Seit zehn Jahren lässt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport die Eisvögel im Floßgraben besonders intensiv beobachten. Anlass waren damals die vielen Störfälle im Floßgraben, die zeitweilig dazu zu führen drohten, dass der Floßgraben, der durch ein streng geschütztes Stück Auwald führt, für den Bootsverkehr komplett gesperrt werden müsste. Denn die Anwesenheit des Eisvogels zeigt eben auch, ob die Schutzauflagen des FFH-Gebietes eingehalten werden. Da ist eine Stadt wie Leipzig in der Pflicht.

Trotzdem gibt es natürlich auch ein Auf-und-Ab in der Eisvogel-Population, das nichts mit den durchschippernden Kanuten und Paddlern zu tun hat. Motorisierte Boote dürfen den Floßgraben sowieso nicht (mehr) befahren. Für sie gibt es auch keine Ausnahmegenehmigung, auch nicht für das so gern gepriesene, elektrisch fahrende Leipzig-Boot.

Auch das senkt natürlich den Störungspegel in dem Wasserlauf, auf dem aufmerksame Bootsfahrer ja tatsächlich den blauschimmernden Vogel entdecken können, wenn sie in der Brut- und Fütterungsperiode zwischen März und August von der Pleiße zum Waldsee Lauer paddeln. Natürlich in den von der Stadt streng vorgegebenen Zeitfenstern der Allgemeinverfügung, die dafür sorgen, dass der Eisvogel zwischen den durchfahrenden Paddelbooten auch mal Zeit bekommt, seinen Nachwuchs zu füttern.

Am Mittwoch, 10. April, stellte Jens Kipping, der das Eisvogel-Monitoring seit zehn Jahren für die Stadt Leipzig macht, die Ergebnisse seiner Beobachtungen im Jahr 2023 vor. Und diese lassen tatsächlich die Hoffnung keimen, dass auch Menschen lernfähig sind.

2023 war ein gutes Jahr für die Eisvögel

Im Jahr 2023 sind am Floßgraben drei Brutreviere des Eisvogels (Alcedo atthis) festgestellt worden. Dies geht aus dem seit 2013 jährlich durchgeführten Monitoring des Eisvogels am Floßgraben hervor, bei welchem anhand engmaschiger Kontrollen der Brutstatus, das Brutverhalten und der Bruterfolg der Eisvögel untersucht und ausgewertet wird.

Die Zahlen aus den Eisvogel-Beobachtungen am Floßgraben. Grafik: Stadt Leipzig
Die Zahlen aus den Eisvogel-Beobachtungen am Floßgraben. Grafik: Stadt Leipzig

„Nach den Jahren 2021 und 2022 mit jeweils nur einer Brut bedeuten die drei Brutreviere eine Bestanderholung am Floßgraben“, erklärt Jens Kipping vom beauftragten Büro BioCart. „Eine ähnliche Entwicklung konnte im vergangenen Jahr im ganzen Leipziger Auwald registriert werden. Dies hat das parallel durchgeführte naturschutzfachliche Monitoring nachgewiesen.“

Von Mitte März bis Mitte August 2023 hatte es im Rahmen des Eisvogel-Monitorings insgesamt 29 Begehungen am Floßgraben gegeben. Das Brutpaar am traditionellen Stammplatz im Floßgraben in der Nähe des Klärwerk Markkleeberg brütete zweimal hintereinander erfolgreich in den gegenüberliegenden Steilwänden. Dabei lag die Anzahl der Jungvögel im Normalbereich – nämlich bei fünf in der einen und sechs Jungvögeln in der anderen Bruthöhle. Die beiden anderen Brutreviere befanden sich im umgebenden Wald in Gewässernähe. Es konnten deutliche Hinweise auf erfolgte Bruten beobachtet werden, so Kipping.

Der auch einschätzt, dass sich die Eisvogelpopulation an Leipziger Gewässern wieder erholt, nachdem sie 2020 zuletzt eindrucksvoll an Floßgraben, Pleiße und Weißer Elster beobachtet werden konnte. 2021 gab es dann nach dem heftigen und kurzen Wintereinbruch auch einen massiven Rückgang der gezählten Eisvogelpaare. Gerade richtig frostige Winter können die Eisvögelzahl dramatisch reduzieren. Während bis 2016 ganz offensichtlich die zunehmend bessere Wasserqualität in Leipzigs Flüssen dazu beitrug, dass der Eisvogel neue Reviere für sich entdeckte und sich deutlich vermehrte.

Deutlich weniger Störungen

Trotzdem stand natürlich 2013 die Frage im Raum, wie sehr der ungelenkte Bootsverkehr die Eisvogelbruten eigentlich beeinträchtigt. Das ist ja der Grund dafür, dass Kipping jedes Jahr praktisch einen ganzen Monat im südlichen Auwald unterwegs ist und die Eisvögel beobachtet. Aber auch ihr Verhalten, wenn Boote oder gar Fußgänger am Ufer ihr Revier stören.

Die Störungen durch den Bootsverkehr wurden zudem während zweier vergleichender Ganztagesbeobachtungen Ende Juni 2023 detailliert erfasst. Das optimistisch stimmende Ergebnis: Signifikante Beeinträchtigungen des Jagd- und Fütterungsverhaltens oder Brutaufgaben infolge der Bootsdurchfahrten waren daraus nicht erkennbar. Wie in den Vorjahren kann konstatiert werden, dass sich die Eisvögel trotz ihrer grundsätzlichen Empfindlichkeit gegenüber Störungen mit fortschreitender Brutsaison und insbesondere aufgrund der Regelungen aus der Allgemeinverfügung für den Floßgraben mit dem Bootsverkehr arrangiert hatten.

Das heißt: Die in der Allgemeinverfügung festgelegten Zeitfenster für die Bootsfahrer helfen dem Eisvogel, sich mit der touristischen Nutzung des Floßgrabens zu arrangieren.

Kontrollen sind besser …

Zur Ahndung von Verstößen gegen die Allgemeinverfügung gab es im Jahr 2023 fünf Großkontrollen des Ordnungsamts und der beiden Umweltämter der Stadt in Zusammenarbeit mit der Wasserschutzpolizei. Dabei wurden insgesamt 24 Verstöße festgestellt, wobei 22 Verstöße mit einem Verwarngeld durch den Stadtordnungsdienst direkt vor Ort oder schriftlich über die Bußgeldbehörde geahndet wurden und zwei Verstöße mittels Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens verfolgt werden mussten.

Die Kontrollen zur Allgemeinverfügung am Floßgraben und die festgestellten Verstöße. Grafik: Stadt Leipzig
Die Kontrollen zur Allgemeinverfügung am Floßgraben und die festgestellten Verstöße. Grafik: Stadt Leipzig

Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz, sagt zu diesen Ergebnissen: „Mit dem Erlassen der Allgemeinverfügung seit 2013 zeigt die zeitliche Regulierung des Bootsverkehrs im Floßgraben die erhoffte Wirkung. Die Großkontrollen zeigen, dass es nur wenige Störungen gibt. Dank des umsichtigen Verhaltens der Bürgerinnen und Bürger ist ein verträgliches Miteinander von Mensch und Natur langfristig möglich.“

Zur Begleitung der wassertouristischen Entwicklung gab es zudem ein naturschutzfachliches Monitoring im gesamten Leipziger Gewässerknoten. Untersucht wurden relevante Lebensraumtypen und Arten bzw. Artengruppen wie bspw. Vögel und Libellen auf den Gewässerabschnitten und in den Uferbereichen von Weißer Elster, Pleiße, Floßgraben, Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Hafen.

Eine Beobachtung, die auch deutlich machte, dass mittlerweile ein neues Phänomen die Gewässergüte in einigen Teilen des Leipziger Flussnetzes in Frage stellt: der Klimawandel mit seinen starken Hitzeperioden, dem zeitweilig deutlich geringeren Wasserdargebot und der damit einher gehenden Überhitzung der Flüsse. Was dann – wie 2023 auch erlebt – durch Starkregen wieder konterkariert wird, der dann auch das Leipziger Kanalsystem überfordert, so dass viele Schwebstoffe und Unrat in die Flüsse gelangen, die dort einzelne Tierarten stark beeinträchtigen.

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