Es gibt derzeit gleich mehrere Bauplanungen, die auch ins Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald hineingreifen. Der ganz gewöhnliche Bewohner dieser Stadt geht natürlich davon aus, dass in Landschaftsschutzgebieten nicht gebaut werden darf. Aber deutsche Gesetze sind so ausgelegt, dass Naturschutz bis heute nur ein „weicher“ Einflussfaktor ist. Und so bekamen die Grünen auf eine Anfrage zu diesem Thema nur lauter ausweichende Antworten aus dem Stadtplanungsamt.
Die man wieder versteht, wenn man sich die ganzen Gesetzestexte durchliest und all die schwammigen Aussagen zu Ausnahmegenehmigungen auch in Naturschutzgebieten, die für jeden Bauherren Tür und Tore öffnet, hier trotzdem zu bauen. Auch dann, wenn die Umweltverbände verzweifeln, weil ihnen jedes Mittel genommen ist, solche Bauvorhaben zu verhindern – wie gerade erst bei einem Bauprojekt am Auensee, das beim Leipziger Ökolöwen regelrecht Entsetzen ausgelöst hat.
Die Grünen-Anfrage wirkte freilich im Einleitungstext etwas konfus, der eigentlich ein völlig anderes – aber genauso brisantes – Thema aufgriff: „Aktuell arbeitet die Stadtverwaltung an der Aufstellung eines Auenentwicklungskonzepts mit dem Ziel der Wiederherstellung einer natürlichen Auendynamik. Dabei ist ein entscheidender Punkt, dass insbesondere die bisherigen Flussläufe im Auwald und die Gerinne wieder dauerhaft mit Wasser bespannt und Deiche zurückgebaut werden.
Ein wesentlicher Schwerpunkt ist dabei auch die Lösung des Problems der Neuen Luppe, die aktuell als Drainage der Nordwestaue wirkt und durch die unter dem Grundwasserspiegel liegende Flusssohle, die Nordwestaue künstlich entwässert und damit das Problem verschärft.“
Es wird immer noch im potenziellen Überschwemmungsgebiet gebaut
Aber in den Fragen ging es dann tatsächlich um die geplanten Bauvorhaben im und am LSG Leipziger Auwald. Auch um das am Auensee. Und auch um das Bauen im Hochwasserschutzgebiet, vor dem die Landestalsperrenverwaltung erst im Januar – nach den verheerenden Hochwassern in Norddeutschland – gewarnt hatte.
Jetzt erlebt gerade Bayern, wie schnell die Starkregenereignisse mit dem Klimawandel auch dort Flüsse und Bäche überlaufen lassen. Aber in Leipzig ist die Botschaft ganz offensichtlich noch nicht angekommen. Da genügt ein Blick auf die Hochwassergefahrenkarte der Stadt Leipzig, um zu sehen, dass das geplante Wohngebiet am Auensee zum großen Teil im Hochwassergefahrenbereich liegt.
Aber während die Landestalsperrenverwaltung davor warnt, dort zu bauen, setzt die Stadt darauf, dass die Bauherren die Überschwemmungen schlicht mit einplanen.
Das Stadtplanungsamt schreibt dazu: „Geplante Bauvorhaben werden intensiv unter dem Gesichtspunkt der Auenentwicklung betrachtet, damit die Rahmenbedingungen zur Wiederherstellung auentypischer Wasserverhältnisse bei aktuellen Maßnahmen berücksichtigt bzw. offengehalten werden (siehe Beschluss-Nr. VII-A-00516-ÄA-02 Auwaldentwicklungskonzept erstellen).
Darüber hinaus wird für bestehende Bebauungen der Hochwasserschutz sichergestellt. Sollten Nutzungskonflikte nicht lösbar sein, ist im Sinne eines gesamtstädtischen Ansatzes eine Verlagerung zu prüfen.
Die betreffenden Flächen befinden sich zumeist bereits jetzt im festgesetzten Überschwemmungsgebiet, in denen entsprechende Maßgaben (§ 78 Wasserhaushaltsgesetz) zu beachten sind. Zudem ist gemäß § 5 Wasserhaushaltsgesetz jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen.“
Und das im Jahr 2024, in dem nun eine Reihe von Hochwassern auch in Deutschland gezeigt hat, dass in potenziellen Hochwassergebieten wirklich nicht gebaut werden sollte.
Die großen Löcher im Baugesetzbuch
Aber auch am Auensee sieht sich die Stadt nicht in der Lage, die Bauplanungen zu stoppen.
„Wie schätzt die Stadt Leipzig den Neubau von Wohnungen zwischen Weißer Elster und Auensee ein, welche im Vogel- und Landschaftsschutzgebiet und im Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster liegen?“, hatten die Grünen gefragt.
Und die Antwort dürfte auch für den Leipziger Ökolöwen ernüchternd und ziemlich entmutigend sein: „Geplante Bauvorhaben werden im Rahmen des Bauantragsverfahrens hinsichtlich aller öffentlich-rechtlichen Anforderungen geprüft, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der umweltrechtlichen Belange. Hierbei ist das Umweltamt maßgeblich beteiligt.
Die umweltrechtlichen Maßgaben werden in Baugenehmigungsverfahren und in der Bauleitplanung eingebracht und sind entsprechend der rechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen bzw. umzusetzen. So sind bauliche Anlagen bspw. hochwasserangepasst zu bauen und ein Verlust von Rückhalteraum ist umfang-, funktions- und zeitgleich auszugleichen.
Die Naturschutzbehörde prüft Neubauvorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB zwischen Weißer Elster und Auensee auf Grundlage der eingereichten Antragsunterlagen und bewertet nach geltenden Rechtsvorschriften der Schutzgebietskulisse und des Artenschutzrechts.“
§ 34 im Baugesetzbuch betrifft die „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“, mit der dann auch neue Baugebiete definiert werden können, die irgendwie gleich ans gebaute Ortsbild anschließen. Aber das Stadtplanungsamt zitiert auch den § 35, der das „Bauen im Außenbereich“ definiert. Und das betrifft eben auch Naturschutzgebiete, in dene normalerweise nicht gebaut werden darf.
„Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen“, heißt es da. Und: „Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben (…) Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet (…).“
Es gibt also Interpretationsspielraum, den städtische Planungsbehörden aber ungern nutzen, denn die gesetzlichen Regelungen sind so schwammig formuliert, dass es Investoren in der Regel leicht fällt, dann juristische Mittel einzulegen. Das ist zwar alles unvernünftig und im Angesicht der zunehmenden Wetterextreme unverantwortlich. Aber das spiegelt das deutsche Baurecht eben nicht wider, das eher darauf angelegt ist, noch mehr Landschaft zu verbauen und Flächen zu versiegeln. Zeitgemäß ist das Gesetz jedenfalls schon längst nicht mehr.
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