Null Kommunikation ist auch schlechte Kommunikation. Und deswegen ist der Ärger der Leipziger Umweltverbände – insbesondere des Ökolöwen – über die Asphaltierung eines Stücks Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald im April wohl nur zu berechtigt. Am 22. Mai wurde es dann zum Thema in der Ratsversammlung, weil Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek mit der Antwort aus der Verwaltung zu diesem Vorgang zutiefst unzufrieden war.

Und er blieb es auch hinterher. Denn weder Baubürgermeister Thomas Dienberg, noch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal konnte den Eindruck ausräumen, dass „König Fußball“ im Leipzig höher gewichtet wird als der Schutz des Auwaldes.

Punkt.

Denn genau so ist es. Denn das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege hatte in seiner Antwort eindeutig ebenso festgestellt: „Im LSG Leipziger Auwald sind grundsätzlich alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern, den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild und den Naturgenuss beeinträchtigen oder auf andere Weise dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen (§ 4 Abs. 1 der o.g. Rechtsverordnung). Von den Verboten dieser Verordnung kann die untere Naturschutzbehörde aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses bzw. Gemeinwohls allerdings eine Befreiung erteilen.“

Genau diese diffuse Formulierung nutzte die Untere Naturschutzbehörde (das Amt für Umweltschutz), um RB Leipzig die Ausnahmegenehmigung zur Planierung der Offenlandfläche an der Südwestecke des Stadions zu erteilen, wo die Übertragungswagen zur Fußball-EM aufgestellt werden sollen.

Öffentliches Interesse oder Gemeinwohl?

Überwiegendes öffentliches Interesse ist ein Schwammbegriff.

Die genannte Rechtsverordnung ist die Rechtsverordnung zum Landschaftsschutzgebiet „Leipziger Auwald“. Obwohl da vom öffentlichen Interesse nichts steht, sondern in § 8: „Von den Verboten dieser Verordnung kann die jeweils örtlich zuständige untere Naturschutzbehörde im Einzelfall nach § 53 SächsNatSchG Befreiung erteilen, wenn (…) überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern.“

Das klingt schon ganz anders. Und die Frage steht natürlich: Meint Gemeinwohl eher den Schutz eines sensiblen Naturschutzgebietes oder ein Fußball-Event?

Und dieser Konkretisierung sind auch Dienberg und Rosenthal ausgewichen, auch wenn die Ausnahmegenehmigung wahrscheinlich ganz im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erfolgte.

Was heißt eigentlich Beteiligung der Umweltverbände?

„Im April wurde eine Grünfläche, die zwischen Festwiese und der Südwestseite des Stadions liegt, komplett asphaltiert. Bereits im März 2023 hatte der ansässige Fußballverein RB Leipzig einen entsprechenden Antrag bei der Stadt gestellt, damit dort die TV-Übertragungswagen abgestellt werden können“, hatte die Grünen-Fraktion in ihrer Anfrage festgestellt. „Die Umsetzung der Baumaßnahme erfolgte nunmehr im April. Hierbei handelt es sich auch um einen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald, zu dem nicht nur Wald, sondern auch Offenland und damit Grünland gehört. Für einen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet sind die Umweltverbände zu beteiligen.“

Das ist so auch geschehen, bestätigte Thomas Dienberg. Acht Umweltverbände wurden angeschrieben, fünf haben reagiert. Einer hat der Maßnahme zugestimmt, vier hatten Bedenken oder lehnten das Vorhaben ab. Und sie waren entsprechend verärgert, als im April dann vollendete Tatsachen geschaffen wurden.

Und da wäre man dann im Kommunikationsloch, in der Null-Kommunikation. Weder teilte die Stadt etwas zur Maßnahme mit, noch begründete sie diese oder die Notwendigkeit, hier vor allem die Auflagen der UEFA zu erfüllen.

Das passierte jetzt erst in der Antwort auf die Grünen-Anfrage: „An der Errichtung der TV-Compound-Fläche besteht aufgrund der herausgehobenen Bedeutung der Sportart Fußball für die Sportstadt Leipzig ein besonderes öffentliches Interesse. Durch explizite Vorgaben der FIFA sowie des DFB hinsichtlich Lage, Größe und Ausstattung einer Aufstellfläche für Übertragungswagen im Zusammenhang mit nationalen und internationalen Fußballspielen war die antragsgemäße Errichtung der Fläche zwingend erforderliche Voraussetzung für die (weitere) Teilnahme des ansässigen Fußballvereins an nationalen und internationalen Wettbewerben sowie für die Ausrichtung von Spielen im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2024 in Leipzig.“

Verstreute Ausgleichsmaßnahmen

So weit, so klar. Wenn man UEFA-Spiele in Leipzig haben will, muss man solche Auflagen erfüllen.

Doch wenn das ohne öffentliche Abwägung passiert, wenn dabei ein Stück LSG Leipziger Auwald versiegelt wird, dann erzählt das von einem schlechten Gewissen. Oder von einer Unterschätzung der Tatsache, dass nicht nur die Leipziger Umweltverbände mittlerweile hochsensibel auf jeden Eingriff ins Landschaftsschutzgebiet reagieren.

Weshalb Kasek auch die Antwort zu den Ausgleichsmaßnahmen nicht wirklich genügte. Die Stadt hatte geantwortet: „Kompensationsmaßnahmen sind sowohl im unmittelbaren Umfeld des Bauvorhabens (Heckenpflanzung am Umgrenzungszaun der TV-Compound-Flächen, Gehölzpflanzungen auf einer Fläche nördlich des Bauvorhabens) sowie als externe Maßnahme im Westen von Leipzig (Aufwertungsmaßnamen an einer Grünfläche, kleinräumige Entsiegelung) vorgesehen. Die Kompensationsmaßnahmen sind spätestens in der auf die Fertigstellung des Bauvorhabens folgenden Pflanzperiode zu realisieren. Die gepflanzten Gehölze sind dauerhaft zu erhalten. Wachsen sie nicht an, ist die Pflanzung zu wiederholen. Die untere Naturschutzbehörde ist über die Realisierung der Kompensationsmaßnahmen schriftlich zu informieren. Da das Vorhaben noch nicht abgeschlossen ist, waren auch die Kompensationsmaßnahmen bisher nicht nachzuweisen.“

Das klingt wieder kleinteilig, lauter kleine Maßnahmen, die sich dann im Stadtgebiet verlieren, während 4.800 Quadratmeter Offenland dem LSG nun verloren gegangen sind.

Wie die Stadt dabei abgewogen hat, sollen die Umweltverbände nun im Nachgang erfahren. Ob sie damit froh werden, darf man bezweifeln. Dazu gibt es aktuell zu viele Zugriffe auf die Ränder des Landschaftsschutzgebiets, während die Stadt über die notwendigen Flächen für wirklich wirksame Kompensation nicht verfügt.

Und so sah denn auch Jürgen Kasek nach seinen Nachfragen nicht wirklich glücklicher aus.

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Keine Kommentare bisher

Mir als Laien, lieber Autor, erscheint es so, daß bei diesem Thema doch einige Paradoxa enthalten sind: Das Stadion oder wenigstens die unmittelbare Umgebung ist im “Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald” enthalten? Das ganze Stadion selbst ist das Gegenteil von Landschaftsschutz! Und sind wir eigentlich sicher, daß der ca. halbe Hektar im status ante nicht bereits als versiegelt angesehen werden konnte? In diesem Medium ist ja an anderer Stelle oft davon die Rede gewesen, daß die sog. geschlämmten Wege eigentlich sowieso als versiegelte Fläche betrachtet werden können, so daß eine Asphaltierung des besseren Radverkehrs wegen im Grunde nur Vorteile hätte…

Und daß Sie schreiben “Überwiegendes öffentliches Interesse ist ein Schwammbegriff.” ist insofern lustig, als daß jedenfalls mit der Asphaltierung nunmehr das oft genannte Konzept der “Schwammstadt” konterkariert worden zu sein scheint 😮

Und wenn ich mir überlege, daß das “Jahrtausendfeld” kaum noch eine Chance hat, wenigsten zu größeren Teilen als Park eingerichtet zu werden (was allerdings an Altlasten unter der Mutterbodenschicht liegt, die 2000 vom Flughafenausbau übernommen wurde, weiß eher niemand), sehe ich ein weiteres Paradoxon, wenn auch eher indirekt.

Stimmt es eigentlich, daß der Vorstandsvorsitzende der “Stadtbau AG”, der das “Jahrtausendfeld” dem Vernehmen nach gehört, ein gewisser Patrik Fahrenkamp, zugleich der Vorsitzende des Vorstands der “Stiftung Internationale Bildung Leipzig” ist, die die “Leipzig International School (LIS)” betreibt?

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