Um die Entwicklung des Matthäikirchhofs voranzutreiben, läuft derzeit ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren. In einer ersten Phase hat jetzt eine Jury unter Vorsitz von Professor Markus Neppl, Architekt und Stadtplaner aus Köln, aus 66 anonymen Einsendungen neun Entwürfe ausgewählt, teilt Leipzigs Stadtverwaltung mit. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung hat an der Preisgerichtssitzung teilgenommen.
„Der Wettbewerb ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Burkhard Jung. „Die Transformation der letzten unbeplanten Fläche innerhalb des Promenadenrings und zugleich die Weiterentwicklung der Einrichtungen, die sich dem Herbst ’89 verschrieben haben, zu einem Forum für Freiheit und Bürgerrechte beziehungsweise einem Demokratiecampus – dies wird Leipzig neue Impulse geben.“
Professor Markus Neppl ergänzt: „Der Wettbewerb hat mit der offenen Frage zum Umgang mit der Bausubstanz der Stasi und Volkspolizei aus den 1980er-Jahren über eine Öffnung des Geländes zur Innenstadt bis hin zur Ausformung eines Demokratiecampus sehr komplexe Anforderungen an die Planungsbüros gestellt. Die Vielzahl an unterschiedlichsten Lösungen zeigt, wie intensiv sich die teilnehmenden Büros mit dem Thema beschäftigt haben.“
Über die Bandbreite der Entwürfe freut sich auch Baubürgermeister Thomas Dienberg: „Ich freue mich, dass wir nun über eine solide Ausgangsbasis für die zweite Phase des Wettbewerbs verfügen. Die ausgewählten Arbeiten geben die gesamte Bandbreite der möglichen Weiterentwicklung des Areals wieder. Gerade vor dem Hintergrund der komplexen Aufgabe zeigt das Ergebnis, dass die Entscheidung für ein zweistufiges Verfahren die richtige war.“
Folgende Büros wurden ausgewählt:
· FAM Architekten, München
· SHE Architekten, Hamburg
· ARGE Sero Architekten Minkus Schröter PartmbB/Kollektiv B, Leipzig
· Hinrichsmeyer + Partner Architekten, Stuttgart
· Riehle Koeth GmbH & Co. KG, München
· S&P Sahlmann Planungsgesellschaft für Bauwesen mbH Leipzig, Leipzig
· Diercks & Schönberger Architekten, Berlin
· dichter Architekturgesellschaft mbH, Berlin
· HPP Architekten GmbH, Leipzig
Ab 19. September können die Leipziger/-innen mitdiskutieren
Die Entwürfe der Planungsbüros werden in einer zweiten Wettbewerbsphase detaillierter ausgearbeitet. Dabei sollen auch konkrete Ideen für die landschaftsarchitektonische Gestaltung des innerstädtischen Areals mit vorgeschlagen werden. Ab 19. September können die neun Entwürfe unter www.leipzig.de/matthaeikirchhof von den Leipzigerinnen und Leipzigern online diskutiert und kommentiert werden, auch eine Umfrage zu den Visionen der Planer ist vorgesehen.
Im Oktober wird es zudem eine öffentliche Veranstaltung geben, bei der die neun Büros ihre Ideen vorstellen und mit den Bürgern dazu ins Gespräch kommen. Anfang des Jahres 2024 entscheidet ein Preisgericht darüber, welcher der überarbeiteten Entwürfe Grundlage der weiteren Pläne für das Areal sein soll. Dabei werden auch die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung berücksichtigt.
Die Aufgabenstellung zum Wettbewerbsverfahren geht auf den so genannten Matthäikirchhof-Code zurück, der zwischen 2021 und 2022 in einem breit angelegten Beteiligungsverfahren entstanden ist.
Daraus gehen die Grundzüge der Planung bereits hervor: Das etwa zwei Hektar große Areal soll künftig ein lebendiges, gemischtes Quartier werden. Es soll autofrei geplant werden und sich räumlich und funktional zur Stadt hin öffnen. Dabei sind Neubauten in den denkmalgeschützten Bestand der Gebäude „Runde Ecke“ und „Saalbau“ einzuordnen. Auch der Umgang mit den nicht denkmalgeschützten Anlagen der 1980er Jahre soll sensibel geprüft werden, haben einige Beteiligten in diesem Prozess gewünscht.
Heißt: Irgendwelche Teile des Stasi-Baus mit zu erhalten.
Ein gemeinwohlorientiertes Quartier
Es ist vorgesehen, dass das neu entstehende Quartier in öffentlichem Eigentum verbleibt und gemeinwohlorientiert als „Ort der gelebten Demokratie“ entwickelt wird. Durch ein gemischtes Nutzungsprogramm inklusive Bildungs- und Kultureinrichtungen, Flächen für kleinteiliges Gewerbe, Dienstleistungen und einem hohen Wohnanteil, soll ein lebendiges Quartier entstehen. Größere Einzelhandelseinheiten sind nicht geplant, betont die Stadt.
Ab dem 9. Oktober 1989 führten die montäglichen Demonstrationszüge um den Leipziger Ring regelmäßig an der „Runden Ecke“ vorbei, der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit. Am 4. Dezember desselben Jahres wurde der Bau von Mitgliedern der Bürgerbewegung besetzt. Die besondere historische Bedeutung des Matthäikirchhofs soll durch ein sich aus der Geschichte des Ortes legitimierendes „Forum für Freiheit und Bürgerrechte/Demokratiecampus“, so der Arbeitstitel, manifestieren.
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