Auf Jahrzehnte hinaus wird es keine Finanzierung fรผr den Harthkanal geben, der den Zwenkauer See mit dem Cospudener See fรผr motorisierte Boote verbinden soll. Gebraucht wird er sowieso nur in den Trรคumen jener Handvoll Steuerer im Neuseenland, die selbst in Zeiten des รผberall sichtbaren Klimawandels immer noch glauben, dass ihre Groรprojekte wirtschaftlich einen Sinn ergeben. Erstaunlicherweise befรผrwortet das Umweltdezernat jetzt einen Antrag der Grรผnen-Fraktion. Halbherzig.
โKleine Brรถtchen statt Luftschlรถsser โ direkte und barrierefreie Fuร- und Radwegeverbindung und Bootsschleppe zwischen Cospudener und Zwenkauer See herstellenโ, hatte die Fraktion von Bรผndnis 90 / Die Grรผnen ihren Antrag betitelt.
โDie Realisierung des Harthkanals als schiffbare Verbindung zwischen Cospudener und Zwenkauer See erscheint mittlerweile mehr als fraglich und wirkt aufgrund der massiven Kostenexplosion eher wie ein Luftschloss, als eine in den nรคchsten Jahren realistische Optionโ, stellte die Fraktion in ihrem Antrag fest, mit dem sie forderte: โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, sich beim Zweckverband Neue Harth nachdrรผcklich dafรผr einzusetzen, im Bereich des geplanten Harth-Kanals eine direkte und barrierefreie Wegeverbindung fรผr Fuรgรคnger/-innen und Radfahrer/-innen zwischen Cospudener und Zwenkauer See sowie eine Bootsschleppe fรผr Faltboote/Kanus zu realisieren.โ
Eigentlich alles klar. Sรครe nicht ausgerechnet im Umweltdezernat jene Fraktion, die trotz der explodierenden Kosten und der nicht nachgewiesenen Wirtschaftlichkeit am Bau des Harthkanals festhรคlt.
Festhalten am Megaprojekt
Und so formuliert das Dezernat den Beschlussvorschlag an einer entscheidenden Stelle um: โDer Oberbรผrgermeister wird beauftragt, sich dafรผr einzusetzen, im Bereich der geplanten Gewรคsserverbindung zwischen Cospudener See und Zwenkauer See bis zu ihrer Umsetzung eine direkte und barrierefreie Wegeverbindung fรผr Fuรgรคngerinnen und Fuรgรคnger sowie Radfahrende zu realisieren.โ
Die Formel โbis zu ihrer Umsetzungโ sagt im Grunde alles รผber die Politik im Leipziger Umweltdezernat und in der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland: Man hรคlt an den รผberteuerten Groรprojekten fest, obwohl man weder das notwendige Geld hat noch eine echte Zustimmung bei den Bewohnern des Neuseenlandes, die sich vor allem einen naturnahen und motorfreien Erholungsraum wรผnschen.
Ob Leipzigs Umweltbรผrgermeister Heiko Rosenthal in Dresden jemanden findet, der ihm die fehlenden 80 oder 100 Millionen Euro fรผr den Harthkanal gibt, ist mehr als fraglich.
Also spielt sein Dezernat auf Zeit. Trotzdem weiร man dort, dass vor dem Jahr 2030 kein Kanal gebaut werden wird. Die bislang beauftragte LMBV baut lediglich einen Wasserรผberlauf vom Zwenkauer zum Cospudener See.
Rad-und Wanderwegenetz muss sowieso gebaut werden
Und tatsรคchlich muss der Zweckverband Neue Harth sogar eine nutzbare Wegeverbindung zwischen den beiden Seen bauen, wie die Stellungnahme aus dem Amt fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser feststellt: โGemรคร dem verbindlichen Sanierungsrahmenplan fรผr den ehemaligen Tagebaubereich Zwenkau/Cospuden sowie der Abschlussbetriebsplanung ist ein Rad- und Wanderwegenetz anzulegen, welches vorhandene Wirtschaftswege zweckentsprechend ergรคnzt. Zu den vorrangig anzulegenden Einzelstrecken zรคhlt demnach auch eine Rad- und Wanderwegverbindung zwischen dem Cospudener See und dem Zwenkauer See entlang der geplanten Gewรคsserverbindung.โ
Aber da ist dann gleich das Schlรผsselwort, mit dem das Festhalten an den vรถllig รผberteuerten Kanalplรคnen begrรผndet wird: โDie Gewรคsserverbindung zwischen Cospudener See und Zwenkauer See stellt ein wassertouristisches Schlรผsselprojekt im Leipziger Neuseenland dar. Zugleich soll die Gewรคsserverbindung die beiden maรgeblichen Funktionen zur Bewirtschaftung und Hochwasserableitung des Zwenkauer Sees รผbernehmen. Aufgrund verschiedener Faktoren konnte die Herstellung einer Gewรคsserverbindung trotz bereits erfolgter Baugrundverbesserungen bislang nicht durch die zustรคndige LMBV mbH realisiert werden.โ
Das darf man Bรผrokratendeutsch nennen. Denn hinter โverschiedener Faktorenโ steckt nun einmal vor allem die Steigerung der kalkulierten Kosten von ursprรผnglich geplanten 10 Millionen Euro auf mindestens 80 Millionen Euro, die schlichtweg nicht zur Verfรผgung stehen.
Und so meint das Amt fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser eben, dass eine Wegeverbindung nur eine Zwischenlรถsung wรคre: โAufgrund der mittel- bis langfristigen Umsetzungsperspektive der Gewรคsserverbindung wird der Antrag zur Schaffung einer Zwischenlรถsung fรผr eine barrierefreie Wegeverbindung beider Seen und der Mรถglichkeit zum Transport muskelbetriebener Boote in Form einer Bootsschleppe grundsรคtzlich begrรผรt.โ
Ein Kanal ins Vogelschutzgebiet?
Und dann taucht ein Problem auf, das mit den Harthkanal-Plรคnen bislang ebenfalls nicht geklรคrt ist: โMit der Bootsschleppe ginge jedoch zum jetzigen Zeitpunkt konsequenterweise das Befahren der Sรผdspitze des Cospudener Sees einher. Im Kontext des laufenden Verfahrens zur Feststellung der Fertigstellung (FdF) des Cospudener Sees entspricht das formulierte Anliegen aktuell nicht den getroffenen behรถrdlichen Abstimmungen zwischen dem Landkreis Leipzig und der Stadtverwaltung.
Gemรคร den Abstimmungen wird das gegenstรคndliche Verfahren zur FdF als zweistufiges Verfahren gefรผhrt. Dabei soll im ersten Teil bis zur Fertigstellung der Gewรคsserverbindung der derzeit bereits nutzbare Bereich des Cospudener Sees von der FdF umfasst sein und die Sรผdspitze bleibt als Verbotsgebiet bestehen. Eine Nutzung / Befahren dieser ist somit nicht mรถglich. Bis zur Fertigstellung der Gewรคsserverbindung liegt kein Grund im Sinne des ยง 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG zur Freigabe eines Anfahrtsschlauches innerhalb der Sรผdspitze des Cospudener Sees vor.โ
Das heiรt: Eigentlich fehlt dem ganzen Kanalprojekt jegliche Grundlage, weil die Sรผdspitze des Cospudener Sees von motorisierten Booten (auch) nicht befahren werden darf.
Und so mรผssen sich die Kanuten, die als Einzige wirklich ein Interesse haben, mit ihren Booten รผber Land vom Cospudener See zum Zwenkauer See zu kommen, nun sagen lassen: โErst mit Fertigstellung der Gewรคsserverbindung kann im zweiten Teil der FdF eine Regelung zum Befahren innerhalb eines Anfahrtsschlauches in der Sรผdspitze des Cospudener Sees getroffen werden. Darรผber hinaus wรคre die โVerordnung der Stadt Leipzig zur Regelung des Umfangs des Gemeingebrauchs fรผr den Cospudener Seeโ (2000) anzupassen. Die Verordnung untersagt aktuell die Befahrung der Sรผdspitze des Cospudener Sees durch muskelbetriebene Boote. Die Mรถglichkeit der Fahrt bis zum sรผdlichen Ufer des Cospudener Sees stellt jedoch eine Voraussetzung fรผr einen anschlieรenden Transport der Boote bis zum Zwenkauer See dar.โ
Und es wird noch kurioser, weil selbst der Bau des Harthkanals an den Grรผnden fรผr die Untersagung nichts รคndern wรผrde. Er wรผrde schlichtweg mitten in ein Vogelschutzgebiet fรผhren.
Das Amt fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser dazu: โDie Sรผdspitze als Verbotsgebiet ist der nahezu einzige Teilbereich des Cospudener Sees, der Rast- und Zugvรถgeln einen ungestรถrten Rรผckzugsraum ermรถglicht.โ
Ein Rรผckzugsort fรผr die Vรถgel
Und es zitiert dann aus dem Naturschutzfachlichen Gutachten im Rahmen der Feststellung der Fertigstellung des Cospudener Sees (รkotop GbR 2021, S. 14): โInsbesondere das Sรผdostufer ist im Vergleich zu den restlichen Abschnitten des Cospudener Sees deutlich naturnรคher gestaltet. Sowohl der Uferbereich zwischen der Wasserflรคche des Sees und dem Rundweg als auch das รถstlich angrenzende Halboffenland weisen vielfรคltige und naturschutzfachlich wertvolle Biotopstrukturen auf. So sind entlang der Uferlinie mit lagunenartiger Struktur grรถรere Flachwasserzonen vorhanden, die neben dichten Rรถhrichtgรผrteln auch Sand- und Kiesbรคnke mit Binsenvegetation aufweisen. Diese Strukturen bieten neben geeigneten Brutplรคtzen auch Nahrungshabitate fรผr Limikolen, Grรผndelenten, Hรถckerschwรคne oder aus der Luft jagende Vรถgel wie Seeschwalben (diese nur im Sommerhalbjahr) und Mรถwen. Die ausgeprรคgte Schilfzone stellt z. B. fรผr Stare und andere Kleinvรถgel einen geeigneten Schlafplatz dar und dient Rallen (Teich-, Blรคss- und Wasserralle), Zwergtauchern und Enten als Versteck und Nahrungshabitat. Das Altschilf dient nahrungssuchenden Eisvรถgeln als Ansitzwarte.โ
Was eigentlich bedeutet, dass sich jeder Kanalbau hier von vornherein verbietet.
Und das Amt kann auch aufzรคhlen, welche Vogelvielfalt hier eine bislang ungestรถrte Nische gefunden hat: โDer Cospudener See ist mit insgesamt 54 Arten, die in 12 Jahren nachgewiesen wurden, im regionalen Vergleich der Artenvielfalt der Rast- und Zugvรถgel der zweitartenreichste See nach dem Regenrรผckhaltebecken Stรถhna (insgesamt 67 Arten). Darรผber hinaus kann aus den Ergebnissen der Wasservogelzรคhlung eine landesweite Bedeutung als Rastgebiet fรผr das Blรคsshuhn abgeleitet werden.โ
Das allein mรผsste schon eine Einstellung aller Kanalplรคne zur Folge haben.
Weiร die eine Abteilung im Rathaus nicht, was die andere tut?
Verbotstatbestand nach Bundesnaturschutzgesetz
Und dann wird das ASG noch deutlicher: โEine Anpassung der Verordnung der Stadt Leipzig zur Regelung des Umfangs des Gemeingebrauchs fรผr den Cospudener See wird aktuell nicht erfolgen, da der bootsinduzierte Wellenschlag die Auslรถsung des Verbotstatbestandes gemรคร ยง 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG i. V. m. ยง 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG bewirken kann. Ebenfalls ist gemรคร ยง 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG verboten, Lebensstรคtten wildlebender Tiere und Pflanzen ohne vernรผnftigen Grund zu beeintrรคchtigen oder zu zerstรถren.โ
Warum glaubt dann die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland immer noch, dass ein Kanalbau diese strengen Schutzbestimmungen aufheben wรผrde?
Ansonsten wรคre eine Wegeverbindung kein Problem, meint das ASG: โAnders als bei der Passage fรผr muskelbetriebene Boote kรถnnen bei der vom Antragssteller anvisierten direkten und barrierefreie Wegeverbindung fรผr Fuรgรคngerinnen und Fuรgรคnger sowie Radfahrende zwischen Cospudener und Zwenkauer See (im Bereich des ehemaligen Harthkanals) keine negativen Folgen auf das Arteninventar der Sรผdspitze des Cospudener Sees abgeleitet werden. Vielmehr wรผrde sich der Nutzungsdruck auf den Rad-/Gehweg rund um den Cospudener See verringern und in Richtung Zwenkauer See auslaufen. Da sich die zu beplanenden Bereiche nur im geringen Umfang auf dem Gebiet der Kreisfreien Stadt Leipzig befinden, sind fรผr die weitere Betrachtung die zustรคndigen Behรถrden des Landkreises Leipzig frรผhzeitig mit einzubeziehen.โ
Das heiรt: Die Wegebaumaรnahmen mรผssten im Zweckverband Neue Harth endlich abgeklรคrt und beschlossen werden. Wo man freilich lieber alle Aufmerksamkeit auf das Riesenprojekt Harthkanal lenkt, statt das eigentlich vertraglich zugesagte Wegesystem endlich zu bauen.
Es gibt 3 Kommentare
Das Foto zeigt aber nicht den Bereich, der fรผr den Vogelschutz relevant ist..?
โ
Ansonsten, es gibt doch bereits seit ewig einen Weg (im fรผr Leipzig รผblichen Ausbaustandard), der ist evtl. 50m lรคnger als die direkte Luftlinie, aber einen echten Kanuten wรผrde das doch nicht abhalten, oder?
Gibt es denn da รผberhaupt Bedarf, und wer hat diesen wie ermittelt?
https://www.nukla.de/?s=Harthkanal+
โโฆโVerordnung der Stadt Leipzig zur Regelung des Umfangs des Gemeingebrauchs fรผr den Cospudener Seeโ (2000) anzupassen. Die Verordnung untersagt aktuell die Befahrung der Sรผdspitze des Cospudener Sees durch muskelbetriebene Boote. Die Mรถglichkeit der Fahrt bis zum sรผdlichen Ufer des Cospudener Sees stellt jedoch eine Voraussetzung fรผr einen anschlieรenden Transport der Boote bis zum Zwenkauer See dar.โ
-> Das heiรt also, die Stadt Leipzig kรถnnte auch zukรผnftig das Befahren durch Motorboote unterbinden. Ist doch prima!
Was sagen eigentlich die โanerkannten Naturschutzvereinigungenโ in der Lobbygruppe Leipziger Neuseenland zum Projekt aktuell?
Gibt es diese wirklich und was kรถnnten die tatsรคchlich in diesem mit Lobbyisten รผberbesetztem Gremium ausrichten?