Sieben Jahre ist es her, dass an der Ecke Hähnelstraße/Aurelienstraße eine kleine urbane Grünfläche gerettet wurde, ein sogenannter „Pocket Park“. Weshalb die kleine grüne Insel auch bei den Lindenauern den Namen Westentaschenpark bekommen hat. Die Attraktion auf diesem Platz war – neben der über 100 Jahre alten hohen Linde – das „Stadtsofa“, das vom Connewitzer Künstler Daniel Schenk gestaltet wurde. Doch nach sieben Jahren war es dringend reparaturbedürftig.

Natürlich, weil es so beliebt war und deshalb auch viel genutzt – ein einladender Ruhepunkt mitten im dicht bebauten Stadtquartier. Hier wurde gelesen, gechillt, gepicknickt.

2017 hatte das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig (ASG) in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) den kleinen Westentaschenpark neu gestalten lassen. Wo vorher Wildwuchs, eine kaputte Bank und die Nutzung als Hundeklo das Bild bestimmten, ist ein kleiner Park entstanden, der bezaubert.

Dabei fällt auch die ungewöhnliche Pflasterung der Wege auf, bei der unterschiedliche, neue und alte Materialien miteinander kombiniert wurden. Das Pflastermaterial ist Restmaterial aus den Lagern der Stadt, das hier zu einem liebevoll zusammengewürfelten Muster verbaut wurde.

Zu sehen ist der Westentaschenpark in der Hähnelstraße/Ecke Aurelienstraße. Foto: Ralf Julke
Der Westentaschenpark in der Hähnelstraße/Ecke Aurelienstraße. Foto: Ralf Julke

Und gekrönt wurde das Ganze durch die farbig geflieste poetische Sitzskulptur von Daniel Schenk, dessen Künstlername Califax sich gut merken lässt. Denn er ist auch an anderen Stellen in der Stadt schon tätig gewesen. 2023 konnte er eine kunterbunte Sitzbank im neu gestalteten Park am Connewitzer Kreuz gestalten.

Auf seiner Homepage ist das Lindenauer Stadtsofa noch zu sehen. Doch als er den Auftrag bekam, es wieder in Ordnung zu bringen, entschied er sich dafür, es ganz neu zu gestalten und ein Motiv mitten im Arbeiterquartier zu platzieren, das dort regelrecht leuchten wird: eine Kaiserlilie.

Jeder ein König

Oder vielleicht auch eine Königslilie. So wie die Lilie der Bourbonen in Frankreich – etwas ganz Besonderes, Ehrwürdiges, das den Menschen, die hier wohnen, auch ein wenig zeigt, dass sie etwas Besonderes verdient haben. Jeder einmal ein König.

Anrufe und Mails von den Anwohnern hatte er schon seit geraumer Zeit bekommen. Sie fanden es alle schade, dass das würdevolle Sofa beschädigt war. Im März gab es dann den Auftrag von der Stadt, das Prachtstück zu reparieren. Aber dann kamen wieder etliche kalte Tage. Da war an eine Neubeklebung der Bank nicht zu denken. Die war aus Sicherheitsgründen lange mit einem Bauzaun abgesperrt. Aber als dann ab Mai wieder ein Arbeiten möglich war, blieben die Lindenauer nur zu gern stehen und schauten dem Künstler über die Schulter, was er diesmal draus machen würde.

Vor Pfingsten war dann schon die Kontur der großen blauen Lilie erkennbar. Aber Califax war auch ein bisschen unter Druck. Denn die Temperaturen stiegen schon auf sommerliche Werte – und da trocknet der Kleber viel zu schnell. Da hilft selbst der große Sonnenschutz wenig, den Califax über das Sperrgeländer gespannt hat. Immer sind nur kleine Flächen möglich, die Califax schafft, bevor der Kleber getrocknet ist und er neuen anrühren muss.

Aber ein Ziel hat er: Bis Ende Mai soll alles fertig sein. Und es soll sich genauso harmonisch in den Platz einfügen wie zuvor das Stadtsofa. Nur diesmal eben als große Lilie, die noch besonders zum Ausdruck bringt, dass es organische Formen sind, die den Künstler besonders reizen. Formen, die sich in den Platz und in den Stadtteil einfügen. Ein bisschen Jugendstil darf es auch sein, auch das ja, so Califax, eine Kunstrichtung, die einst vor allem für die Reichen und Zahlungskräftigen da war.

Hier wird sie zum Stilelement auf einem Platz, in den sich das Kunstwerk organisch einfügen soll und einladen, sich einfach gemütlich hinzusetzten. Oder auch mit einem Buch hinzulegen und die Stille zu genießen mitten im Kiez.

Wenige Schritte weiter ist er Freisitz „Zum wilden Heinz“, noch ein Stück weiter laden Westflügel und Schaubühne ein. Und in der parallel verlaufenden Merseburger Straße werden demnächst ebenfalls Maßnahmen zur Beruhigung der Straße und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität stattfinden. Aber der Westentaschenpark zeigt schon, was getan werden kann, um in dicht bebauten Quartieren Orte zur Muße und Erholung zu schaffen. Demnächst auch noch mit einer königlichen Einladung mit einer großen blauen Lilie.

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