Am Samstag, dem 16. März, hatte die Initiative Stadtnatur noch einmal zu einer Kundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz eingeladen, denn in den nächsten Jahren wird hier so ziemlich der komplette alte Baumbestand verschwinden, wenn ein Vorhaben nach dem anderen dort gebaut wird. Eine Petition der Initiative hatte das Stadtplanungsamt schon abgelehnt, auch mit Hinweis auf die neue Grüngestaltung auf dem Westteil des Wilhelm-Leuschner-Platzes, die in den nächsten Jahren entstehen soll.

Der Petitionsausschuss des Stadtrates hatte den Verwaltungsstandpunkt im Wesentlichen übernommen und der Ratsversammlung die Ablehnung empfohlen. Denn schon mehrfach hatte sich die Ratsversammlung in der jüngeren Vergangenheit für die geplanten Bauprojekte am Wilhelm-Leuschner-Platz ausgesprochen.

Stichwort: Brachenschließung.

„Der Wilhelm-Leuschner-Platz ist ein zentraler Stadtraum, der 80 Jahre brachgelegen hat. Er ist in großen Teilen versiegelt und wird lediglich als Parkplatz und Veranstaltungsfläche genutzt. Demgegenüber ist es gleichzeitig die zentralste und besterschlossenste Entwicklungsfläche in Leipzig“, hieß es in der Vorlage des Petitionsausschusses.

„Der Stadtrat hat im Juni 2023, nach langer intensiver Planung, Öffentlichkeitsbeteiligung und Befassung mit dem Konzept, beschlossen, diesen Stadtraum etwa zur Hälfte wieder zu bebauen. Er hat sich dabei auch mit den Fragen des Natur- und Umweltschutzes befasst. Dies findet Eingang in den Beschluss, sodass im westlichen Teil, im Bereich des historischen Königsplatzes und darüber hinaus, eine große stark begrünte Freifläche angelegt werden soll.

Zu den maßgeblichen Inhalten des Bebauungsplanes gehört weiterhin, dass der Platz weitestgehend frei von Autoverkehr entwickelt wird, dass das anfallende Regenwasser (anders als derzeit im Gebiet) verdunsten und versickern kann, die vorhandene Fernwärme gekoppelt mit regenerativen Energien genutzt werden kann und die Eingriffe in die Vegetation durch Ersatzmaßnahmen vollumfänglich ausgeglichen werden.

Durch die Beschlussfassung zum Bebauungsplan wird es möglich, dass wichtige und lokal, regional und überregional bedeutsame Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung sowie eine Markthalle und Kultureinrichtungen untergebracht werden können. Diese Einrichtungen werden auch deswegen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz untergebracht, um mehr Flächenverbrauch an anderer Stelle dieser Stadt, weitere Wege, mehr motorisierten Individualverkehr und weniger Nutzungsverflechtungen zu vermeiden.“

Bäume fallen schrittweise

Aber was ist mit den nicht ganz unwichtigen Baumhabitaten?

„Die Ziele der Initiative Stadtnatur werden auch dadurch berücksichtigt, dass es beim Umgang mit den Gehölzen keinen Kahlschlag, sondern einen sukzessiven Prozess geben wird. Das Institut für Länderkunde und das Global HUB der Uni Leipzig werden als erste Bauvorhaben in den Jahren 2024–2026 realisiert. Danach folgt 2025–2028 das Naturkundemuseum“, geht der Beschlussvorschlag darauf ein, dass die Bäume erst nach und nach verschwinden sollen.

„Abgesehen von punktuellen kleineren Eingriffen beim Naturkundemuseum wird es in den kommenden Jahren keine weiteren Eingriffe in den Baumbestand geben. Stattdessen soll Ende 2024 eine Zwischenbegrünung auf der Fläche nördlich vom City Tunnel-Eingang realisiert werden. Im März 2024 wird der Freiflächenwettbewerb abgeschlossen sein, sodass voraussichtlich ab 2027 in ersten Bauabschnitten die entsprechenden neuen Pflanzungen sowohl in der Platzfläche, aber auch durch zusätzliche Pflanzungen in den Straßenräumen realisiert werden können.“

Der Freiflächenwettbewerb ist inzwischen entschieden. Die Entwürfe sind aktuell im Stadtbüro am Burgplatz zu sehen.

Erwartbar stimmte die Ratsversammlung dann am 13. März dem Vorschlag des Petitionsausschusses, die Petition abzulehnen, mehrheitlich zu. Es gab nur zwei Gegenstimmen und sieben Enthaltungen.

Was natürlich die Initiative Stadtnatur gar nicht glücklich machte.

Klimakrise und Artenschutz

„Für uns steht der Leuschnerplatz symbolisch und stellvertretend für die vielen wertvollen und artenreichen Brachen, Baumbestände, Grünflächen und Wälder, die in Leipzig in den letzten Jahren verschwunden sind oder aktuell überplant werden. Wir halten eine solche Entwicklung für fatal und fordern einen Paradigmenwechsel, gerade in diesen Zeiten von Klima- und Biodiversitätskrise!“, formulierte die Initiative Stadtnatur ihr Haltung im Zusammenhang mit der Kundgebung am Samstag.

„Denn der Erhalt des Stadtgrüns ist der beste Klimaschutz in der Stadt und dient gleichzeitig dem Natur- und Artenschutz. Die hemmungslose Zerstörung des Stadtgrüns in immer schnellerem Tempo führt zu einem erheblichen Temperaturanstieg und zur Verschlechterung der Luftqualität in der Innenstadt. Lebensqualität und Gesundheit der Leipzigerinnen und Leipziger werden leichtfertig aufs Spiel gesetzt.“

Die Initiative beklagt am Wilhelm-Leuschner-Platz eine Neuversiegelung von insgesamt mehr als 1,7 Hektar, den Verlust von über 160 mehr als 60 Jahre alten Bäumen sowie den Verlust von mindestens 17 Brutvogelarten.

Und auch die geplante Freiflächengestaltung auf der Westseite findet bei der Initiative Stadtnatur keine Zustimmung.

„Die gleichzeitige Nutzung der neuen Freifläche durch eine Zuwegung in die Innenstadt, Aufenthaltsplätze, das Einheitsdenkmal und verschiedene Sportanlagen mit angrenzenden Freisitzen, Markthalle und Universität bieten in keinem Fall ein geeignetes Umfeld für die Ansiedlung der in der Planung genannten Tierarten wie Buntspecht, Dorngrasmücke und Nachtigall, abgesehen davon, dass der gesamte Baum- und Strauchbestand sich erst überhaupt etablieren und ein gewisses Alter bzw. eine ausreichende Dichte erreichen muss, bevor er überhaupt für eine Art interessant werden kann.“

Die ersten Pflanzungen auf der Fläche des Wilhelm-Leuschner-Platzes westlich der Markthallenstraße sollen noch im Herbst 2024 beginnen.

Aktuell gebaut wird das neue Gebäude für das Institut für Länderkunde an der Windmühlenstraße. Die Arbeiten für den Global Hub am Standort der einstigen Markthalle an der Grünewaldstraße sollen demnächst beginnen. Für beides wurden die Bäume schon gefällt.

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Es gibt 2 Kommentare

Dicker, inhaltlich bin ich bei Dir.
Aber wie wärs, wenn Du uns alten Bündnis 90ern auch mal etwas Respekt erweist?

Haben Deine Freunde noch alle Zähne?
Bei uns ging damals die Zahnfee rum.
Wir haben für Bäume und gegen Glatzen gekämpft.

ALLE DEMOKRATEN GEGEN DIE AFD!

Am lustigsten finde ich den Satz “Die Ziele der Initiative Stadtnatur werden auch dadurch berücksichtigt, dass es beim Umgang mit den Gehölzen keinen Kahlschlag, sondern einen sukzessiven Prozess geben wird.”
Wirklich klasse, das gesamte Großgrün – der gesamte alte Baumbestand – wird erst innerhalb der nächsten 3 Jahre komplett abgesägt worden sein… Wie kann man damit nicht zufreiden sein?…
Sehr interessant auch das Video. Auch die Grünen haben dafür gesorgt, dass die Petition zum Erhalt der Bäume abgebügelt wurde. Und der umweltpolitische Sprecher der Fraktion glaubt an den Ausgleich duch das Junggrün namens “Ökotopia”. Immerhin zeigt er damit überdeutlich, dass er von Ökologie nicht die geringste Ahnung hat. Oder er will halt die Menschen blenden…
Schön dass aber immer mehr Menschen solche Heucheleien durchschauen und erkannt haben, dass es keine Fraktion im Stadtrat hat, die am Stadtgrün in Leipzig irgendein Interesse hat.

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