Es ist ein Ärgernis. Einige Leipziger Autobesitzer sind tatsächlich der Meinung, sie könnten und müssten mit ihrem fahrbaren Untersatz überall hinfahren, auch wenn es untersagt ist. Das war in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Thema von Grünen-Anfragen im Leipziger Stadtrat insbesondere auf den Leipziger Auwald bezogen, speziell auf Nonnenweg und Neue Linie. Kontrollen bestätigen, dass es die Verstöße gibt. Aber sie sind auch das bisher einzig sinnvolle Mittel.
„Mit Beschluss des Stadtrates (VII-A-02061) vom 24.03.2021 wurde beschlossen, dass eine Lösung zur Unterbindung des Befahrens der Neuen Linie mit KfZ durch Unberechtigte, unter Einbezug u.a. der AG Rad und des Nutzers des Sportplatzes geprüft und dem Stadtrat bis Ende des 2. Quartals 2021 das Ergebnis vorgelegt wird“, hatte die Grünen-Fraktion in ihrer Anfrage festgestellt.
„Hintergrund sind die Einfahrten durch Autos im Bereich der Neuen Linie Richtung LVB-Sportplatz.“
Am 9. Februar 2022 gab es dann zwar einen Bericht zur Umsetzung, in dem zeitnah eine Informationsvorlage in Aussicht gestellt wurde.
„Bislang ist dies noch nicht geschehen“, so die Grünen. „Seit kurzem gibt es auch einen Antrag im Rahmen des Stadtbezirksbudget Süd, in diesem Bereich Poller aufzustellen (Vorgangsnummer: 328122). Auch ist weiterhin zu konstatieren, dass insbesondere am Wochenende vermehrt Autos in diesen Bereich einfahren, um zum Sportplatz zu gelangen.
Auch im Bereich des Nonnenwegs ist immer wieder das verkehrswidrige Abstellen von Fahrzeugen zu konstatieren, die zum Teil auch jenseits der asphaltierten Straßen halbseitig auf dem Waldboden geparkt werden.“
Hunderte registrierte Verstöße
Doch Poller wird es nicht geben. Es ist wie so oft im Leipziger Verkehrsgeschehen, dass das egoistische Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer nicht durch radikale Maßnahmen unterbunden werden kann, weil deren Folgen für die anderen Verkehrsteilnehmer nachteilig wären.
Das betrifft auch den Nonnenweg, der an manchen Wochenenden mit Kfz an beiden Seite bis zum Sportplatz zugeparkt ist, obwohl die Autos dort überhaupt nicht einfahren dürfen.
„Die vorhandene Beschilderung (im Nonnenweg Verkehrszeichen 240 – Gemeinsamer Geh- und Radweg mit Zusatzzeichen ‚Lieferverkehr frei‘, in der Neuen Linie Verkehrszeichen 260 – Durchfahrtsverbot für Kraftfahrzeuge) lassen den privaten Kraftfahrzeugverkehr auf beiden Wegen nicht zu“, bestätigt das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA).
„Für die Neue Linie wurden lediglich vier Ausnahmegenehmigungen für die Betreiber der Sportanlage des SG LVB e. V. ausgegeben. Trotz des beschilderten Verbots einfahrende private Nutzer handeln somit in Kenntnis und bewusst ordnungswidrig.“
Die Sichtweise der Grünen ist also richtig. Und den Missstand hat auch die Verwaltung schon registriert, wie das VTA ebenfalls bestätigt: „Im Nonnenweg/Anton-Bruckner-Allee wurden im Jahr 2023 bei 91 Kontrollen 622 Ordnungswidrigkeiten angezeigt, in der Neuen Linie wurden im selben Zeitraum bei zwölf Kontrollen 46 Ordnungswidrigkeiten angezeigt.“
Die Zahlen machen das Ausmaß der Verstöße an beiden Waldwegen deutlich.
„Außerdem werden die genannten Bereiche von den Bediensteten des Stadtordnungsdienstes regelmäßig bestreift, da auch andere Themen, wie z.B. offenes Feuer, die illegale Entnahme von Bärlauch oder weitere unerwünschte Verhaltensweisen, seitens des Ordnungsamtes in den Blick genommen werden“, erklärt das VTA.
Schwächere Verkehrsteilnehmer werden gefährdet
Und aus Sicht der Stadt ist das verbotene Befahren der Waldwege eben nicht nur ein Verkehrsdelikt, sondern auch eine echte Gefahr für die nichtmotorisierten Nutzer.
„Durch den gestiegenen Nutzungsdruck in allen Grün- und Erholungsanlagen der Stadt erhöht sich naturgemäß auch das Konfliktpotential zwischen den verschiedenen Nutzergruppen. Beide Bereiche werden in sehr großem Umfang durch Fahrradfahrer und Fußgänger (auch Kinder) genutzt.
Durch Kraftfahrzeuge, die diese Wege unberechtigt zum Befahren oder Parken nutzen, kann hier stets ein Konflikt- oder Gefahrenpotenzial für berechtigte Nutzer wie Radfahrer oder Fußgänger entstehen, ohne dass durch die Verwaltung das Ausmaß konkreter Gefährdungen, insbesondere durch fahrende Kfz, benannt werden kann“, beschreibt das VTA das Problem.
Aber was tun? Das war ja die eigentliche Frage der Grünen.
„Das verbotswidrige Befahren durch private Kraftfahrzeuge im Bereich Neue Linie als auch im Nonnenweg lässt sich, wie die Fallzahlen auch zeigen, nicht vollständig durch die Verkehrskontrollen der Außendienstmitarbeiter der Verkehrsüberwachung unterbinden. Diese können lediglich im jeweiligen Areal abgestellte Fahrzeuge ordnungsrechtlich anzeigen“, gesteht das VTA die begrenzten Möglichkeiten durch ordnungsamtliche Kontrollen fest. Aber viel mehr werde auch nicht sinnvoll sein. Auch nicht auf der Neuen Linie.
Entwidmung löst das Problem nicht
„Die Neue Linie ist als beschränkt öffentlicher Weg gewidmet. Er dient u.a. der Erschließung des Sportgeländes der LVB sowie der dort ansässigen gastronomischen Einrichtung ‚Caracan‘. Als Teil des HauptnetzRad (IR II-Verbindung) und Teilabschnitt des Elsterradwegs im SachsenNetz Rad besitzt er zudem eine große Bedeutung für den Radverkehr“, so das VTA.
Aber eine Entwidmung würde neue Probleme mit sich bringen: „Durch eine Entwidmung der Neuen Linie würde die Andienung und Versorgung des LVB-Sportgeländes und der Gastronomie unterbunden und somit erheblich erschwert. Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen wäre nach § 46 Abs. 1 StVO unmöglich, da Ausnahmegenehmigungen vom Gesetzgeber nicht für den Regelbetrieb, sondern nur für besondere Einzelfälle vorgesehen sind. Demnach ist eine Entwidmung weder möglich noch zielführend.“
Und auch Poller haben ihre Nachteile, so das VTA: „Poller können die Durchfahrung des Weges mit Kfz verhindern. Für den Radverkehr stellen sie jedoch in der Dämmerung/Nacht für die Sicherheit des Radverkehrs einen erheblichen Eingriff dar. Zusätzliche Beleuchtungsanlagen wären notwendigen, werden jedoch im Umfeld des Auwalds mit Verweis auf den Lichtmasterplan der Stadt sowie die naturschutzrechtlichen Belange des Auwalds äußerst kritisch gesehen.
Erfahrungsgemäß sind Poller zudem einem hohen Vandalismus- und Verlustrisiko ausgesetzt und werden nach der Entnahme durch Berechtigte oft auch nicht (zeitnah) wieder eingesetzt. Im Ergebnis bestünde kein Unterschied zum Status Quo und die Maßnahme würde keine Wirkung entfalten. Auch versenkbare Poller wurden diskutiert, diese stellen jedoch in Hinblick auf den technischen Aufwand sowie die hohen (Unterhaltungs-)Kosten keine adäquate Lösungsmöglichkeit dar.“
Da helfen nur noch Baumstämme
Aber eine mögliche Lösung hat das Verkehrs- und Tiefbauamt trotzdem noch in petto, wie es im Fazit für die Grünen-Anfrage feststellt: „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass dem Problem unberechtigten Befahrens mit diesen Mitteln nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder unpraktikablen Mitteln begegnet werden könnte. Eine Entwidmung bzw. Pollerlösung würde eine Verschlechterung der derzeitigen Situation, v.a. in Hinblick auf die Erschließung der Sportgelände sowie des Unfallrisikos für den Radverkehr auf den hochfrequentierten Routen, darstellen.
Für die Neue Linie wird daher nun geprüft, ob durch die Sicherung der unbefestigten Randstreifen und Flächen vor dem Sportplatz der SG LVB, z.B. mittels Baumstämmen, die nicht legalen Parkmöglichkeiten der Befahrbarkeit entzogen werden. So könnte ein unberechtigtes Einfahren in die Neue Linie zurückgedrängt werden, wenn deutlich wird, dass auch keine illegalen Abstellmöglichkeiten mehr verfügbar sind.“
Das wäre dann eigentlich auch für den Nonnenweg eine nahe liegende Lösung.
Es gibt 5 Kommentare
Der Mikroplastikabrieb der Fahrräder und Schuhe dürfte deutlich höher sein, diese sollten auch aus dem Auwald verbannt werden.
Wem es zu wenig Autos im Auwald sind, gerne mal Nachmittags an der Baustelle Klingerweg/Nonnenweg schauen. Da drängeln sich hunderte Muddis und Vaddis durch, damit die armen Kinder nicht schon vor dem Training ein paar Meter laufen müssen
Die Idee mit den Strohballen (Stadtparkrennen) anstatt geparkter Autos finde ich ja mal kreativ.
So 40cm hohe Pressballen, die eine Rettungsgasse/Fahrradstraße in der Mitte, begrenzen, da könnten auch Kinder beim Queren drüber schauen und hätten einen Aufmersamkeits-Stoppunkt.
PS: Als ich Ende der 60er mit meinem Dreirad da lang fuhr, war die damals noch so genannte Rennstrecke, der heutige Nonnenweg, wesentlich breiter.
Und Autos fuhren da nicht.
Den Eichen hat ein mehrmonatig sprudelnder Wasserrohrbruch am Anfang der Industriestraße Mitte der 1970J. sehr gut getan. Von der Industriestraße bis zum Spielplatz war da in dem Winter ein gefrorener See.
So Trinkwasser verschwendend muss man ja jetzt der Natur als unserer Lebensgrundlage, ja nun nicht unbedingt “helfen”.
Aber ein Verständnis, dass Umweltschädigendes nicht in den Wald gehört, auch wenns “nur” Reifenabrieb also Mikroplastik ist,
sollte man dem Menschen schon aus “egoistischem” Überlebenswillen zugestehen.
Mir gefällt, lieber Autor, das berichtete Dilemma, daß hier also bauliche Restriktionen – anders als oft genug an anderer Stelle – als nicht geeignet erscheinen, sehr gut. Wie wäre es zudem, einmal anzuerkennen, daß man, metaphorisch gesprochen, das Durchhängen eines Seils leider nur mit unendlich großer Zugkraft verhindern kann? Da wünsche ich allen Beteiligten noch viel Freude beim engmaschigen Bestreifen des Nonnenwegs 24/7! Und hoffen wir fest, daß die avisierten Baumstämme, mit denen man die Falschparkierer gesamthaft vergrämen will, gleich im Auwald geschlagen werden können. Was für eine Win-Win-Situation!
Mir ist in eigentlich keine Gelegenheit in Erinnerung, zu der ich auf dem Nonnenweg nennenswert viele Kfz hätte angetroffen. Angesichts dessen, daß hier einstmals die https://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Stadtparkrennen abgingen, könnte man auch mal die Heutzeit mit den 1950ern ins Verhältnis zu setzen versuchen. Mein Lieblingspunkt auf der vormaligen Rennstrecke ist übrigens die leicht überhöhte “Kurve der Freiheit”, die ziemlich genau zwischen den Nonnenweg-Zugängen von Industrie- und Rödelstraße liegt. Ich nehme an, da hatten die Boliden einstmals 150km/h drauf…
Warum wird dann nicht auch die Zustände an der Koburger Brücke thematisiert.
Das Problem der verschwindenden oder durch Unberechtigte genutzten Poller kennt man ja aus Anger-Crottendorf…
Allerdings gibt es doch “Poller” (auf Parkplätzen), die man einfach umklappen kann!
Die würden jedenfalls nicht verloren gehen.
Mal daran gedacht, liebes VTA?
Und eine Laterne mit LED und PV würde doch bestimmt ausreichend beleuchten?