben – auch in Hinsicht auf das noch fehlende Grün und die Nutzung von Freiräumen für die Bevölkerung.”, frage ich mich, ob Ihnen nicht selbst auffällt, daß Thomas Dienberg, der “Begründer der programmatischen Aufenthaltsqualität”, sich unübersehbar und fundamental widerspricht? Mir voll und ganz!