Vollmundig verkündet der Bürgerverein Leipzig Nordost auf seiner Website „Das sind unsere Ziele: Verringerung von Lärm und anderen Umweltbelastungen … Förderung des Naturschutzes und der Landespflege …“ Doch wenn der NABU Leipzig den Vereinsvorsitzenden Falk Dossin, der für die CDU auch im Stadtrat sitzt, bittet, auf ein Feuerwerk mitten in der Brutsaison am Bagger zu verzichten, gibt der Verein sich kompromisslos. Das Feuerwerk fand statt. Mit genau den Folgen, die der NABU befürchtete.

Im Rahmen des Wasserfestes am Baggersee Thekla gab es in der Nacht des 25. Mai wieder ein Feuerwerk. Zuvor, bereits am 6. Mai, hatte der NABU Leipzig die verantwortlichen Planer des Bürgervereins Leipzig Nordost darauf hingewiesen, welche Auswirkungen ein Feuerwerk auf nachgewiesene Brutstätten geschützter Arten wie Teich- und Blässhuhn, Graugans und Schwan hat.

Auf mehrmalige Nachfragen gingen die Organisatoren erst am 23. Mai – zwei Tage vor dem Fest – per E-Mail ein, in der sie mitteilten, an dem Feuerwerk kompromisslos festzuhalten. Auch Mitglieder der NABU-Gruppe Partheland hatten versucht zu sensibilisieren.

Was am 25. Mai geschah

Am Abend des Feuerwerks boten sich den Zeugen der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig dramatische Szenen, berichtet der NABU. Das Feuerwerk, das 23 Uhr gleichzeitig auf dem Volleyballfeld am Ostufer und zusätzlich direkt auf dem Wasser nur wenige Meter vom Ostufer entfernt startete, schreckte das dort brütende Schwanenweibchen auf.

Der Vogel verließ das Nest und flüchtete zur gegenüberliegenden Seite des Sees. Ein Entenpaar mit fünf Jungtieren schwamm panisch ans Nordufer, an dem es aufgrund der Menschenmassen nicht aus dem Wasser fliehen konnte. Dutzende Singvögel flüchteten aus dem Gebiet, einige davon sichtbar in Richtung Wohngebiet über die Straße.

Wenn die Altvögel ihre Nester verlassen, kühlen Eier und unbefiederte Jungvögel aus. Nicht umsonst gibt es gemäß Bundesnaturschutzgesetz ein Störungsverbot zur Brutzeit, stellt der NABU fest. Nach dem Ende des zehnminütigen Feuerwerks, das mit extremem Lärm und Druckwellen einherging, senkte sich dichter Rauch über den gesamten See.

Bei einer Begehung der Theklaer Straße fand sich ein sterbender Buntspecht, der aufgeschreckt über die Straße geflohen war. Der junge Specht war noch körperwarm, hatte sich also kurz zuvor verletzt. Eine gemeinsame Begehung mit dem Bürgerverein kam leider nicht zustande, daraufhin hat der NABU Leipzig per Mail mitgeteilt, dass es ein dringendes Anliegen ist, in eine schnelle Aussprache über die Tierquälerei zu kommen.

Feuerwerke haben in geschützten Biotopen nichts zu suchen

Unerklärlich ist für die Naturschützer, warum zwischen den dichten Gehölzflächen und nah am Schilf ein Feuerwerk stattfinden kann, denn Schilfgürtel gehören zu geschützten Biotopen. Zudem ist die Störung von Nist- und Schlafplätzen der geschützten Tiere gesetzlich verboten. Weitere Wasservögel, wie das streng geschützte Teichhuhn, haben hier im Schilf ihre Brutplätze. Am Tag nach dem Feuerwerk waren die Teichhühner nicht mehr zu sehen. Eine Blässhuhnfamilie hatte am Abend vor dem Feuerwerk noch fünf Jungvögel, am Morgen danach waren es nur noch vier.

Aktive des NABU Leipzig sind täglich vor Ort und beobachten die Tiere.

Der NABU bedauert sehr, dass seine Bemühungen für die Suche nach Kompromissen im Vorfeld nicht angenommen wurden. Trotz des Vertrauensverlustes stünden die Naturschützer weiterhin für Gespräche zur Verfügung. Der NABU werde die Naturschutzbehörde, das Ordnungsamt, das Veterinäramt, die Fraktionen im Stadtrat und den Tierschutzbeirat der Stadt Leipzig informieren, in der Hoffnung, dass solche Spaßveranstaltungen künftig nicht mehr solche Folgen für die Tier- und Umwelt haben.

Der NABU appelliert an alle Veranstalter von Festen: Feiern ja, aber mit Rücksicht auf Tiere und Umwelt! Der NABU bittet alle, auf Feuerwerk grundsätzlich zu verzichten. Außer im Umfeld von Silvester sind alle Feuerwerke genehmigungspflichtig – warum Behörden so oft solche Ausnahmegenehmigungen erteilen, ist unverständlich, stellt der NABU fest.

Zu Vogelniststätten, Fledermausquartieren und Schutzgebieten ist ein Mindestabstand einzuhalten, der gewährleistet, dass die Tiere und ihre Fortpflanzung nicht gefährdet werden. Zur Brutzeit von März bis August sollte Feuerwerk grundsätzlich nicht erlaubt werden, insbesondere nicht in einem naturnahen Umfeld.

Der NABU fordert deutschlandweit ein Verbot privater Silvesterknallerei und eine Beschränkung auf zentral organisierte Feuerwerke. Außerdem brauche es ein grundsätzliches Verbot von Feuerwerken in der Brutzeit von März bis August, für das nur durch ein fachliches Gutachten Ausnahmen erteilt werden dürfen. Ferner sollten Abstände von mindestens zwei Kilometern zu Schutzgebieten und vier Kilometern zu Kranich- und Gänseschlafplätzen eingehalten werden.

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Es gibt 6 Kommentare

@Christian. Allgemein ist die UNB ziemlich beratungsresistent. Aber man kann eine Anfrage an umweltschutz[at]leipzig.de als Bürger richten mit Verweis auf das UIG = Umweltinformationsgesetz und um die Datenlage zu dem Vorgang anfordern. Man sollte aber schreiben, dass man davon ausgeht, dass es sich um eine einfache und somit kostenfreie Information handelt. Wenn sich aus der Antwort ergibt, dass die UNB informiert war und versagt hat, kann man weitersehen, z.B. mit einer Beschwerde an die Landesdirektion.

Das Ordnungsamt war ja in verschiedenen Stadtteilen auch oft nicht zu sehen und kam seinem Auftrag nicht nach. Mittlerweile hat sich das ja etwas gebessert, aufgrund öffentlichen Drucks.
Funktioniert das vielleicht auch bei der UNB?
Kann man gegen diese “Behörde” klagen oder bei der LD wegen vorsätzlicher Dysfunktion protestieren?

Ich gehe mal davon aus, dass auch die untere Naturschutzbehörde davon wusste. Angesichts der Fallkonstellation hätte sie das dann natürlich verbieten müssen (Artenschutzrecht). Es ist aber allzu bekannt, dass der Artenschutz der Behörde am A… vorbei geht.

Verantwortliche der Stadt und 90% der Bevölkerung geben ein Fi** auf Natur und Umweltschutz. Aber was tun? Petitionen schreiben, die Grünen wählen? Hat leider nichts gebracht.

Feuerwerke sind ein Anachronismus. NABU sollte jede Genehmigung gerichtlich prüfen lassen und ggf. den Genehmiger zur Verantwortung ziehen, wenn wie hier Tiere zu Schaden kommen.

Meiner Meinung nach haben auch die Durchführenden eines Feuerwerks hier eine Verantwortung und sollten entsprechend belangt werden.

Man kann auch im Gleichklang neben Dossin benennen, dass Torsten Bonew (seines Zeichens Finanzbürgermeister der Stadt Leipzig) und auch dessen Freundin/Frau Anja Schöpe (lt. LinkedIn Abteilungsleiterin bei der Stadt Leipzig und vormals lt. Lvz-Artikel beim Ordnungsamt tätig) eine Verbindung zur Kommunalverwaltung besitzen – insofern verwunderlich, dass das Wasserfest mit Auftritten von Kretschmer und Co. wie ne Wahlkampfveranstaltung wirkte.

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