Am heutigen Donnerstag, 21. Dezember, eröffnet die Stadt Leipzig den Ersatzneubau der Gustav-Esche-Brücke II über den Nebenarm der Nahle südlich des Hauses Auensee im geschützten Leipziger Auwald. Doch die massiven Eingriffe in den Auwald an dieser Stelle waren von Anfang an nicht mit dem Naturschutz vereinbar. Bereits im Oktober 2022 hatte die Initiative Stadtnatur eine fachaufsichtliche Prüfung bei der Landesdirektion Sachsen beantragt und diese im Februar 2023 erweitert. Die Landesdirektion bestätigt nun: Der Einspruch war berechtigt.

Die Rodung eines über 100-jährigen Auwald-Bestandes war von einem von der Stadt beauftragten Leipziger Gutachterbüro fälschlicherweise als unerheblich und temporär eingestuft worden, obwohl nach den gültigen rechtlichen und naturschutzfachlichen Standards eine eindeutige erhebliche Beeinträchtigung des europäischen FFH-Schutzgebietes zu konstatieren gewesen wäre. Anstatt diese Falschaussagen zu entlarven hatte die untere Naturschutzbehörde der Stadt Leipzig das Gefälligkeitsgutachten abgesegnet und den Bau aus naturschutzrechtlicher Sicht genehmigt, kritisiert die Initiative Stadtnatur das Vorgehen der Stadtverwaltung. Auch die Beteiligung der Naturschutzverbände wurde versäumt, obwohl eine solche zwingend erforderlich gewesen wäre.

Das Gebiet westlich der Brücke nach den Fällarbeiten. Foto: Ralf Julke
Das Gebiet westlich der Brücke nach den Fällarbeiten. Foto: Ralf Julke

Ähnliches geschah dann im nächsten Schritt bei der Planung der Gustav-Esche-Brücke I über die Neue Luppe, die nördlich der jetzt fertiggestellten Brücke anschließt: Es wurde ein Gefälligkeitsgutachten erarbeitet, wie es die Initiative Stadtnatur nennt, und seitens der unteren Naturschutzbehörde bestätigt. Das ist das Amt für Umweltschutz, das hier eigentlich aus naturschutzrechtlichen Gründen hätte „Stopp!“ sagen müssen.

Vorlage abgesetzt

Im Frühjahr 2023 sollte der Stadtrat eigentlich über den Neubau der Brücke über die Neue Luppe für 13,4 Millionen Euro beschließen – aber die Vorlage wurde abgesetzt. „Glücklicherweise ist hier der Eingriff in Natur und Landschaft noch nicht erfolgt“, meint die Initiative Stadtnatur.

Es habe zwar lange gedauert – der Wald am Nebenarm der Nahle wurde für den Bau einer Umleitungsstrecke mittlerweile zerstört -, aber endlich habe die Landesdirektion das Ergebnis ihrer Prüfung der Fachaufsichtsbeschwerde bekannt gegeben, so die Initiative.

Die Landesdirektion schreibt: „Im Ergebnis der fachaufsichtlichen Prüfung des für das Bauvorhaben ergangenen Einvernehmens der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) stellte die LDS fest, dass ihr die Beschwerde der Initiative Stadtnatur überwiegend berechtigt erscheint und die durch die UNB erfolgte Einvernehmenserteilung zum Bauvorhaben fachaufsichtlich zu beanstanden ist.”

Die Stadt hatte – nachdem die Grünen im April eine Neuplanung für die Brücke beantragt hatten – ihre Vorlage für den Bau der Brücke zurückgezogen. „Die/der Einreichende hat die Vorlage zurückgezogen. Damit ist die Vorlage abgeschlossen“, kann man jetzt auf der Seite der Vorlage lesen.

Mit der Fertigstellung von neuen Fachunterlagen zur Gustav-Esche-Brücke I wird nun erst in 2025 gerechnet, da unter anderem auch neue Erfassungen der Flora und Fauna erfolgen müssen.

Vor 2027 wird nicht gebaut

„Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung des europäisch geschützten Waldes wird zudem ein Ausnahmeverfahren erforderlich, welches im Ergebnis frühestens 2026 die genehmigungsfähige Variante für das neue Bauwerk aufzeigen kann“, schätzt die Initiative Stadtnatur ein. „Erst danach kann ein Bau- und Finanzierungsbeschluss vorgelegt werden, infolge dessen voraussichtlich erst ab Herbst 2027 gebaut werden kann.“

Das Beispiel zeige deutlich, dass Bauverzögerungen insbesondere dann auftreten, wenn Fachbüros Gefälligkeitsgutachten anfertigen, erhebliche Beeinträchtigungen ignorieren und die untere Naturschutzbehörde rechtswidrig Genehmigungen erteile.

Gustav-Esche-Brücke.
Die Gustav-Esche-Brücke über die Neue Luppe. Foto: Ralf Julke

Axel Schmoll von der Initiative Stadtnatur sagt dazu: „Selbstverständlich müssen marode Brücken saniert werden, aber dies darf nicht unter Verletzung des Naturschutzrechts erfolgen. Leider ist dies nicht der erste Fall, wo die untere Naturschutzbehörde ihrer Aufgabe, nämlich die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen und der einschlägigen fachlichen Standards, nicht nachgekommen ist.“

Zum bereits erfolgten Eingriff in den geschützten Wald am Nebenarm der Nahle, also den massiven Baumfällungen im Jahr 2022, sagt Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur: „Die Landesdirektion Sachsen hat den von uns aufgezeigten Umweltschaden eindeutig bejaht. Dieser muss jetzt konsequent geahndet und der Umweltschaden adäquat saniert werden.“

Der SBB Nord wollte Druck machen

Zwischenzeitlich hatte der Stadtbezirksbeirat Nord Druck gemacht und beantragt: „Der Stadtbezirksbeirat Nordwest fordert den Oberbürgermeister, aber auch den Stadtrat auf, die Dringlichkeit der avisierten Sanierung der Gustav-Esche-Brücke I anzuerkennen und die den erforderlichen Bau- und Finanzierungsbeschluss ohne weitere Verzögerungen zu fassen. Dabei sind die mit der Bedeutung der Verkehrsverbindung für die Bürgerinnen und Bürger in den anliegenden Stadtteilen und Ortschaften verbundenen Belange in Einklang zu bringen mit den Belangen, die sich aus der Lage der Brücke im Leipziger Auwald ergeben.“

Einen Antrag, den die Stadt dann notgedrungen selbst ablehnen musste, weil unter den gegebenen Bedingungen nicht gebaut werden darf und auch die Vorlage vom März nicht zum Beschluss gestellt werden kann.

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Es gibt 7 Kommentare

@christof
Man kann diese Brücke auch unter Vollsperrung ersetzen.
Warum man das nicht denkt, liegt an den vielen falschen Zahlen, die kursieren. Auf der Strecke sind täglich 15.000 Kfz unterwegs. Die wenigsten wollen von der Auenstraße zur Georg-Schwarz-Straße und umgekehrt. Je weiter Quelle und Ziel liegen, desto weniger Notwendigkeit ergibt sich ausgerechnet dort entlang zu fahren. Die paar Leute, die wirklich von Wahren nach Böhlitz wollen, können auch die S-Bahn nehmen oder die dann provisorisch errichtete Geh-/Radbrücke.

Irgendetwas machbares muss sich das vta einfallen lassen, denn es soll bzw. muss noch die Brücke über die Nahle erneuert werden. Vielleicht eine LSA, eine Umfahrung ohne Baumfällungen oder die Verschiebung zur Erneuerung der Brücken in die Zeit ab 2026, wenn die G-Schwarz-Brücken erneuert werden oder Sperrung der G-Esche-Str. für die Bauzeit bis die halbe Brücke wieder steht.

Erstmal ein Erfolg für den Verband. Ansonsten wird beim nachzuholenden Baurechtsverfahren die Frage der fehlenden Alternative zur Umfahrung jetzt schon beantwortet sein. Also eher ein Zeitverzug als eine andere Bauausführung.

Die Ahndung würde mich auch interessieren.
Hat doch die LDS nun eine fachaufsichtliche Beanstandung aktenkundig vermerkt, so muss das doch auch Konsequenzen haben!?
Oder funktioniert hier die Bürokratiemühle Deutschland auf einmal nicht mehr?

Dafür wird niemand zur Rechenschaft gezogen. Zwangsversetzte Verwaltungsmitarbeiter muss man erstmal ersetzen können, dafür fehlt schlicht das Personal. Es geht weiter wie gehabt.

Da die Behörde/das Amt immer wieder mit fragwürdigen Entscheidungen brilliert (Femelungen, Fällgenehmigungen, WTNK, etc pp) sollte das für die Amtsleiter bzw. Mitarbeiter Konsequenzen haben. Aber still ruht der See, wahrscheinlich ist die Verantwortung gut auf viele Schultern verteilt und kann nicht mehr zugeordnet werden.
Aber was sagt der zuständige Dezernent dazu, außer den Sachverhalt vielleicht zu bedauern?

Wahrscheinlich hat es der Gutachter als Femelloch interpretiert. Und sowas soll doch gut sein für den Auenwald. Zumindest nach Meinung der Verantwortlichen.

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