Ein Vorstoß aus dem Stadtbezirksbeirat Leipzig-Altwest hat jetzt Erfolg und zeigt, dass das Bemühen in Leipziger Stadtteilen, in einigen Straßen mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, zwar Geduld und Spucke braucht, aber tatsächlich auch von Erfolg gekrönt wird, wenn die Verwaltung das Anliegen aufnimmt.

Und so soll jetzt die Merseburger Straße in Lindenau von der Kreuzung zur Karl-Heine-Straße bis zur Kreuzung Aurelienstraße eine Zone für den Fußgänger- und Radverkehr werden.

Ziel ist es dabei, die Straße zu einer Geschäfts- und Freisitzstraße zu entwickeln. Die Anlieferung für Gewerbetreibende ist dann nur noch zeitlich beschränkt möglich. Die entsprechende Umwidmung der Straße in einen beschränkt öffentlichen Weg hat die Stadtspitze jetzt auf Vorschlag von Baubürgermeister Thomas Dienberg beschlossen.

Ab November Flaniermeile

Nach einem formellen Umstufungsverfahren tritt diese voraussichtlich im November in Kraft. Grundlage hierfür ist § 8 des Sächsischen Straßengesetzes. Polizei- und Rettungsfahrzeuge sowie Fahrzeuge der Ver- und Entsorgung wären weiterhin zugelassen. Auch Anlieger, die einen Stellplatz im Hinterhof nachweisen können, können noch ein- und ausfahren, so die Stadtverwaltung.

Zu den Details will die Stadt voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Stadtbezirksbeirats Alt-West am 7. Juni sowie bei einem Vor-Ort-Termin im Sommer dieses Jahres informieren.
Die Umwidmung geht auf einen Stadtratsbeschluss aus dem Juni 2022 zurück, nach dem die rechtlichen Voraussetzungen für diese Änderung geprüft werden sollten.

Stichwort: „Kleine feine Merse“. Verkehrszählungen in den Jahren 2018 und 2022 haben nun ergeben, dass Fuß- und Radverkehr mit 45 beziehungsweise 46 Prozent längst schon die vorherrschenden Verkehrsarten in diesem Straßenabschnitt sind. Diese Werte sind zudem gewachsen, allein im untersuchten Zeitraum um 20 Prozent.

Der Fußverkehrsverantwortliche der Stadt, Friedemann Goerl, sagt dazu: „Ziel der Stadt Leipzig ist es, mehr städtische Räume mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln, wo Menschen nicht durch Autos oder Motorräder gestört werden. Die Merseburger Straße soll deshalb in diesem Abschnitt zu einer Flaniermeile werden, in der der Fuß- und Radverkehr an erster Stelle steht. Auch für den Lieferverkehr verbessert sich die Situation, weil die Andienflächen nicht durch dauerhaft parkende Autos verstellt werden.“

Mehr Aufenthaltsqualität und weniger Gefahr

Nach Einschätzung des Verkehrs- und Tiefbauamtes überwiegen die Vorteile der Umstufung der Straße deutlich: Durch die Verkehrsberuhigung werden Gefahren gemindert, insbesondere für Kinder und Senioren, zudem erhöht es die Aufenthaltsqualität. Auch wird erwartet, dass sich das Stadtklima verbessert. Darüber hinaus gibt es genügend alternative Straßen, um das Quartier zu erschließen.

Auch die Anlieferung für Gastronomen und Geschäfte ist gesichert. Ein größerer Umbau des Straßenabschnitts ist derzeit nicht geplant, vielmehr soll die Merseburger Straße als Pilotprojekt dienen, wie Flaniermeilen gemeinsam mit Anwohnerinnen und Gewerbetreibenden entwickelt werden können.

Straße mit bewegter Vergangenheit

Die Merseburger Straße verbindet die Ortsteile Altlindenau und Plagwitz auf sehr direktem Weg miteinander. Seit Ende des 19. Jahrhunderts fungiert sie außerdem als eine wichtige Einkaufsstraße, bereits zu DDR-Zeiten wurde der Straßenabschnitt zwischen Aurelien- und Karl-Heine-Straße deshalb umgestaltet. Es entstanden Hochbeete, an einigen Stellen vorgezogene Gehwegbereiche mit Großplattenpflasterung sowie einer besonderen Straßenbeleuchtung.

In den vergangenen Jahren nahm in den Erdgeschossen der Straße zudem der Anteil der Gastronomie wieder spürbar zu, hierbei machen sich auch „Überlaufeffekte“ aus der prosperierenden Karl-Heine-Straße bemerkbar, so die Stadt.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 6 Kommentare

@Urs
> “Was ist eigentlich mit dem mit Flughafen-Mutterboden bedeckten “Jahrtausendfeld”? Wäre das nicht ein Platz für einen Park, in dem es vielleicht so ein bißchen wie schön werden könnte, Stichwort “Aufenthaltsqualität”?”
Natürlich wäre dies ein Platz für einen Park. Aufenthaltsqualität bemisst sich doch aber nicht nur am Park 500m weiter, sondern auch in den Straßen direkt. Da wird ein Lokalität mit Freisitz von vielen vielleicht höher bewertet als eine Durchfahrtsstraße. Die Merseburger Str. ist in diesem Bereich definitiv nicht als Durchgangsstraße geeignet. Viel zu eng. Daher macht es durchaus Sinn, den Durchgangsverkehr um die Wohnviertel herum zu lenken. Andere Länder haben dies bereits erkannt (Stichwort Superblocks), aber wahrscheinlich sind die alle zu doof. Theoretisch müsste die Stadt auch noch den Durchgangsverkehr durch die Gießerstr. unterbinden, auch da gibt es entsprechende Umfahrungsmöglichkeiten.

Doch, sehr geehrter User “TLpz”, es kann sein, daß ohne Auto Lebensqualität steigt. Derlei ist aber weder notwendig noch hinreichend. Wenn diese Sicht aber forciert wird, so daß damit eine Art Erlösungsphantasie einhergeht, dann scheint es mir, daß wir in ein Zeitalter des Hokuspokus zurückgefallen sind. Es reicht einfach nicht, Kfz zu dämonisieren und dann auch noch unschuldige “Baumschultriebe auf Rädern” umherzukarren und den Leuten vor die Nase zu stellen.

Was ist eigentlich mit dem mit Flughafen-Mutterboden bedeckten “Jahrtausendfeld”? Wäre das nicht ein Platz für einen Park, in dem es vielleicht so ein bißchen wie schön werden könnte, Stichwort “Aufenthaltsqualität”?

Ohne Auto nicht so ganz, Anwohner mit rückwärtigen Parkplatz und Versorgungs- und Entsorgungsfahrzeuge dürfen.
Ansonsten dürfen E-Fahrräder (max. 25km/h) und E-Mofas (max. 25km/h) dürfen nicht. Sowie E-Roller (max. 20km/h) dürfen. Schon ein richtiger Wirr Warr.

@Tai.Fei@online.de
User Urs muss halt meckern, weil hier das Auto aus einem Straßenabschnitt verbannt wird. Aus einem sehr engen Abschnitt, weshalb der Verkehr schon seit geraumer Zeit über größere Achsen geführt wird. Es kann halt nicht sein, dass ohne Auto die Lebensqualität steigt!

@Urs
“oder über die Zschochersche und den Felsenkeller, oder die Gießerstraße”
Kapier ich nicht, beide Straßen sind, im Gegensatz zu diesem Stück viel wichtigere Verkehrsachsen und das schon viel länger. Nicht umsonst sind das die Strecken für den ÖPNV. Also was soll die Aufregung?

Gibt es eigentlich schon Flaneure, die quasi in den Startlöchern stehen ab November? Oder flanieren vorwiegend die Biedermeier-Gäste während des WGT?

Bis heute habe ich den im Grunde schon jahrzehntelang zurückliegenden stadtplanerischen Schritt, die Mersebuger Straße von der Lützner Straße bis zur Karl-Heine-Straße immer weiter undurchlässig zu machen (das fing tatsächlich in den Achtzigern an), nicht ganz verstanden. Es gibt dort im Quartier viele Nebenstraßen, aber die Merseburger Straße war eine Achse bis zum Stadtrand. Motorisierte und nichtmotorisierte Verkehre aller Art hätte man vielmehr dort kanalisieren können, statt diese nun über die Gutsmuthsstraße und die weiteren Parallelen diffundieren zu lassen, oder über die Zschochersche und den Felsenkeller, oder die Gießerstraße usw. Das VTA wird mit “Darüber hinaus gibt es genügend alternative Straßen, um das Quartier zu erschließen.” zitiert. Hhm, ist das logisch, oder hätte man nicht besser genau umgekehrt argumentieren können?

Daß der ” Fußverkehrsverantwortliche” Friedemann Goerl zu der nun anstehenden Vollsperrung für unbefugte Kfz, was man heute halt euphemisiert Verkehrberuhigung nennt, auch noch eine schöne Strophe in den Freudengesang einflechten kann, in der das Buzzword “Aufenthaltsqualität” nicht fehlte, ist allerdings das Mindeste. “Andienflächen” ist für mich ein lustiger Neologismus, den ich fürderhin fleißig einsetzen werde.

Die mobilen Baum-Wagen der Verkehrswende-Enthusiasten haben ihren Dienst in der Merseburger Straße anscheinend abgeleistet und stehen nun woanders, etwa in der Zschocherschen Straße, um den dortigen Anwohnern eine Nase zu drehen.

Schreiben Sie einen Kommentar