Wenn Bürger es schaffen, frühzeitig in Planungsprozesse einzugreifen, dann haben sie tatsächlich eine Chance, dem Umweltschutz ein bisschen Geltung zu verschaffen. So wie Mike Demmig mit seiner Petition zur Grünfläche zwischen Kuhturm- und Angerstraße, die er sich als Grünfläche erhalten wünscht. Doch die Stadt möchte hier gern planen. Denn hier standen ja mal Wohnhäuser und Wohnbebauung ist in der wachsenden Stadt dringend gefragt.
Auch wenn es noch keine konkreten Baupläne gibt. Aber das ist vielleicht sogar gut so. So kann noch vorsorgend versucht werden, möglichst viel Grün zu erhalten.
„Für die benannten Flächen besteht bereits heute grundsätzlich Baurecht aufgrund der Lage im Geltungsbereich des rechtskräftigen Bebauungsplanes Nr. 30.1 ‚Henricistraße (1. Änderung)‘“, hatte das Baudezernat den wesentlichen Punkt dabei genannt.
„Die zuständigen Fachämter beschäftigen sich derzeit konkret mit den künftigen Entwicklungen dieser, im Eigentum der Stadt Leipzig befindlichen Flächen. Momentan werden durch externe Planungsbüros beispielhafte Strategien für eine vorbildliche Herangehensweise im Sinne der doppelten Innenentwicklung am Standort untersucht. Ziel dieser Untersuchung ist es, die richtige Balance zwischen Verdichtung und Freiraum auf den Bauflächen zu erörtern.
Die Ergebnisse der städtebaulich-freiraumplanerischen Flächenstudie werden zeitnah vorliegen und sollen im Weiteren als Arbeitsgrundlage dienen, die Flächen als Pilotprojekt der doppelten Innenentwicklung unter Abwägung der Realisierungsmöglichkeiten am Standort fortzuführen.“
Der lange Atem von Bebauungsplänen
Die Einschränkung steckt im Hinweis auf den rechtskräftigen Bebauungsplan. Denn wenn der in dieser Form so bestehen bleibt, ist an den Erhalt des in den vergangenen 20 Jahren gewachsenen Grüns nicht ernsthaft zu denken.
Das sorgte auch im Stadtbezirksbeirat Alt-West für Diskussionen, der auch mit dem Vorschlag des Petitionsausschusses nicht richtig zufrieden war. Der Petitionsausschuss hatte lediglich als Beschluss vorgeschlagen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, Lösungsansätze zu untersuchen, die sowohl dauerhafte Grünflächen als auch eine Bebauung in einem ausbalancierten Verhältnis untereinander auf diesen Flächen (nach dem Grundsatz der doppelten Innenentwicklung) vorsehen.“
Danach sollte dann der Stadtbezirksbeirat Alt-West eingezogen werden.
Aber die Mitglieder im Stadtbezirksbeirat wissen, wie schnell dann „Nägel mit Köpfen“ gemacht und Dinge entschieden sind, an denen dann niemand mehr etwas ändern kann. Darauf will man aber nicht warten.
„In der wachsenden Stadt müssen wir aushalten, dass es immer wieder Zielkonflikte gibt, die es auszuhandeln gilt. Ein zentraler Konflikt ist hier der Erhalt von wertvollen Grünflächen und der Wohnungsbau“, stellte der Stadtbezirksbeirat deshalb in einem eigenen Änderungsantrag fest.
„Umso wichtiger ist es, die Wertigkeit der Flächen, ihre Funktionen sowie mögliche Perspektiven genau zu untersuchen. Dafür sollten zeitnah die Ergebnisse der beauftragten Studien vorgelegt werden, um weitere Ableitungen für die nächsten Handlungsschritte machen zu können. Eine Vorfestlegung auf eine Teilbebauung zu diesem frühen Zeitpunkt lehnt der Stadtbezirksbeirat ab.“
Der Beschlussvorschlag des Stadtbezirksbeirats Alt-West zur Kuhturmstraße.
Das war deutlich.
Und das mündete dann in den Beschlussvorschlag des Stadtbezirksbeirats Alt-West: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Ergebnisse der städtebaulich-freiraumplanerischen Flächenstudie zeitnah vorzulegen. Der weitere Entscheidungsprozess ist ergebnisoffen zu gestalten, sowohl ein Erhalt und die Aufwertung der Grünfläche als auch eine Teilbebauung mit sozialem Wohnungsbau und/oder sozialer Infrastruktur in einem ausbalancierten Verhältnis zwischen dauerhaften Grünflächen und Bebauung werden als Handlungsoptionen betrachtet.“
Genau das also, was wirklich Bürgerbeteiligung ist. Keine Alibiveranstaltung, wenn schon alle Messen gesungen sind, sondern eine Beteiligung im Vorfeld, bevor geplant und gebaut wird.
Der Stadtbezirksbeirat will beteiligt werden, nicht nur informiert
Und das betont auch der zweite Beschlusspunkt: „Die Öffentlichkeit und der Stadtbezirksbeirat Alt-West sind in geeigneter Weise in den Entscheidungsfindungsprozess einzubeziehen. Einen Vorschlag dazu unterbreitet der Oberbürgermeister den relevanten Gremien des Stadtrates und dem Stadtbezirksbeirat Alt-West bis September 2023.“
OBM Burkhard Jung wies zwar darauf hin, dass in Konsequenz dieses Vorgehens eventuell der Bebauungsplan geändert werden muss. Aber der Bebauungsplan in seiner letzten Fassung stammt von 2003 und spiegelt nun einmal nur die Interessenlage von 2003 wider.
Die Stadtratsmehrheit folgte am 17. Mai dem Anliegen des Stadtbezirksbeirats Alt-West und stimmte dessen Änderungsantrag mit 32:21 Stimmen bei einer Enthaltung zu. Muss man hier hinzufügen, welche beiden Fraktionen wieder so gar kein Interesse daran zeigten, dass die Bürger stärker beteiligt werden? Jetzt ist die Tür wenigstens geöffnet, dass Stadtbezirksbeirat und Anwohner mitreden dürfen bei der künftigen Beplanung des Gebiets an der Kuhturmstraße.
Es gibt 2 Kommentare
@Matthias Malok
Ihr Kommentar ist mir jetzt etwas unverständlich. Was meinen Sie damit, die Bürger zu belohnen? Mir persönlich ist es egal, wer sich dann vielleicht einen Orden an die Brust heftet. Mein Ziel ist es immer, gute Vorschläge zu machen und mich dann zu freuen, wenn hoffentlich vieles umgesetzt werden kann. Der Weg, den der Stadtbezirksbeirat Alt-West geht, ist sehr zu begrüßen. Bei allen Wünschen, die auch ich für die überaus wichtigen Belange des Klimaschutzes habe, darf man natürlich nicht vergessen, dass der Wohnungsmarkt immer angespannter wird. Es darf auch nicht sein, dass die Menschen, die eine gute und bezahlbare Wohnung haben, den anderen dann Verzicht predigen – auch wenn es für das hehre Ziel des Umweltschutzes ist.
Natürlich stellt sich die Frage, ob Neubauten wirklich notwendig sind. Gerade im alten Westen gibt es viele Häuser, die leer stehen und verfallen. Ich habe den schlimmen Verdacht, dass hier nur auf steigende Grundstückspreise spekuliert wird. Ich könnte eine lange Liste von großen Wohnhäusern aufstellen, die in diesem Stadtteil seit Jahren leer stehen und für Wohnzwecke genutzt werden könnten. Aber leider ist das Privateigentum in unserem Land eine heilige Kuh und der Satz “Eigentum verpflichtet” eine wohlklingende Phrase.
Es darf nicht so sein, dass Spekulanten Wohnraum leerstehen lassen und die Stadt quasi gezwungen ist, ihre eigenen Grundstücke zu bebauen und Natur dafür zu vernichten.
Ein sehr guter Weg von dem Petenten Mike Demmig. Frühzeitig sich Gedanken zu möglichen Entwicklungen zumachen ist lobenswert und sollte bei positivem Ergebnis dem Bürger auch belohnt werden. Zu DDR-Zeiten griff da das Neuererwesen. In Leipzig habe ich bisher den Eindruck, dass man Bürgervorschläge gern annimmt sich bei Erfolgt sonnt und der Urheber hinten runter fällt.