Das hätte nicht passieren dürfen. Auch nicht für die Austragung einiger Spiele der Fußball-EM 2024. Die Zeit bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft drängt zwar. Auch Leipzig ist Austragungsort. Stadionbesitzer RB und die Stadt selbst arbeiten mit Hochdruck an den Baustellen, um das Zentralstadion fit für das Großevent zu machen. Doch dabei wurde auch massiv in ein Stück Landschaftsschutzgebiet eingegriffen, das überhaupt nicht hätte angetastet werden dürfen.
Es ist ein Stück Grünfläche, das zwischen Festwiese und der Südwestseite des Stadions ins Gelände des Sportforums hineinragt. Wenn man auf dem Elsterradweg hier vorbeikommt, bemerkt man es hinter den Bäumen kaum. Doch jeder Blick auf die entsprechenden LSG-Karten der Stadt – auch der Online-Karte auf leipzig.de – zeigt, dass das Gebiet mit zum Landschaftsschutzgebiet (LSG) Leipziger Auwald gehört. Auch wenn der Zustand des Geländes auch vorher nicht wirklich von Hege und Pflege zeugte.
Schon Anfang 2023 hatte RB die Fläche als Standort für die TV-Übertragungswagen zur Fußball-EM vorgesehen – aber auch als künftiger Standort für TV-Fahrzeuge bei Liga-Übertragungen. Anfang 2023 kontaktierte die Stadt die Naturschutzverbände, denn die Red Bull Arena Besitzgesellschaft GmbH wollte hier 4.800 Quadratmeter komplett versiegeln. Dazu hätte es eine Ausnahmegenehmigung gebraucht. Und die Umweltverbände haben ein Mitwirkungsrecht.
Und der Leipziger Ökolöwe sagte klipp und klar nein zu dem Vorhaben: „Wir Ökolöwen bezogen im März 2023 in dem Verwaltungsverfahren Stellung und lehnten die Ausnahmegenehmigung für den Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet ab. RB Leipzig will die Vollversiegelung der Fläche, damit hier die TV-Übertragungswagen zur Fußball-EM und später zu Ligaspielen stehen können.
Wir Ökolöwen sagen: Schutzgebiet ist Schutzgebiet! Die TV-Übertragungswagen müssen nicht zwingend im Landschaftsschutzgebiet stehen. Zur Fußball-WM 2006 hat es ja auch geklappt. Die sogenannte TV-Compound-Area kann auch an anderer Stelle eingerichtet werden.“
Einfach Tatsachen geschaffen
Das war im März 2023, genug Zeit also für Stadt und Stadiongesellschaft, einen anderen Standort für die TV-Fahrzeuge zu finden. Oder die Stadt muss dem Umweltverband sachlich erklären können, warum sie trotzdem eine Ausnahmegenehmigung erteilt.
Doch genau das habe die Stadt nicht getan, stellt der Ökolöwe fest: „Die Red Bull Arena Besitzgesellschaft GmbH hatte bei der Stadtverwaltung eine Ausnahmegenehmigung für den sehr großen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet beantragt. Damit die Ausnahmegenehmigung mit dem sächsischen Naturschutzgesetz konform ist, muss die Stadt Leipzig zuvor den Umweltverbänden Einsicht in alle notwendigen Sachverständigengutachten geben.
Sie muss die wesentlichen Gründe darlegen, die sie gegen den Widerspruch u.a. des Ökolöwen ins Feld führt und zur Grundlage der Ausnahmegenehmigung macht. Das hat die Stadt unterlassen. Stattdessen haben die Stadt und RB nun Tatsachen geschaffen.“
Und das in einem Stück Auwald-Gebiet, das sowieso schon seit geraumer Zeit im Fokus der Stadtratsdebatten steht – Stichwort: Auenentwicklungskonzept. Gerade in Höhe vom Elsterbecken und Stadion ist der Auwaldgürtel extrem schmal und müsste normalerweise ausgeweitet werden. Doch stattdessen wurden jetzt 4.800 Quadratmer, die zum Auwald gehören, komplett asphaltiert.
Für das LSG gilt aber: Hier „sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern, den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild und den Naturgenuss beeinträchtigen oder auf andere Weise dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen“, heißt es wörtlich in der Schutzgebietsverordnung des Freistaates Sachsen.
„4.800 Quadratmeter im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald vollversiegelt – das ist eine Vollkatastrophe! Das hätte die Stadt nicht genehmigen dürfen“, sagt dazu Ökolöwen-Sprecher Marcel Otte. Und wundert sich darüber, warum die Stadt hier die geregelten Verfahren einfach ignoriert hat. „Solch ein Umgang bei Eingriffen in das LSG Leipziger Auwald ist ungewöhnlich. Wir Ökolöwen stellen uns daher schon die Frage: Wurde hier aufgrund der Europameisterschaft seitens des Oberbürgermeisters eingewirkt?“
Akzeptieren will der Umweltverband diese „geschaffenen Tatsachen“ nicht und schaltet daher jetzt die Kommunalaufsicht ein und hat am Dienstag, dem 30. April, auch eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Landesdirektion des Freistaats Sachsen gestellt. Die Landesdirektion ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der kommunalen Verwaltungstätigkeit zuständig.
Es gibt 7 Kommentare
Die Stadt Leipzig belügt und betrügt ihre Bürger.
Vernichtung von Grün im ungeahnten Ausmaß.
Die Asphaltierung eines Landschaftschutzgebietes ist doch nur die Spitze des Eisberges!
Baugenehmigung für ein MFH am Flussufer in der Holbeinstrasse, mehrere MFH in Plagwitz mitten in der Kaltluftschneise, Vernichtung von Bäumen und Grün Wilhelm-Leuschner-Platz, Planung MFH Landschaftsschutzgebiet und Europäischem Vogelschutzgeboet Kantatenweg…
Vorschriften sind nicht für umsonst da.
Daher finde ich die Fachaufsichtsbeschwerde gut.
Grün zu Asphalt umwidmen, im LSG, wissend um berechtigte Einwände, das ist ein starkes Stück.
Und ich finde, ausreichend für Strafbarkeit. Ich hoffe, es kann rechtlich gesehen Konsequenzen geben.
Es geht nicht ums Geld – ansonsten würden die Wege nicht aller paar Jahre neu geschlämmt und es gäbe nicht die gepflasterte Stelle in Fortführung der Industriestraße.
Es geht um die Verwaltung, die sich nicht für den Bürger einsetzt (für den ist sie da) und Gesetze / Verordnungen extrem restriktiv auslegt. Dann aber für ein einmaliges Ereignis eben doch darüber hinweg gehen kann. Da möchte man gern fragen, ob die Herrschaften noch “alle Latten am Zaun” haben.
Red Bulls Geld ist Bullshit. Damit wird alles zugeschissen. Dessen Machern darf man in Politik und Verwaltung nicht den kleinen Finger reichen. Sie holen sich sonst alles, was sie wollen. Fußball als Geschäft ist einfach ekelhaft.
Die Verordnung zum LSG Auwald gehört dringend erneuert.
Entweder die Stadt entschliesst sich, das LSG Auwald entsprechend einzuschränken um den Fakten zu folgen (zB Radfahren im Auwald nicht nur auf ausgewiesenen Radwegen zu erlauben!!!)- oder es werden die wesentlichen Ziele wie eben die naturräumlichen Zusammenhänge und Durchwegungen für Wildtiere strikter eingehalten.
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Dass ein Großinvestor von derartiger Bedeutung für die Stadt natürlich hofiert werden muss, zumal er selbst die Asphaltierung zahlt, ist natürlich klar. Hätte man aber nicht wenigstens den Naturraum dann in diesem Bereich durch Rückbau anderer Flächen aufweiten können? Z.B. diesen sinnlos breiten Asphaltweg am Ufer.
Da kann man sehen, was der Stadtverwaltung wichtig ist – für irgendwelche TV-Übertragungswagen zur Fußball EM, die nur zeitweilig zu den wenigen Spielen in Lpz mal anwesnd sind, werden 4.800 m² Grünfläche einfach mal asphaltiert, aber bei den vielbefahrenen Wegen im Auwald wie die Küchenholzallee, der durchgefahrene Radweg am Elsterflutbett vom Schleußiger Weg zum Wehr oder die Schotterstrecken vom Elster-Luppe Radweg geht schon seit vielen Jahren einfach NICHTS mit Aspalt, sondern eventuell in 2025/26 wieder nur geschlämmte Wegedecken, obwohl auch der ADFC bei vielbefahrenen Wegen im Auwald für eine Asphaltierung plädiert.
Die gleiche Verwaltung, die es nicht schafft, 30 Meter von der Industriestraße in den Auwald zu asphaltieren, vorgeblich wegen Umweltschutz, obwohl es täglich tausenden Radfahrern helfen würde und nur ein minimaler Eingriff wäre, lässt also an anderer Stelle im Schutzgebiet ohne Not 4800m² asphaltieren.