In der Novemberratsversammlung war eine nicht ganz unwichtige Informationsvorlage nicht mehr zur Abstimmung gekommen, weil schon zu viele Stadträtinnen und Stadträte die Sitzung verlassen hatten. Das Gremium war nicht mehr beschlussfähig. Was es zur „Informationsvorlage zum Maßnahmenplan im Ergebnis der Evaluierung der Waffenverbotszone in Neustadt-Neuschönefeld bzw. Volkmarsdorf“ eigentlich nicht mehr sein musste. Aber die Grünen hatten ein ganzes Änderungspaket beantragt.
Aus gutem Grund, denn dass die Waffenverbotszone sich als völlig nutzlos und stigmatisierend erwiesen hat, wie das bei ihrer Einführung vor fünf Jahren schon absehbar war, heißt ja nicht, dass sich die Konflikte und Probleme in den Ortsteilen Neustadt-Neuschönefeld und Volkmarsdorf damit in Luft aufgelöst hätten. Die Konflikte gibt es natürlich weiterhin. Aber es sind allesamt Konflikte, die nicht mit Polizeimethoden gelöst werden können.
Eingerichtet wurde die Waffenverbotszone 2018 auf Anweisung des damaligen sächsischen Innenministers Markus Ulbig. Schon 2021 wurde gerichtlich festgestellt, dass ein wesentlicher Teil der Verordnung zur Waffenverbotszone nichtig war. Im selben Jahr zeigte die Evaluation der Waffenverbotszone, dass sie keine positiven Auswirkungen hat. Im selben Jahr beschloss der Leipziger Stadtrat dann auch die Aufhebung der Waffenverbotszone. Was natürlich bis heute nicht passiert ist.
Denn die Stadt hat diese polizeiliche Anordnung ja nicht getroffen. Aufheben müsste sie der sächsische Innenminister. Doch auch Ulbigs Nach-Nachfolger beharrt darauf, dass vor Aufhebung der Waffenverbotszone eine feste Polizeiwache im Gebiet eingerichtet wird.
Sicherheitsgefühl durch Polizei?
Ein Anliegen, das längst schon wieder zu weiteren Konflikten geführt hat. Denn während in der von der Stadt initiierten Befragung zwei Drittel der Befragten äußerten, die Anwesenheit von Polizei würde ihr Sicherheitsgefühl erhöhen, gibt es einen insbesondere migrantischen Teil der Anwohner, die mit der Polizei keine guten Erfahrungen gemacht haben. Wie groß dieser Teil ist, kann niemand sagen.
Linke-Stadtrat Oliver Gebhardt ist sich sicher, dass gerade die migrantischen Anwohner des Quartiers sich deutlich weniger an der Befragung beteiligt haben, dass ihre Stimme also in den Ergebnissen auch nicht entsprechend auftaucht.
Aber seit 2021 ist eigentlich auch klar, dass die Stadt selbst handeln muss. Sie muss hier ein umfangreiches Maßnahmenpaket auflegen, um die Konfliktlagen im Quartier aktiv zu minimieren. Weshalb die Vorlage aus dem Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport auch eine Auflistung all der Maßnahmen enthält, an denen die Stadt inzwischen arbeitet.
Den Grünen war das freilich zu wenig, weshalb sie ihren Änderungsantrag schrieben, der dann nach der Einbringung durch den Fraktionsvorsitzenden Dr. Tobias Peter am 13. Dezember noch einmal eine kleine Debatte mit sich brachte.
Und auch eine gewisse Verwirrung ausgerechnet über den Punkt, an dem die Grünen vorschlugen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich beim Freistaat bis zur Einrichtung eines dauerhaften Polizeipostens für die Einrichtung eines mobilen Polizeipostens in Verbindung mit einer vollständigen Aufhebung der Waffenverbotszone zum 1.1.2024 einzusetzen.“
Die Bedingung des Innenministers
Mit uns nicht, meinte zwar Oliver Gebhardt für die Linksfraktion.
Aber der sächsische Innenminister Armin Schuster hat im Grunde ein Ultimatum gestellt, als er an die Aufhebung der Waffenverbotszone die Bedingung knüpfte, dass vorher ein Polizeiposten eingerichtet werden soll. Schon 2023 einen festen Polizeiposten einzurichten, ist aber gescheitert.
Und so war der Grünen-Vorschlag durchaus ein Ausweg aus dem Dilemma, um nach fünf Jahren „Murks“ (Oliver Gebhardt) die Waffenverbotszone doch noch abgeschafft zu bekommen.
Aber da schaute auch Oberbürgermeister Burkhard Jung verblüfft, dass ausgerechnet dieser Punkt aus dem Grünen-Antrag überraschend mit 24:26 Stimmen abgelehnt wurde. Was augenscheinlich daran lag, dass etliche Stadträte zu diesem Zeitpunkt der Versammlung schon ziemlich unkonzentriert waren. Also ließ er die Abstimmung wiederholen. Und das Ergebnis war dann doch sehr deutlich mit 32:16 Stimmen für diesen Antragspunkt.
Künftig jedes Jahr ein Bericht
Die beiden andere Antragspunkte der Grünen waren zuvor ohne große Verwirrung positiv votiert worden.
Auch der sehr umfangreiche Punkt: „Zur Umsetzung des Maßnahmenplans folgende Maßnahmen umzusetzen und die dafür notwendigen personellen und finanziellen Mittel unterjährig bereitzustellen
a) Einrichtung eines Aktionsfonds im Umfang von außerplanmäßig bereitzustellenden 100.000 EUR ab 1.1.2024
b) Pilothafte Erprobung eines dialogischen Konfliktmanagements im öffentlichen Raum ab 1.1.2024 im Umfang von einer zusätzlichen 1 VZÄ und außerplanmäßig bereitzustellenden 50.000 EUR Sachmittel
c) Integrierte und koordinierte Umsetzung von Gewaltprävention für Kitas, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. Eine vorrangige Anwendung von Maßnahmen im Leipziger Osten ist zu prüfen. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich beim Freistaat für eine Reaktivierung der VwV Prävention einzusetzen.“
Ein Punkt, der Stadtrat Heiko Bär die Frage stellen ließ, ob der Grünen-Antrag denn nicht gegen die Geschäftsordnung des Stadtrates verstieße, da er für die beantragte Summe keinen Deckungsbeitrag genannt hat. Denn was nicht im Doppelhaushalt beschlossen ist, darf die Stadt ja nicht ausgeben.
Doch Bärs Antrag auf Geschäftsordnungswidrigkeit wurde von der Ratsversammlung mehrheitlich abgelehnt. Burkhard Jung sagte zu, auflaufende Zusatzkosten im genehmigten Haushaltsbudget zur Deckung zu bringen. Und der Antragspunkt der Grünen bekam 28:25 Stimmen.
Und weil die Unüberprüfbarkeit der Wirkung der Waffenverbotszone immer wieder Thema war, wollen die Grünen, dass jetzt die von der Stadt selbst aufgesetzten Maßnahmen jährlich geprüft werden, ob und wie sie wirken. Das war ihr zweiter Antragspunkt: „dem Stadtrat liegt, beginnend mit dem Jahr 2023 jeweils zum Ende des 4. Quartals ein Umsetzungsstand sowie ein Jahresplan für das Folgejahr.“
Der bekam mit 33:20 Stimmen ebenfalls eine Mehrheit.
Jetzt ist die Frage, ob sich der aktuelle Innenminister Armin Schuster nun erweichen lässt, auf den nun beschlossenen Leipziger Vorschlag einzugehen, einen mobilen Polizeiposten einzurichten und die Waffenverbotszone zum neuen Jahr aufzuheben. Oder ob es wieder neue Ausreden gibt, das nicht zu tun.
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