Leipzigs Umweltschutzbehörde ist entweder zahnlos – oder sie hat einfach keine Lust, sich mit anderen Ämtern anzulegen. Das wurde auch bei den Plänen der Stadt zum Neubau der Gustav-Esche-Brücke I über die Neue Luppe deutlich. Eine Fachaufsichtsbeschwerde der Initiative Stadtnatur bei der Landesdirektion machte klar, dass hier völlig grundlos der Schutzstatus des Auwaldes für eine kurzerhand geplante Autoumfahrung der Baustelle geopfert wurde.

Das war schon bei der kleinen Gustav-Esche-Brücke der Fall, an welcher derzeit noch gebaut wird. Da brachte der Einspruch das Bauvorhaben nicht zum Innehalten. Aber als nun die Stadt auch den Neubau der Bücke über die Kleine Luppe mit rigoroses Eingriffen in den gewachsenen Baumbestand zur Vorlage brachte, war auch die Grünen-Fraktion nicht mehr bereit, so ein Vorgehen mitzutragen.

Ihren ursprünglichen Antrag, die Brücke jeweils halbseitig zu bauen und damit für den Kfz-Verkehr befahrbar zu lassen, ohne hundertjährige Baumbestände fällen zu müssen, hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen jetzt noch einmal umgeschrieben.

Und wird dabei noch deutlicher.

„Die Straßenverkehrsbehörde argumentiert, dass die Leistungsfähigkeit der stark frequentierten Straße während der Bauzeit erhalten bleiben muss und daher ein Ersatzneubau durch das angrenzende Landschaftsschutzgebiet geschaffen werden muss. Dies stellt einen sehr starken Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald und Vogelschutzgebiet dar, bei dem 51 Bäume gefällt werden würden“, beschreibt der Antrag der Grünen die letztlich inakzeptable Situation.

Falsche Prioritäten

Aber das Bauvorhaben macht eben auch noch einmal deutlich, dass einige Ämter in der Stadtverwaltung immer noch Prioritäten setzen, die dem Schutz bedrohter Umweltgüter schlichtweg keine Rechnung tragen.

„Abgestellt wird dabei einseitig nur auf die Belange des Autoverkehrs. Die Belange des Naturschutzes werden nachrangig behandelt. In Zeiten von Klimakrise und Trockenheit weisen viele Bäume im Leipziger Auwald bereits deutliche Schäden auf. Der Einschlag jetzt kann auch in den nächsten Jahren nicht kompensiert werden“, stellt die Grünen-Fraktion fest.

„Es ist auch nicht mehr vermittelbar, dass generell Umweltschutzbelange nachrangig gewichtet werden. Die Verwaltung sollte daher alles dafür tun, die Brücke im Bestand zu sanieren, auch wenn dem eine statische Sicherung vorangestellt werden muss. Die Einschränkungen des Verkehrsflusses sind in der ausgeglichenen Abwägung aller Schutzgüter zumutbar.

Auf der Gustav-Esche-Brücke über die Neue Luppe. Foto: Ralf Julke
Auf der Gustav-Esche-Brücke über die Neue Luppe. Foto: Ralf Julke

Sollte eine Sanierung im Bestand aus baulichen Gründen nicht möglich sein, muss eine neue Planung vorgelegt werden, inklusive aller notwendigen Prüfungen unter Einbeziehung der Umweltverbände sowie den Maßgaben der Stellungnahme der Landesdirektion.“

Grüne verlangen Neuplanung

Und genau das beantragen die Grünen nun: „Die bestehende Gustav-Esche-Brücke I in der Gustav-Esche-Straße über die Neue Luppe wird soweit instandgesetzt, dass eine Sanierung im Bestand durchgeführt werden kann.“

Wobei durchaus möglich ist, dass die Betonsubstanz der fast 100 Jahre alten Brücke (Baujahr 1927) tatsächlich so porös ist, dass nur ein Neubau infrage kommt.

Aber dafür fordern die Grünen eine Neuplanung: „Sollte eine statische Sicherung und in der Folge die Sanierung im Bestand aus baulichen Gründen ausgeschlossen sein, ist dem Stadtrat eine neue Planung vorzulegen. Bei den dann vorgeschlagenen Eingriffen wird vorab eine FFH-Verträglichkeitsprüfung unter Einbeziehung der Umweltverbände durchgeführt.“

Was die Stadt gern unterlässt

Also das, was die Stadt so gern unterlässt, selbst dann, wenn Vorhaben schwere Eingriffe in den Auwald zur Folge haben. Und nicht zu vergessen ist, dass demnächst auch noch die Leutzsch-Wahrener-Brücke über die Nahle neu gebaut werden soll.

Auch sie 1927 gebaut wie die anderen beiden Brücken in der Gustav-Esche-Straße. 1927 hat man es fertiggebracht, diese Brücken in einem Zug zu bauen. 2022/2023 scheint das schlicht nicht denkbar zu sein.

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Keine Kommentare bisher

Wie konnten denn nur unsere Altvorderen so doof sein, Bäume neben die neue Brücke zu pflanzen, wenn man die nach hundert Jahren für einen Neubau nicht fällen darf. Ich hoffe, dass dann heute vorausschauend neben Neubauten auch keine Bäume gepflanzt werden, wenn die in 100 Jahren mglw. nicht gefällt werden dürften. Dass man dann in den 99 Jahren zuvor nebenan auch keine Bäume hat, muss dann wohl notwendigerweise hingenommen werden. Welch Irrsinn.

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