Es klang so einleuchtend, was sich die Wasserwanderer vom Kanu– und Freizeitzentrum Leipzig Süd West e.V. da gedacht hatten, als sie im Stadtbezirksbeirat Altwest die Idee zu einer „Kleinen Luppe-Nahle-Rundtour“ vorstellten: 7 km lang, sollte der Rundkurs über Kleine Luppe, Nahle und Elsterbecken gerade an sommerlichen Spitzentagen die – besonders durch Leihboote – überfüllten Stadtgewässer entlasten.

Aber das Amt für Umweltschutz warnt dringend vor dieser Tour. Und außerdem wäre erst einmal etwas völlig anderes dran.

Der erste Grund, warum die Stadt und ihre Behörden das Vorhaben aus dem Antrag des Stadtbezirksbeirats Altwest ablehnen: „Die Wehranlagen befinden sich in der Zuständigkeit des Freistaates Sachsen, vertreten durch die Landestalsperrenverwaltung Sachsen (LTV). Das Durchfahren ist verboten. Neben der bautechnischen Durchführbarkeit müsste zunächst auch die grundstücksrechtliche Umsetzbarkeit der Errichtung der beschriebenen Umtragemöglichkeiten geprüft werden.

Unter Vorbehalt des Einverständnisses der LTV müssten insbesondere an den Wehren umfangreiche bauliche Maßnahmen umgesetzt werden, um diese Route für Boote (sicher) zugänglich zu machen. Hier würden für die Stadt Leipzig derzeit nicht bezifferbare Kosten (und Folgekosten) entstehen.“

Aber das wäre nur der technische Teil. Tatsächlich sind die drei Flussabschnitte sogar noch aus anderen Gründen tabu.

Hier geht es um Gewässer im Naturschutzgebiet

„Die Nahle und die Kleine Luppe sind artenschutzrechtlich hochsensible Gewässer. Auch das Elsterbecken weist zahlreiche naturschutzrechtlich geschützte Strukturen auf. Das bestehende Rechtsregime zum Schutz der Natur und Landschaft (LSG ‚Leipziger Auwald‘), der Tier- und Pflanzenwelt (FFH), insbesondere zum Schutz der Vögel (SPA) und die gesetzlichen Vorgaben zum kohärenten Netz von Schutzgebieten (Natura 2000) können dazu führen, dass Ideen und Maßnahmen nicht ohne weitere naturschutzrechtliche Betrachtung umgesetzt werden können“, stellt das Amt für Umweltschutz in seiner Stellungnahme fest.

Relevant sind hier das FFH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ und das EU-Vogelschutzgebiet (SPA) „Leipziger Auwald“.

„Die notwendigen baulichen Maßnahmen sowie die geplante Nutzung als Rundkurs werden als Projekt im Sinne des § 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) angesehen. Gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen.

Das Projekt wird derzeit als nicht verträglich mit den Erhaltungszielen des Natura 2000- Gebietes bewertet“, schätzt das Amt für Umweltschutz ein. Erstaunlich deutlich, wenn man bedenkt, wie windelweich die Stadt sonst beim Wassertouristischen Nutzungskonzept argumentiert.

Und wirklich geeignet als Paddel-Ersatz-Route für den Gewässerknoten ist die Strecke auch nicht, wie das Amt für Umweltschutz in seiner Stellungnahme konstatiert: „Für ungeübte Paddler sind die Untiefen, Sand- und Kiesauflagen kaum zu bewältigen. Darüber hinaus sind Schäden der sensiblen Ufer- und Sohlbereiche und damit an den wertvollen Lebensräumen für gewässergebundene Flora und Fauna absehbar.“

Die Auenrettung hat Vorrang

Und noch einen Grund gibt es, warum so ein Vorhaben hier derzeit gar keinen Sinn ergibt. Denn das Flusssystem ist hier seit 100 Jahren künstlichen Charakters, hat mit dem ursprünglichen Gewässersystem der Aue nichts mehr zu tun. Und das muss sich dringend ändern. Für 46 Millionen Euro soll das Leipziger Auensystem in den nächsten Jahre revitalisiert werden. Der künstliche Charakter von Elsterbecken, Nahle und dem kanalisierten Teil der Kleinen Luppe kann so nicht erhalten werden.

„Das gemeinsam mit der Stadt Schkeuditz und in enger Kooperation mit dem Freistaat Sachsen geplante Naturschutzgroßprojekt zur Revitalisierung des Auwaldes sowie das Revitalisierungsprojekt ‚Lebendige Luppe‘ haben absoluten Vorrang gegenüber nutzungsbezogenen Maßnahmen. Eine Vereinbarkeit der genannten Vorrangprojekte mit dem gegenständlichen Antrag wird aktuell nicht gesehen“, stellt das Amt für Umweltschutz deswegen fest.

„Auch das suggerierte Ziel des Antragstellers wird verfehlt. Mitnichten würden die Maßnahmen zu einer Entlastung der Stadtgewässer führen. Vielmehr würde sich die Nutzung noch auf die empfindlichen Gewässer Kleine Luppe, Nahle und Elsterbecken ausweiten.

Im Fazit stehen die Schäden für Natur und Umwelt sowie die Aufwendungen der Stadt Leipzig sowohl für Umbau- als auch für Folgekosten (Anlagenbetrieb, Verkehrssicherung und Gewässerunterhaltung) außer Verhältnis zur Etablierung eines Rundkurses.“

Das ist einmal deutlich.

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Keine Kommentare bisher

Das ist ja mal eine Haltung des Umweltamtes, die klar die richtigen Schwerpunkte setzt. – – – Wäre das doch immer so. Und nicht nur in dem Umweltamt. Das Campingplatz-Projekt der Stadt Leipzig (SEB) am Störmthaler See wird einen ca 400 mtr langen Schilfgürtel devastieren, der eigentlich unter BNatSchG steht – warum wird das ermöglicht ? Im 42 ha großen Areal leben 123 geschützte Arten (sind bereits kartiert !!!), deren Lebensraum vernichtet wird ! Es wird sich bitterlich rächen – aber die Touristen werden es nicht wahrnehmen in Ihren Campervans und auf den asphaltierten Promenaden

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