Das erste Nachspiel zum Feuerwerk mitten in der Brutsaison beim Wasserfest am Bagger in Thekla gab es am 19. Juni im Leipziger Stadtrat. Und es wird nur das erste Nachspiel sein, denn was die Grünen auf ihre Anfrage dazu an Antworten bekommen haben, erzählt von einer Verwaltung, in der die normalen Meldevorgänge schon abreißen, wenn auch nur ein Mitarbeiter im Ordnungsamt mal 14 Tage Urlaub macht. Da bleibt einfach alles liegen. Da war nicht nur Jürgen Kasek berechtigterweise entsetzt.

Und natürlich nervte der Stadtrat der Grünen in dieser Fragestunde am 19. Juni. Denn Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal wich bei seinen Nachfragen immer wieder aus. Auch wenn schon die Antwort der Stadt auf die Grünen-Anfrage deutlich gemacht hatte, dass da im Ordnungsamt gewaltig etwas schiefgelaufen ist.

„Im konkreten Einzelfall ging die Anzeige zum Feuerwerk durch den Pyrotechniker fristgerecht am 03.05.2024 im Ordnungsamt ein“, so die Antwort der Stadt. Aber dann klafft eine gewaltige zeitliche Lücke auf: „Eine Beteiligung anderer Ämter erfolgte am 22.05.2024. Seitens der beteiligten Behörden wurden in der recht knapp bemessenen Frist keine Einwände vorgetragen, weshalb keine weitere Anhörung bzw. die Prüfung eines Abbrennverbotes erfolgten.“

Aber hinter dem „keine Einwände vorgetragen“ steckte noch etwas mehr: Das Amt für Umweltschutz konnte in der kurzen Zeit scheinbar nicht mehr reagieren. Erst am 22. Mai leitete das Ordnungsamt die Anzeige weiter, am 25. Mai war das Wasserfest. Am 23. Mai schlug der NABU Leipzig Alarm. Spätestens da hätte das Amt für Umweltschutz reagieren und das Feuerwerk untersagen müssen. Aber es reagierte nicht.

Vielleicht – wie Rosenthal andeutete – „weil auch die Kollegen nicht jeden Tag in ihren Rechner schauen“. Was natürlich Jürgen Kasek zu der bohrenden Frage brachte, wie die Stadt solche Vorfälle künftig verhindern will. Denn was die Antwort der Stadt zeigt, ist das völlige Versagen von Meldeketten, wenn auch nur ein Ordnungsamtsmitarbeiter mal Urlaub nimmt. Da müsste es dann eigentlich Vertretungen geben.

Ist der Feuerwerker schuld?

Herumgedruckst hat Rosenthal auch bei der Frage, gegen wen die Stadt da jetzt ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat. Da musste SPD-Stadtrat Andreas Geisler direkt aus dem Umweltausschuss plaudern, wo das Thema auch schon ausgiebig behandelt wurde. Und es ist der amtlich zugelassene Feuerwerker, der jetzt das Verfahren am Hals hat. Denn er hätte selbst – dafür ist er ja geprüft – feststellen müssen, dass er im Schilfgürtel am Bagger kein Feuerwerk installieren darf.

Aber das Ordnungsamt hat noch an einer anderen Stelle seiner Antwort herumgeeiert: „Grundsätzlich gilt: Sollte das Amt für Umweltschutz bei Feuerwerken Bedenken anmelden, z.B., weil es sich zu nahe an Brutgebieten befindet, wird der Anzeigenerstatter durch das Ordnungsamt diesbezüglich angehört.

Es kann daraufhin geprüft werden, ob durch eine Änderung z. B. der Effekthöhe oder des Abbrennplatzes, das Feuerwerk störungsfrei stattfinden kann. Ist dies nicht der Fall, gilt es ein Abbrennverbot zu prüfen, insofern die Anzeige nicht vorher zurückgenommen wird.“

Was schlichtweg die aktuelle Beschlusslage im Stadtrat ignoriert. Denn 2020 hat der Stadtrat ganz offiziell beschlossen: „Vollständiges Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in öffentlichen Park- und Grünanlagen sowie Natur- und Landschaftsschutzgebieten.“ Der Bagger liegt mitten im Landschaftsschutzgebiet Partheaue-Machern. Hier hätte sich auch schon in den Vorjahren ein Verbot jeglichen Feuerwerks ergeben müssen.

Hat auch das Amt für Umweltschutz gepennt?

Womit die Frage auf dem Tisch liegt, ob das Leipziger Ordnungsamt hier auch in den Vorjahren schon die Regeln ignoriert hat und ein Feuerwerk genehmigt hat, das nicht hätte genehmigt werden dürfen. Denn wenn das so ist, wurde der Stadtratsbeschluss von 2020, der wenigstens die schlimmsten Auswüchse von Feuerwerken eindämmen wollte, völlig entkernt.

Und das Ordnungsamt genehmigt nach wie vor dutzende Feuerwerke außerhalb des Silvesterfeuerwerks, wie man der Antwort an die Grünen entnehmen kann: „Es gingen dieses Jahr bisher 17 Anträge von Privatpersonen beim Ordnungsamt ein. Davon konnte eine Genehmigung erteilt werden, 13 haben ihren Antrag zurückgezogen und drei Verfahren sind noch anhängig. Das genehmigte Feuerwerk betraf das Asiatische Neujahresfest in der Halleschen Straße.

Es gingen zudem 17 Anzeigen von Pyrotechnikern ein, von denen drei zurückgezogen haben, fünf Verfahren noch andauern und neun Anzeigen nicht untersagt wurden. Diese neun Veranstaltungen fanden/finden an folgenden Standorten statt:

Heuweg 8, 04159 Leipzig
Pfarrgartenstraße/An der Trift, 04288 Leipzig
Am Sportforum 1, 04105 Leipzig
Torgauer Straße 246, 04347 Leipzig
Theklaer Straße 150, 04349 Leipzig
Albersdorfer Straße 17, 04249 Leipzig
Leipziger Straße 124, 04178 Leipzig
Hacienda Cospuden, Lauerscher Weg, 04249 Leipzig
Schwarzenbergweg 4, 04289 Leipzig.“

Und das Verblüffende ist: Der Heuweg 8 – eine Kleingartenanlage – liegt im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald. Ebenso die Hacienda Cospuden. Das heißt: Das Ordnungsamt hat noch zwei weitere Male gegen einen gültigen Stadtratsbeschluss verstoßen. Ob das Amt für Umweltschutz davon überhaupt erfuhr, erfährt man aus der Antwort des Ordnungsamtes nicht.

Aber die Antwort genauso wie das Agieren von Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal als auch von OBM Burkhard Jung, der die Debatte unterbinden und in den Umweltausschuss verweisen wollte, zeugen davon, dass die Verwaltung hier wirklich falsch agiert. Ob absichtlich oder aus lauter Schlamperei, das war in dieser Fragestunde natürlich nicht zu klären.

Und die Antwort macht auch deutlich, dass das Amt für Umweltschutz nicht einmal dann reagierte, als der NABU Leipzig Alarm schlug. In der Antwort heißt es: „Generell ergingen durch die Stadt Leipzig im Vorfeld des Wasserfestes Hinweise u. a. im Zusammenhang mit dem auf dem Gelände befindlichen geschützten Biotop Streuobstwiese und den Anforderungen zum Schutz von Biotopen und Brutvögeln im Veranstaltungsbereich.“

Da ist Kaseks beharrliche Nachfrage, wie die Verwaltung so etwas künftig verhindern will, nur zu berechtigt. Nur genau dieser Frage wichen Rosenthal und Jung ebenso beharrlich aus.

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Es gibt 2 Kommentare

Vielen Dank für den HInweis. Wir haben es geändert.

@Ralf Julke es gibt (gewichtige) Unterschiede zwischen Landschaftsschutzgebieten und Naturschutzgebieten. Das nur mal am Rand, weil keine der genannten Adressen in NSG liegt, sondern in LSG. Wenn man schon so oft über solche Themen schreibt, sollte man solche Begrifflichkeiten nicht vertauschen.

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