Es wird ernst am Bürgerbahnhof Plagwitz. Die öffentliche Beteiligung zur westlichen Teilfläche (Bebauungsplan Nr. 380.2) am Bahnhof Plagwitz startet: Das Stadtplanungsamt lädt in Kooperation mit der Flächeneigentümerin der nordwestlichen Teilfläche des Bahnhofs, der LEWO AG, am Dienstag, dem 29. August, alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ab 18 Uhr in den Westbahnhof Leipzig ein. Dieser befindet sich südlich des Bahnhofsgebäudes Plagwitz in Verlängerung der Engertstraße.
Auf dem Gelände des ehemals größten Industrieverladebahnhofs Europas in Plagwitz ist in den vergangenen Jahren ein öffentlicher Grünzug entstanden. Viele tausend Menschen nutzen jährlich das Areal, etwa den Bauspielplatz, einen Obstgarten, Graffiti-Flächen oder das Café. Der Stadtteil ist heute nicht mehr ohne diesen Freiraum vorstellbar. Die gesamte Entwicklung des Projektraums wurde als intensive Zusammenarbeit von Bürgern und Initiativen vor Ort, Verwaltung und Fachleuten organisiert.
Doch die Stadt hat nur einen Teil des einstigen Verladebahnhofs erworben. Einen mit Verladeschuppen bebauten Teil hat die Deutsche Bahn an die LEWO AG verkauft, die darauf Wohnungen und Gewerbe unterbringen will.
Doch dagegen wehren sich die Bürger vor Ort.
Oder wie es die Stadt umschreibt: „Das große Interesse zeigte sich auch in der regen Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf des Bebauungsplans für das Areal im vergangenen Jahr. Auf den Teilbereich West des Plangebiets bezogen sich dabei sehr viele Hinweise und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern – dieser wird deshalb als separater Bebauungsplan Nr. 380.2 ‚Grüner Bahnhof Plagwitz Nordteil/West‘ geführt. Nun soll hierfür der Beteiligungsprozess in moderierten Formaten fortgesetzt werden.“
Es gab über 900 Bürgereinwände. Und den Offenen Brief, den man auch weiterhin auf der Website der Bürgerinitiative „Bürgerbahnhof Plagwitz erhalten“ mitzeichnen kann.
Konkurrierende Nutzungen?
Noch gibt es kein Baurecht für die Fläche der LEWO AG. Und die Stadt tut sich schwer, die eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen.
Das klingt dann so: „Bereits jetzt konkurrieren die verschiedenen Nutzungen und Ideen für das Areal miteinander, das reicht von gewerblichen Bedarfen über Wohnraum, Gastronomie, kulturelle Flächen bis hin zum Wunsch, die öffentliche Parkanlage zu erweitern. In dem Beteiligungsverfahren sollen daher unter anderem Vertreterinnen der Bürgerprojekte, Naturschutzverbände, die Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz, Politik, Verwaltung, Wirtschaft, das Stadtumbaumanagement sowie geloste Bürgervertretungen miteinander in Dialog treten. In Workshops sollen Positionen und Ideen ausgetauscht, Verhandlungsspielräume ausgelotet und Entwicklungsoptionen verhandelt werden.“
Das klingt wie eine Gestaltungsfreiheit, die am Punkt Null beginnt. Aber ein Blick auf die Karten der Stadtklimaanalyse zeigt auf, dass gerade dieser Bereich einen der wichtigsten Frischluftschneisen im Stadtgebiet ist und große Teile von Plagwitz mit kühlerer Frischluft versorgt. Sodass die Fläche auch aus Sicht des Amtes für Umweltschutz begrünt, aber nicht bebaut werden dürfte.
In einem zehnminütigen Film hat Eric Lenz die Konflikte rund um dieses wichtige Stück Grün zusammengetragen.
Bürgerbahnhof Plagwitz Erhalten! – Reportage
Was gelten eigentlich Beschlüsse zum Klimaschutz?
Aber das Vorgehen der Stadt zeigt einmal mehr, wie leicht es in deutschen Großstädten ist, wichtige Beschlüsse zu Umwelt- und Klimaschutz auszuhebeln, wenn ein Investor einfach Baupläne vorlegt. Dann greift auf einmal das Baurecht und alles läuft dann fast automatisch auf jene hilflose Geste aus dem Stadtplanungsamt hinaus, das dann – wie jüngst an der Stadtelster – bedauert, dass der Stadt leider die Hände gebunden sind und sie die Baugenehmigung nicht verweigern kann.
Das heißt: Wenn der Stadtrat einem Bebauungsplan zustimmt, der hier Bebauung ermöglicht, sind alle Messen gesungen.
Und so hat auch die Bürgerinitiative „Bürgerbahnhof Plagwitz erhalten“ den 29. August im Terminplan, um die Gelegenheit zu nutzen, ihre Position in Anwesenheit der Verantwortlichen noch einmal deutlich zu machen.
Jona Holm von der Bürgerinitiative „Bürgerbahnhof Plagwitz erhalten“, welche sich gegen die Bebauung der Freifläche und für die Interessen der Anwohner/-innen einsetzt, erklärt dazu: „Wir begrüßen es, dass die Stadt ihre Bürger und Bürgerinnen an den Planungsprozessen beteiligen möchte und hoffen auf weitere kooperative Partizipationsmöglichkeiten, damit die anwohnenden Menschen in die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfelds einbezogen werden.“
Leiser Optimismus
In ihrem offenen Brief an OBM Burkhard Jung, Baubürgermeister Thomas Dienberg, Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal und Rüdiger Dittmar, Leiter des Amts für Stadtgrün und Gewässer, fordert die Bürgerinitiative zudem, dass die Fläche als Frischluftschneise und Freigelände für die Anwohner/-innen erhalten bleibt, also nicht weiter bebaut wird. Sie stützt sich dabei unter anderem auf die Stadtklimaanalyse des Amts für Umweltschutz der Stadt Leipzig, die das Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofs Plagwitz seit mindestens 2019 als Hitzehotspot ausweist und von einer weiteren Verdichtung grundsätzlich abrät.
Fast 2.000 Menschen haben den Brief schon unterzeichnet. Man findet ihn hier.
Die Anwohnerin Claudia Pölz blickt zumindest optimistisch auf die Veranstaltung am 29. August: „Ich wünsche mir, dass viele interessierte Menschen kommen und freue mich darauf, dass wir unsere Ideen und Wünsche zu der brachliegenden Fläche anbringen können. Ich werde meine Bedenken zu der drohenden Bebauung äußern, denn es sind dann Menschen vom Stadtrat da und die entscheiden schlussendlich in der Stadtratsversammlung, ob es einen Bebauungsplan für den Bürgerbahnhof gibt bzw. wie der aussehen wird.“
Der Termin: Die Veranstaltung am Dienstag, 29. August, ist öffentlich und eine seltene Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Stadt lädt ab 18 Uhr im Westbahnhof Leipzig (Bahnschuppen südlich des Bahnhof Plagwitz an der Ladestraße) zu einer öffentlichen Veranstaltung ein, die als Auftakt für den weiteren Planungsprozess dienen soll.
Auf Einladung des Stadtplanungsamts werden die Besitzerin (LEWO AG), Politiker/-innen der Stadtratsfraktionen, Naturschutzverbände sowie Anwohner/-innen und aktive Menschen aus den Bürgerprojekten wie z. B. dem „Heiter bis Wolkig“, dem Hildegarten und dem „Bauspielplatz Wilder Westen“, dabei sein.
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