Nicht einmal ein Jahr haben sie gehalten: Erst im April 2022 wurden die „Warming Stripes“ auf der Sachsenbrücke feierlich eingeweiht. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther übernahm die Schirmherrschaft. Initiiert wurden die Streifen, welche die Erwärmung des Klimas seit 1971 sichtbar machen, vom Klimabündnis „Leipzig fürs Klima“. Und da war man richtig froh, dass die Stadt das Projekt sofort unterstützte. Es wurde sogar vom Amt für Umweltschutz gefördert. Aber irgendwie sprachen dann einige Ämter nicht miteinander.

Denn die Stadteinigung Leipzig, auch zuständig für die Brücke, machte einfach weiter wie bisher. Und das hieß: Sie befuhr die Brücke weiter mit Kehrmaschinen, deren stählerne Bürsten die im April 2022 so sorgfältig aufgetragene Farbe mit jeder Drüberfahrt weiter abfrästen. Vom leuchtenden Farbspektrum blieb mittlerweile nur ein kaum noch als „Warming Stripes“ wahrnehmbares Fragment.

Natürlich ist jetzt die Frage: Wie kann man die Streifen wieder herstellen? Und wie kann man vor allem dafür sorgen, dass sie dauerhaft zu sehen sind?

Eine Frage, die auch das Klimabündnis bewegt.

Eine Möglichkeit wäre eine klare Absprache mit der Stadtreinigung gewesen, die Fläche der „Warming Stripes“ eben nicht mit der Kehrmaschine zu befahren, sondern lieber von Hand zu fegen oder andere Bürsten einzusetzen. Eine weitere Option könnte eine andere Farbschicht sein, die auch robust genug ist, den Kehrbesen der Stadteinigung zu widerstehen. Nach einer Lösung wird schon seit geraumer Zeit gesucht.

Es sollte das Verursacherprinzip gelten

Aber die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen wird jetzt ungeduldig und hat einen Antrag ins Ratsverfahren eingereicht, der das im April 2022 errichtete Klimaschutzprojekt „Warming Stripes“ auf der Sachsenbrücke thematisiert und die Stadt Leipzig auffordert, gemäß dem Verursacherprinzip eine umgehende Wiederherstellung auf eigene Kosten zu gewährleisten.

Denn finanziert wurden die „Warming Stripes“ ja auch aus Spenden, die das Leipziger Klimabündnis gesammelt hatte.

„Etwa ein Jahr ist seit April 2022 vergangen, da ist das Werk faktisch zerstört. Grund dafür sind die von der Stadtreinigung genutzten gewöhnlichen Stahlbürsten der Kehrmaschinen, die die umweltverträgliche Farbe im Gegensatz zu den herkömmlichen und weniger umweltfreundlichen Straßenmarkierungen abreibt. Dieser Zielkonflikt hätte durch die Nutzung von Synthetikbürsten gelöst werden können oder durch einen Hinweis an das Projektteam, welches den Förderungsantrag gestellt hat“, sagt Jürgen Kasek, Sprecher für Umwelt- und Klimaschutz der Grünen-Fraktion, zum entstandenen Dilemma.

„Es kann doch nicht zu viel verlangt sein, dass gerade bei einem solchen wertvollen Projekt, welches sogar internationale Beachtung gefunden hat, das Umweltdezernat aktiv zum Gelingen dieses Projektes beiträgt. Stattdessen wirft das Geschehene kein gutes Licht auf den sowohl für Klima- als auch die Stadtreinigung zuständigen Umwelt- und Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal, der hier offenbar bloß tatenlos zugesehen hat.“

Wer baut da eine Drohkulisse auf?

Und es wurde noch seltsamer, denn nach Informationen der Grünen wurde das Klimabündnis seitens der Stadt aufgefordert, Gewährleistungsansprüche gegen das beauftragte Unternehmen zu richten, welches die umweltfreundliche und dadurch weniger widerstandsfähige Farbe genutzt hat.

Zugleich wurde offenbar auch angedroht, die gewährten Fördermittel zurückzahlen zu müssen, da das Projekt nicht die geforderte Laufzeit und Außenwirkung erzielt habe, benennen die Grünen den nächsten seltsamen Vorgang.

„Dieses Vorgehen entsetzt mich“, sagt Kasek. „Es erscheint völlig widersinnig, da es ganz bewusst verkennt, dass auch und insbesondere die Stadt Leipzig und das eigene Dezernat keineswegs schuldlos an der Situation ist. Statt hier einseitig und ohne Selbstreflexion die Verantwortung auf die engagierten Klimaaktivisten/-innen abschieben zu wollen, erwarten wir, dass Bürgermeister Rosenthal einen Weg findet, den entstandenen Schaden einvernehmlich und vor allem auch selbstkritisch im Sinne des Projektziels zu beheben.

Hierzu fordert meine Fraktion mit diesem Antrag den Umweltbürgermeister auf!“

Die Sicht der Initiatoren

Eher mäßigend äußern sich hingegen die Initiatoren der „Warming Stripes“ auf LZ-Nachfrage. Sichtlich um eine Lösung des eigentlichen Problems – also die Wiederaufbringung der fast verschwundenen Streifen – bemüht, habe man bereits frühzeitig auf das Verblassen hingewiesen.

„Bereits am 6. Juli 2022 schilderten wir in einer eMail an das Referat Nachhaltigkeit und Klimaschutz und parallel an Fachbürgermeister Heiko Rosental den Sachverhalt. Seitdem sind wir im regelmäßigen Austausch mit der Stadtverwaltung und dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig, sowie verschiedenen Vertreter*innen mehrerer Stadtratsfraktionen“, so der Hauptinitiator Jörg Schwulst von den „Parents for Future“ Leipzig. Und verweist noch einmal auf die Dimension der Aktion und ihre Wirkung im In- und Ausland.

So zeigte neben Berichten in der lokalen und überregionalen Presse auch „Özden Terli (…) zum Sommeranfang 2022 die Warming Stripes der Sachsenbrücke im ZDF-Mittagsmagazin und ebenfalls im Juni 2022 sah und las man in der New York Times von der Leipziger Brücke mit ihren besonderen Streifen“. Und „Sie können die Warming Stripes jetzt vom Weltraum aus sehen. #ShowYourStripes“ twitterte der britische Klimaforscher Ed Hawkins stolz, welcher als Erfinder der Warming Stripes bzw. Initiator des Aktionstages #ShowYourStripes gilt.

Da mittlerweile also die Wirkung des Projektes infrage gestellt wird, schreiben die Initiatoren weiter: „Auch heute noch kann man die Warming Stripes auf der Sachsenbrücke auf den Karten von Google Maps in ihrer ursprünglichen Form im Frühsommer 2022 sehen“.

Doch auch sie müssen attestieren, dass „die Warming Stripes mittlerweile fast nicht erkennbar sind“ und das „zweifelsohne am Abrieb durch die Reinigungsarbeiten“ liege. „Dennoch möchten wir als Initiator*innen nicht behaupten, einen besseren Einblick über Maß und Mittel zur Reinigung der Sachsenbrücke zu haben und halten Schuldzuweisungen für wenig zielführend“.

Stattdessen hoffen Schwulst und seine Mitstreiter/-innen nun auf einen konstruktiven Weg durch einen neuen Ratsbeschluss. Und keine „Strafzahlungsforderung“ an sie und letztlich die Wiederaufbringung der „Warming Stripes“. Dieses Mal für länger.

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Es gibt 5 Kommentare

So weit kommt es noch, dass #heikoluegt sich um Angelegenheiten in seinem Dezernat kümmert. Das hat er 17 Jahre nicht getan, damit wird er auf den letzten Metern auch nicht mehr anfangen.

Was soll ich sagen… beim Kampf Symbolpolitik vs. Realitätssinn gewinnt eben immer die harte Wirklichkeit.

Liebe L-IZ veröffentlicht doch einmal das Pflichtenheft / Aufgabenstellung. Danach kann man den Verursacher sicher klar erkennen.

@Chris
Sicher, einige Punkte hätte man im Vorfeld besser prüfen können. Allerdings haben Sie scheinbar überlesen, dass bereits kurz nach den ersten Schäden am 6. Juli 2022 die zuständigen Ämter informiert wurden. Die Stadtreinigung hat trotzdem weiter gekehrt, also quasi fast ein Jahr lang weiterzerstört. Kritisiert wird ja auch, dass das fördernde Umweltamt und die Stadtreinigung zum gleichen Dezernat gehören und der Bürgermeister hier scheinbar tatenlos zusieht.

Mittlerweile echt k*ckfrech, was manche Personen von sich geben – damit meine ich nicht die Verwaltung.
Wenn man ein Projekt initiiert, so hat man sich vorher grundlegend über folgende Punkte klar zu sein: Ziele, Folgen, Kosten-Nutzen-Verhältnis, Ausführung, evtl. Erlaubnisse/Genehmigungen, Wartung und Pflege. Das sind ganz grundlegende Dinge. Hier im Beispiel wurde sich offenbar ganz bewusst gegen widerstandsfähige Bodenmarkierungsfarbe entschieden – dementsprechend hätte man schon bei der Entscheidungsfindung zur Farbe den Prozess der Wartung und Pflege ganz genau unter die Lupe nehmen müssen. Nun gut, Fehler passieren – aus ihnen lernt man.
Aber sich, wie Herr Kasek, hinzustellen und die Schuldfrage völlig umzukehren und u.a. die manuelle Reinigung der Sachsenbrücke (und wir wissen alle, wie es da – gerade nach warmen Tagen/Nächten – aussieht) zu fordern, das ist k*ckfrech.
Und ja, es ist legitim die beauftragte Firma in Regress zu nehmen, bzw. dies zu prüfen – Mangelansprüche gemäß BGB gibt es nicht umsonst und das sollte ein Anwalt(!?) wissen.

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