Am Ende wird es über 80 Jahre gedauert haben, bis aus dem 1943 zerbombten Markthallenviertel wieder ein dicht bebautes Quartier geworden ist. Am Dienstag, dem 6. Juni, nahm die Transformation des Gebiets am Wilhelm-Leuschner-Platz die nächste Hürde: Der Bebauungsplan Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz“ wurde durch den Oberbürgermeister Burkhard Jung in der Dienstberatung bestätigt.

Der Stadtrat wird voraussichtlich in seiner Sitzung am 5. Juli über den Bebauungsplan entscheiden. Und dann wird auch schon losgebaut. Die ersten bauvorbereitenden Maßnahmen sind ja schon an der Windmühlenstraße zu sehen.

Burkhard Jung sagt bei der Gelegenheit: „Leipzig bekommt eine neue, lebendige Mitte: mit Platz für Wissenschaft und Wohnen, für ein Museum, die Markthalle, Musik- und Volkshochschule, viel Grün – und nicht zuletzt für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal.“

Zumindest ist er sehr optimistisch, dass das neue Stadtquartier so attraktiv wird, dass dann nach Vollendung wirklich von einer Erweiterung der Innenstadt geredet werden könne.

Das Markthallenviertel

Das rund sechs Hektar große Stadtquartier unmittelbar südlich der Innenstadt ist seit der Zerstörung im Krieg unbebaut. Der im Jahr 2017 vom Stadtrat für den Platz beschlossene Masterplan stellt die Grundlage des jetzt vorliegenden Bebauungsplanes dar. Und auch der war ja nicht der Auftakt für die neue Bebauung. Seit Ende der 1990er Jahre beschäftigt sich die Stadt mit dem Thema. Richtig konkret wurde es, als die Grünen-Fraktion den Bau einer neuen Markthalle an der Stelle der 1943 zerstörten Markthalle beantragte.

Die Zentralmarkthalle auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz hatte über fünfzig Jahre lang die Leipzigerinnen und Leipziger mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs versorgt. Sie entstand in den 1890er Jahren nach den Plänen des Stadtbaumeisters Hugo Licht, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und in den 1950er Jahren schließlich abgerissen.

Visionen für die Kriegsbrache

Ausgangspunkt für die Bebauungsplanung war die Vorentwurfskonzeption der Architekten Professor Pelčák und Professor Wolf (Brünn/Leipzig). Der Bebauungsplan soll nun die Voraussetzungen für einen grünen Stadtplatz und ein nutzungsgemischtes Quartier schaffen – mit einer wiederbelebten Markthalle, einem Bildungscampus mit Volkshoch- und Musikschule, Institutionen aus dem Bereich Wissenschaft und Universität sowie Platz für zentral gelegene Wohnungen. Gesetzt sind schon das Leibniz-Institut für Länderkunde, das noch in diesem Jahr mit dem Bau seines neuen Gebäudes beginnen möchte.

Auch das Gebäude für den Global Hub hat schon seine Wettbewerbs-Lorbeeren gesammelt und könnte 2025/2026 gebaut werden. Das neue Naturkundemuseum im ehemaligen Bowlingtreff könnte 2027 bezugsfertig sein. Während sich wichtige Bausteine wie das Gebäude für die Juristenfakultät der Uni Leipzig und das Forum Recht sowie der von der Stadt geplante Komplex mit Markthalle, Volkshochschule, Musikschule bis in die 2030er Jahre hinziehen könnten.

Übersicht über die geplanten Nutzungen am Wilhelm-Leuschner-Platz. Grafik: Stadt Leipzig
Die geplanten Nutzungen am Wilhelm-Leuschner-Platz. Grafik: Stadt Leipzig

Zwei Banddurchschnitte jedenfalls wünscht sich Burkhard Jung, der bei der nächsten OBM-Wahl nicht wieder antritt. Wirklich komplett soll das neue Quartier irgendwann Mitte der 2030er Jahre sein.

Bürgerbeteiligung und Protest

Mit dem Planungsprozess ging eine Vielzahl an Beteiligungsformaten einher, beispielsweise Workshops, Streitgespräche, Kolloquien und mehr. Einiges davon ist in den B-Plan eingeflossen. Denn dass ziemlich viele Leipziger sehr verärgert waren über den geplanten kompletten Kahlschlag der auf dem Platz gewachsenen Vegetation, hat natürlich Eindruck gemacht. Auch weil auch Leipzigs Planer wissen, wie unersetzlich hier Bäume, Hecken und jedes Stück Frischluftschneise ist.

Deutlich mehr Mitsprache hatten die Leipziger bei der künftigen Freiflächengestaltung. Zuletzt gab es eine öffentliche Umfrage zum anstehenden Wettbewerb für die Freiflächengestaltung, auch die Stiftung Friedliche Revolution hat ihren Beteiligungsprozess zur Standortfindung für das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal abgeschlossen.

Rechts von der Markthallenstraße wird die Bebauung mit einer klaren Kante enden. Foto: Ralf Julke
Rechts der Markthallenstraße wird die Bebauung mit einer klaren Kante enden. Foto: Ralf Julke

Zum nächsten runden Jubiläum der Friedlichen Revolution 2024 gibt es jetzt zwar doch nicht die gewünschte Grundsteinlegung für das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Aber Burkard Jung rechnet damit, dass im Oktober 2024 die Wettbewerbsergebnisse vorliegen und zumindest klar ist, wie das Leipziger Freiheitsdenkmal aussehen wird.

Seinen Platz finden soll es ja auf der nicht überbauten Fläche des Wilhelm-Leuschner-Platzes. 3.500 Quadratmeter sind dafür vorgesehen. Welchen Teil des Platzes die Wettbewerbsteilnehmer dafür auswählen und ob sie überhaupt so viel Platz brauchen, wird der Wettbewerb zeigen. Sie sind darin frei, auch wenn der Freiflächenwettbewerb dem Denkmalwettbewerb voraus geht.

Der Bebauungsplan

Der Bebauungsplan legt nun unter anderem im östlichen Teil die Einteilung der Baufelder fest, staffelt Gebäudehöhen und macht Gestaltungsvorschriften für die geplanten Bauten und sieht für den westlichen Teil eine neu zu gestaltende Freifläche vor. Die überbaute Markthalle wird auf dem historischen Markthallengrundstück platziert. Das Baudenkmal des ehemaligen Bowlingtreffs wird integriert – hier ist das neue Naturkundemuseum schon gesetzt. Der Plan legt auch fest, welchen Anteil Wohnungen im nördlichen
und südlichen Baufeld ausmachen. Vorgaben gibt es zudem zum Schallschutz, insbesondere für die Wohnnutzungen.

Die im Bild zu sehenden Baustrukturen sind – bis auf Global Hub – noch nicht die endgültigen architektonischen Entwürfe. Gerade für das Forum Recht/Juristenfakultät an der Nordspitze mit dem markanten Turm wünscht sich Jung einen echten Hingucker.

Baustrukturen für die Bebauung am Wilhelm-Leuschner-Platz. Lediglich der Glocal Hub (das hölzerne Gebäude in der Bildmitte) hat schon seine architektonische Ausformung. Foto: Stadt Leipzig
Die Baustrukturen für die Bebauung am Wilhelm-Leuschner-Platz. Lediglich der Glocal Hub (das hölzerne Gebäude in der Bildmitte) hat schon seine architektonische Ausformung. Foto: Stadt Leipzig

Einen ganz wesentlichen Part im B-Plan machen umweltbezogene Festlegungen aus – es hatte zuletzt immer wieder Kritik gegeben, weil die Arbeiten in den gewachsenen Gehölzbestand eingreifen, gibt auch die Stadtverwaltung zu.

Das Quartier bietet künftig nur eine sehr begrenzte Anzahl Pkw-Stellplätze, es ist als autoarmes Viertel mit idealer ÖPNV-Anbindung konzipiert. Prämisse ist zudem, dass sich die Anzahl vorhandener Bäume nicht vermindern darf, zusätzliche Sträucher sollen gepflanzt werden. Da aber im östlichen Teil alle gefällt werden, bedeutet das, all diese Gehölze auf dem westlichen Teil neu zu pflanzen.

Fotovoltaikanlagen und intensive Dachbegrünung sind ebenso vorgesehen wie Bodendecker auf Tiefgaragen, ein Konzept zur Regenwasserbewirtschaftung auf den Freiflächen sowie zur Artenvielfalt.

Die Bürgerbeteiligung

In die Aufgabenstellung für diesen Wettbewerb fließen die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung ein. So sehen 85 Prozent der Befragten in den Punkten Aufenthalt und Erholung die vorrangige Funktion des Wilhelm-Leuschner-Platzes. Nach der Atmosphäre befragt, wünschten sich 52 Prozent einen „bepflanzten, blumigen, kleinteiligen“ Ort wie etwa der Platz am Steintor in Halle.

Zu sehen sind die möglichen Zeiträume für die Bebauung am Wilhelm-Leuschner-Platz. Grafik: Stadt Leipzig
Die möglichen Zeiträume für die Bebauung am Wilhelm-Leuschner-Platz. Grafik: Stadt Leipzig

Das Amt für Umweltschutz hat für den Wettbewerb für das westliche Areal vorgegeben, dass mindestens 3.000 Quadratmeter als zusammenhängende Grünfläche eingeplant werden sollen – als sogenannte Klimakomfortinsel. Maximal 3.500 Quadratmeter dürfen versiegelt werden. Die Ausschreibung für die Freiflächengestaltung ist für Juli dieses Jahres geplant. Im Februar 2024 entscheidet eine Jury dann über die Wettbewerbsergebnisse, die dann wiederum die Ergebnisse des Wettbewerbs zum Freiheits- und Einheitsdenkmal aufnehmen sollen.

In einer Studie führen das Stadtplanungsamt und das Referat Strategische Kulturpolitik derzeit zudem die Flächenbedarfe von Volkshochschule, Musikschule, Markthalle und Wohnen zusammen. Die Ergebnisse sollen in Kürze öffentlich vorgestellt werden und können als Vorlage für einen Realisierungswettbewerb zum Bildungs- und Markthallencampus dienen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar