Die Grünen-Fraktion enthielt sich am 20. April bei der Abstimmung zum Bebauungsplan Hans-Beimler-Straße geschlossen. Den Grund hatte Fraktionsvorsitzender Dr. Tobias Peter kurz benannt: den massiven Grünverlust auf der Fläche. Genaueres war schon am Vortag zu erfahren aus einer Antwort des Stadtplanungsamtes auf eine Einwohneranfrage von Oliver Löffler.

Der hatte in seine Anfrage kritisch angemerkt: „Der Bebauungsplan wird im beschleunigten Verfahren nach § 13 a BauGB durchgeführt, erfüllt aber nicht die Voraussetzungen. Er ist größer als 2 ha (nämlich 3,15 ha) und es sind sehr offensichtlich negative Umweltauswirkungen (fast vollständige Versiegelung einer artenreichen Frischwiese und Rodung zahlreicher Bäume, darunter nach § 30 BNatSchG geschützte höhlenreiche Einzelbäume).

Die erheblichen Umweltauswirkungen sind in der Begründung zum Bebauungsplan für den Boden, den Wasserhaushalt, Pflanzen und Tiere und biologische Vielfalt aufgeführt und dokumentiert. 

Außerdem widerspricht der Bebauungsplan den übergeordneten Planungen. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans ist gemäß Landschaftsplan als Grün- und Erholungsfläche und gemäß Flächennutzungsplan zu 2/3 als Grünfläche ausgewiesen.

Der Geltungsbereich ist eine Grünfläche und demnach kein Innenbereich, er ist im Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen und daher kein Innenbereich. Demnach ist hier die Eingriffsregelung anzuwenden. Es wurden weder das Vermeidungsgebot, noch die gesetzlichen Vorschriften bezüglich Ausgleich und Ersatz beachtet.

Es handelt sich um klimaaktive Flächen. Die Fläche ist im Landschaftsplan für die Erhaltung von Frisch- und Kaltluft vorgesehen.“

Wenn für Grün kaum noch Platz ist

Womit das Thema auf dem Tisch liegt, das auch den städtischen Planern zunehmend Probleme bereiten dürfte: Wie kann man das wertvolle Grün in Leipzig eigentlich noch bewahren, wenn die Stadt sich immer mehr verdichtet und gleichzeitig die Folgen von Klimawandel und Artensterben immer spürbarer werden?

Da fragte Oliver Löffler natürlich nach einer Begründung: „Mit welcher Begründung werden im Bebauungsplan alle gesetzlichen Vorgaben (BauGB, Eingriffsregelung gemäß BNatSchG) und die übergeordneten Planungen und Festsetzungen (Landschaftsplan, INSEK, Flächennutzungsplan der Stadt Leipzig) missachtet?

Der Versiegelungsgrad der Fläche erhöht sich von derzeit 14 % auf 64 %. Als Freifläche werden dabei auch die Sportfläche und die Aufenthaltsflächen im Schulbereich gewertet, die, wenn überhaupt, eine eingeschränkte Versickerungsfähigkeit und keine natürliche Bodenentwicklung aufweisen. Der reale Versiegelungsgrad liegt demnach deutlich höher. Es fehlen genaue Zahlenangaben. Die teilversiegelten Flächen werden offensichtlich nicht oder nur teilweise berücksichtigt.“

Aber dass die Stadt hier unter Handlungszwang steht, bestätigte dann die Antwort aus dem Dezernat Stadtentwicklung und Bau: „Die Prüfung der Zulässigkeit des beschleunigten Verfahrens erfolgte nicht nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 BauGB, sondern nach Nr. 2. Hiernach ist dieses Verfahren bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen auch zulässig, wenn die vom Bebauungsplan umfasste Fläche größer als 20.000 m² ist.

Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind erfüllt. Für die Einzelheiten des Prüfergebnisses wird auf Kap. 4 der Begründung zum Bebauungsplan verwiesen. Insbesondere ist hiernach nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen.“

Hier standen schon mal Wohnblöcke

Und die Lage ist auch etwas anders dadurch, dass hier sogar schon mal Wohnbebauung stand, die dann abgerissen wurde, als Leipzig die kurze Phase der „schrumpfenden Stadt“ durchlief. Was vor 20 Jahren scheinbar völlig überflüssig war, wird nun doch wieder gebraucht.

Und so betont das Planungsamt: „Der Geltungsbereich bedingt nicht eine Lage im unbeplanten Innenbereich. Er betrifft eine Fläche, welche bereits bebaut war, und auf welcher die Eigentümer auch regelmäßig auf eine Wiedernutzbarmachung hingewirkt haben. Es ist rechtlich entschieden, dass gerade brachgefallene Bereiche oder solche, die einer Wiedernutzbarmachung dienen sollen, für das Verfahren nach § 13a BauGB infrage kommen, unabhängig von ihrer baurechtlichen Einstufung.

Im Rahmen der Beteiligungsverfahren wurden daher auch durch die beteiligten Behörden keine Bedenken gegen das beschleunigte Verfahren vorgetragen. Die Anwendung des Verfahrens wurde ortsüblich bekannt gemacht; auch hierbei wurden keine Bedenken vorgetragen.“

Hier soll – neben der Schule – wieder dringend benötigte Wohnbebauung entstehen: „Auf dem Standort sollen mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen sowie eine im Stadtteil dringend benötigte Grundschule errichtet werden. Umsetzungsfähige Standortalternativen haben sich dabei nicht aufgedrängt. Daher wurde hier die Abwägungsentscheidung getroffen, trotz teilweise anderslautender übergeordneter Planungen, den Standort baulich wieder zu nutzen. Die Abweichungen werden entsprechend der rechtlichen Regelungen auf dem Wege der Anpassung bereinigt.“

Und wo bleiben die Tiere?

Was dann trotzdem das Problem einer dichten Bebauung und einer großen Versiegelung nach sich zieht – und damit den Verlust von Bäumen und Grünfläche.

„Wie ist der Versiegelungsgrad bzw. die Zunahme an versiegelten Flächen mit den Vorgaben der Reduzierung der Flächenversiegelung und der Netto-Nullversiegelung bis 2030 zu vereinbaren?“, wollte Oliver Löffler wissen.

„Als artenschutzrechtliche, vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen werden Nistkästen angeboten. Der überwiegende Teil der festgestellten Arten sind keine Höhlenbrüter. Darüber hinaus sind als Fortpflanzungs- und Ruhestätten bei den genannten Arten die Reviere bzw. wichtige Habitatrequisiten als Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu werten“, meint die Verwaltung.

„Diese stellen für die fast vollständige Versiegelung aller Reviere, die sowohl essenzielle Rückzugshabitate, Ansitzwarten, Nahrungsflächen und Ruhestätten einschließen, keinen fachlich adäquaten Ausgleich dar. Durch das Vorhaben werden für alle vertretenen Arten, mit Ausnahme weniger Individuen sehr anspruchsloser Arten, Verbotstatbestände durch die Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten ausgelöst.“

Was dann aber eben zur Folge hat: „Es ist ein Ausnahmeverfahren gemäß § 45 BNatSchG erforderlich.“

Wo ist noch Platz für Kompensation?

Aber wird dann wenigstens irgendwo anders Ersatz geschaffen, wollte Oliver Löffler wissen: „Wie und wo werden die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände (erforderliche FCS-Maßnahmen) kompensiert?“

Doch darauf blieb die Stadt eine Antwort schuldig. Und auch in der Planungsbegründung gibt es im Grunde keine zufriedenstellende Replik. Auch wenn es dort deutlich heißt: „Es sind erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten oder zumindest nicht auszuschließen, weil derzeit vegetationsbestandene Flächen, die Lebensraum für Tiere bieten, durch Neubebauungen und Flächenbefestigungen in Anspruch genommen werden.“

Die Begründung listet dann auch eine ganze Reihe geschützter Vogelarten auf, die aber eben an solche grünen Lebensräume in der Stadt angepasst sind. Besonders das Vorkommen des Gartenrotschwanzes wird betont. Aber im Wesentlichen geht es hier um Vögel, die man nicht einfach irgendwo anders hin verpflanzen kann. Es geht tatsächlich ein nicht ganz unwichtiges Biotop verloren, um zwei konkurrierende, wichtige Bedürfnisse für die wachsende Stadt zu erfüllen.

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“Umsetzungsfähige Standortalternativen haben sich dabei nicht aufgedrängt.” Das haben diese bescheidenen Wesen so an sich. Man muss sie schon suchen, um sie zu finden…
*kopfschüttel*

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