Auch wenn Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am Ende den OBM lobte mit den Worten: „Ich sehe, Sie haben es verstanden“, erzählt das Abstimmungsergebnis zum Antrag aus dem Ortschaftsrat Lindenthal „Bekämpfung von Riesenbärenklau in der Ortslage Lindenthal“ wohl eher davon, dass Leipzigs Verwaltung das Thema invasiver Arten in Leipzig vielleicht doch nicht ernst genug nimmt. Und auch noch nicht die richtige Strategie hat, mit gefährlichen Arten wie dem Riesen-Bärenklau umzugehen.
Wer auf der Homepage der Stadt nach Stichworten wie „invasive Arten“ oder „Riesenbärenklau/Riesen-Bärenklau“ sucht, wird nicht wirklich fündig. Vielleicht liegt’s an der Suchmaschine, vielleicht existieren ja entsprechende Seiten irgendwo im Dickicht von leipzig.de. Und es ist ja nicht so, dass das Leipziger Umweltdezernat den gefährlichen Riesen-Bärenklau nicht ernst nimmt. Ab und zu gibt es durchaus medienwirksame Aktionen, bei denen Bestände dieser eingeschleppten Pflanze, die bei Berührung heftige Verätzungen hervorbringen kann, mit Handschuhen und Schutzbekleidung beseitigt werden.
Und recht hat Heiko Rosenthal natürlich auch, wenn er bei dieser Pflanze, die sich längst in ganz Deutschland ausgebreitet hat, von einem generellen Problem spricht.
Doch ein Problem lässt man nicht einfach wachsen, wenn es aus einem Leipziger Ortsteil entsprechende Warnungen gibt. Und die gab es aus Lindenthal schon vor zehn Jahren, wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler am 19. Juni in der Ratsversammlung feststellte. Erst vor fünf Jahren, so Geisler, begann die Stadt, die Pflanze auf städtischen Grund zurückzuschneiden. Das Problem dabei: Die Hauptpopulation der Pflanze stand auf Grund der Deutschen Bahn. Und irgendwie schien es jahrelang nicht zu glücken, bei der Immobilienverwaltung der Bahn die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen.
Das passierte wohl erst, nachdem der Ortschaftsrat Lindenthal nun seinen deutlichen Antrag an die Ratsversammlung geschrieben hatte. Denn da die Bestände auf Bahngelände weiter wuchsen, konnte sich die Pflanze inzwischen auch in andere Leipziger Ortsteile ausbreiten.
Eine nicht zu bändigende Pflanze?
„Seit dem Jahr 2021 tauchten erste Pflanzen Riesenbärenklau in der Ortslage auf, an straßenbegleitenden Grünflächen, am Park am Karl-Marx-Platz, in den Ausgleichsflächen zu den Gewerbegebieten in Seehausen hier im Ort und auch erstmals am Spielplatz in der Lewienstraße. Der Wind bläst die Blütenstände immer wieder aus den Randflächen in die Ortslage und das Problem verschärft sich jedes Jahr mehr“, liest man im Antrag.
„Gespräche mit dem Amt für Stadtgrün und dem Forstamt zeigten eine gewisse Resignation und außer vereinzeltem Abschneiden passierte nichts.
Für uns ist es nicht länger hinzunehmen, dass diese Pflanze die Gesundheit der Bürger gefährdet. Wir wollen anregen eine Lösungsmöglichkeit zu finden, dem ein Ende zu setzen, die Menschen zu schützen, aber auch die heimische Natur zu erhalten.“
Geisler sprach in seine Rede inzwischen auch von Vorkommen in Wahren, Möckern und Stahmeln. Und von einem Anruf aus der Immobilienverwaltung der Bahn vor sechs Wochen, in dem man sich durchaus besorgt nach dem konkreten Standort des Risenbärenklaus erkundigte. Man nahm das Thema dort also gar nicht auf die leichte Schulter. Und letztlich müssen Stadt und Bahn hier zusammenarbeiten, wenn sie die Pflanze irgendwie in Griff bekommen wollen.
Und auch wenn das in der Erklärung von Heiko Rosenthal anders klang, ist Leipzig eben doch verpflichtet, Maßnahmen gegen den Riesenbärenklau zu veranlassen. Auch wenn die Stadt offensichtlich keine nachlesbaren Umsetzungspläne hat. Pläne, die zu erstellen Andreas Geisler nach eigener Aussage schon vor dreieinhalb Jahren beantragte. Damals schon im Schatten der EU-Verordnung zum Umgang mit invasiven Arten von 2014, die ab 2015 Gültigkeit erlangte.
Die EU-Verordnung gilt seit 2015
Der Freistaat Sachsen ließ sich zwar wieder einmal sehr viel Zeit, um diese Verordnung in ein konkretes Landeskonzept umzusetzen. Aber dieses Konzept gibt es seit 2022. Leipzig kann also nicht so tun, als gäbe es noch kein Regelwerk. Und in diesem Landeskonzept steht ebenso konkret, wie mit den aufgelisteten invasiven Arten umzugehen ist.
Der Riesen-Bärenklau fällt unter Artikel 19 der EU-Verordnung, wo ziemlich konkret zu lesen ist: „(1) Innerhalb von 18 Monaten nach der Aufnahme einer invasiven gebietsfremden Art in die Unionsliste verfügen die Mitgliedstaaten über wirksame Managementmaßnahmen für diejenigen invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung, die nach Feststellung der Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet weit verbreitet sind, damit deren Auswirkungen auf die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen sowie gegebenenfalls auf die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft minimiert werden.
Diese Managementmaßnahmen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen auf die Umwelt, sind den besonderen Umständen in den Mitgliedstaaten angemessen, stützen sich auf eine Kosten-Nutzen-Analyse und schließen auch, so weit wie möglich, die Wiederherstellungsmaßnahmen gemäß Artikel 20 ein. Sie werden auf der Grundlage der Ergebnisse der Risikobewertung und ihrer Kostenwirksamkeit priorisiert.
(2) Die Managementmaßnahmen umfassen tödliche oder nicht tödliche physikalische, chemische oder biologische Maßnahmen zur Beseitigung, Populationskontrolle oder Eindämmung einer Population einer invasiven gebietsfremden Art. Gegebenenfalls schließen die Managementmaßnahmen Maßnahmen ein, die das aufnehmende Ökosystem betreffen und dessen Widerstandsfähigkeit gegen laufende und künftige Invasionen stärken sollen.“
Die Stadt müsste also schon von sich aus handeln, wenn Vorkommen von Riesen-Bärenklau gemeldet werden. Das tat sie aber aus Sicht des Ortschaftsrates nicht angemessen, für den Geisler auch in seiner Funktion als Ortsvorsteher sprach.
Zur Not mit Herbiziden
Und so beantragte der Ortschaftsrat: „Der Stadtrat möge beschließen und den Oberbürgermeister beauftragen, mit geeigneten Mitteln das immer weitere Eindringen der Vorkommen von Riesenbärenklau in die Ortslage zu verhindern und die bestehenden Pflanzen zu beseitigen. Sollte die Beseitigung mit herkömmlichen Mitteln durch Ausgraben, Ausstechen oder Pflügen nicht ausreichen, beauftragt die Stadtverwaltung einen zugelassenen Betrieb mit der Bekämpfung mit Herbiziden wie beispielsweise Garlon oder Ranger oder ähnlichen im begründeten Ausnahmefall.
Als weitere Maßnahme möge der Stadtrat beschließen, Gespräche mit der Deutschen Bahn aufzunehmen, von deren Gelände der Sameneintrag in die Ortslage erfolgte und weiter erfolgt, mit dem Ziel, die Ursache ebenfalls zu bekämpfen.“
Das Ordnungsamt erwiderte dann in der Stellungnahme der Verwaltung recht ausweichend: „Der mit dem Antrag durch den Ortschaftsrat Lindenthal vorgebrachte Wunsch zur Beseitigung des Riesen-Bärenklaus wird bereits durch die Stadt Leipzig im Rahmen ihrer Möglichkeiten verfolgt.“
Man habe sogar mit der Deutschen Bahn dazu kommuniziert, betont das Ordnungsamt: „Der ‚Keimherd‘, welcher zuerst zu beseitigen ist, befindet sich jedoch auf Grundstücken der Deutschen Bahn. Als Grundstückseigentümerin trifft diese aufgrund ihrer Sachherrschaft die Rechtspflicht, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen.
Kommt diese ihrer Pflicht nicht nach, kann das Ordnungsamt auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel (§ 12 Abs. 1 Sächsisches Polizeibehörden-Gesetz) die notwendigen Maßnahmen treffen, um diese Gefahren abzuwehren, etwa die Deutsche Bahn zur Beseitigung der Gefahr auffordern. Bei Nichtbeachtung der Aufforderung kann diese mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden.
Allerdings ist es dem Grundstückseigentümer überlassen, auf welche Weise er die Gefahr beseitigt. Konkrete Maßnahmen, z. B. das Ausgraben der Pflanze, können nicht vorgeschrieben werden. Entscheidet sich der Grundstückseigentümer lediglich für das Abschneiden der Pflanzen, birgt dies natürlich das Risiko, dass er später wieder zur Gefahrenbeseitigung aufgefordert wird.
In der Vergangenheit hat das Ordnungsamt die Deutsche Bahn AG anlassbezogen über die auf ihren Grundstücken vorhandenen Vorkommen von Riesenbärenklau informiert und zur Einleitung notwendiger Beseitigungsmaßnahmen mit Terminsetzung aufgefordert. Da die Deutsche Bahn AG der Aufforderung stets zeitnah nachgekommen ist und die Gefahr beseitigt hat, waren keine Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen erforderlich. Diese Verfahrensweise wird das Ordnungsamt auch in Zukunft praktizieren.“
Halbherzigkeit rächt sich beim Riesen-Bärenklau
Irgendjemand hat das Thema also nicht wirklich ernst genommen und die Pflanze immer nur halbherzig beseitigt, was ihre weitere Verbreitung im Leipziger Stadtgebiet begünstigte. Auch wenn die Stellungnahme der Stadt betont: „Schon seit Jahren bekämpfen die Beschäftigten des Bauhofes in Wiederitzsch entsprechend die weitere Verbreitung dieser Pflanze. Es erfolgt eine ständige Kontrolle der dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig zur Pflege überlassenen Flächen. Gefundene Pflanzen werden ausgegraben und entsorgt.“
Aber das betrifft eben den Leipziger Grund und Boden. Während sich die Pflanze – wie Geisler andeutete – vor allem über Bahngelände weiter ausbreitete.
Und so gab es an diesem Tag einmal ein ganz einmaliges Abstimmungsbild in der Ratsversammlung: Die anwesenden Stadträtinnen und Stadträte – 57 an der Zahl – stimmten komplett für den Antrag des Ortschaftsrates, nur OBM Burkhard Jung stimmte dagegen.
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