Wie langwierig die Vorlaufzeit für Straßenbahnprojekte in Leipzig ist, kann man am Beispiel der neuen Bahntrasse in Mockau sehen, die am 19. April höchstwahrscheinlich in der Ratsversammlung – als Vorplanung – beschlossen wird. Denn seit 2016 suchen die LVB hier nach einer Lösung, die das vor 50 Jahren gebaute Neubaugebiet Mockau endlich besser an den ÖPNV anschließt.
Bis jetzt fährt die Straßenbahn der Linie 9 durch die Kieler Straße und damit in weitem Bogen um das Neubaugebiet herum. Und diese Strecke ist völlig verschlissen, es müsste eigentlich schon seit Jahren dringend gehandelt werden.
Aber in dem Moment, in dem die Planungen Straßen betreffen, in denen bislang noch keine Gleise liegen, wachsen auf einmal die Widerstände, häuft sich das Kontra und die Bedenkenträger sorgen für immer neue Umplanungen, bis dann endlich so etwas wie ein Kompromiss steht, der funktionieren könnte, ohne in allzu viele Gewohnheitsrechte einzugreifen.
„In den vergangenen Jahren wurden im Auftrag der LVB GmbH mehrere Planungen zur Verlegung der Straßenbahntrasse von der Kieler Straße in die Mockauer Straße/Tauchaer Straße erstellt und eine Vielzahl von Varianten unter unterschiedlichen Prämissen erarbeitet und mit der Stadtverwaltung diskutiert. Die Variante Führung der Straßenbahn auf besonderem Bahnkörper in Seitenlage wurde Mitte 2016 im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau und dann im Stadtbezirksbeirat Nordost und im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Öffentlichkeit vorgestellt“, geht die Vorlage auf die lange Vorgeschichte ein.
Mittellage macht Straßenumbau erforderlich
Am Ende entschloss sich die Verwaltung dann doch für die Mittellage der Straßenbahn und einen Komplexumbau der betroffenen Straßen: „Die Straßenbahn in Mittellage zu führen hat dafür zur Konsequenz, dass über den gesamten, verkehrstechnisch erforderlichen Straßenquerschnitt geplant und gebaut werden muss. In diese Überlegungen wurde auch der Zustand der vorhandenen Mockauer Straße und Tauchaer Straße einbezogen, der in den nächsten 3 bis 5 Jahren einen grundhaften Ausbau der beiden Straßen erforderlich macht.
Aus diesem Grund wurde zusätzlich eine Studie/Vorplanung für eine Variante Mittellage der Straßenbahn im Auftrag der Stadtverwaltung erarbeitet und mit der LVB abgestimmt. Die LVB beauftragte dazu eine Ergänzung der Nutzen-Kosten-Untersuchung, die ein positives Ergebnis ergeben hat.
Die Vorlage zur Vorplanung Mockauer Straße / Tauchaere Straße.
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass eine Komplexbaumaßnahme Stadt/LVB/Versorgungsuternehmen mit Realisierung einer Mittellage der Straßenbahn und Erneuerung der Gesamtverkehrsanlage sowie der Möglichkeit des Neubaus von Radverkehrsanlagen im Zuge der Mockauer Straße/Tauchaer Straße in Verbindung mit deren ohnehin erforderlichen Erneuerung wesentliche Vorteile nicht nur aus verkehrstechnischer, sondern auch aus gesamtwirtschaftlicher und städtebaulicher Sicht hat. Gegenüber der ursprünglichen ‚Teillösung‘ mit Straßenbahn in Seitenlage macht dies trotzdem die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel erforderlich.“
Dass man da in (scheinbare) Besitzstände der dort Wohnenden eingreift, ist den Planern sehr wohl bewusst.
„Sowohl die neue Straßenbahntrasse als auch die städtebauliche Entwicklung wird grundlegende Veränderungen im Gebiet hervorrufen und stark in bestehende Strukturen eingreifen. Die Stadt verfolgt das Ziel, durch einen integrierten, auf das Gesamtquartier bezogenen Planungsansatz einen deutlichen Mehrwert für Mockau-Nord zu erzielen.
Dabei geht die Mittellage der Straßenbahn grundsätzlich konform zum städtebaulichen Konzept und hier insbesondere bezüglich der Einordnung des geplanten Schulstandortes (Oberschule Mockau) am Übergang der Mockauer Straße in die Tauchaer Straße“, heißt es in der Vorlage.
Haltestellen machen Umsteigen leichter
Aber viele empfundene Besitzstände sind nichts als Verhaltensgewohnheiten. Das betrifft zum Beispiel auch die Lage der jetzigen Haltestelle an der Mockauer Post: „Die Haltestelle ‚Mockau Post‘ soll zukünftig nördlich der Essener Straße/Kieler Straße verortet werden. Begründet ist dies hauptsächlich in den direkten Umsteigebeziehungen Straßenbahn/Bus innerhalb der Haltestelle und den damit verbundenen kurzen Wegen besonders für mobilitätseingeschränkte Personen. Ein weiterer Vorteil ist die Lage in unmittelbarer Nähe zum Stadtteilzentrum als Quelle und Ziel der Fahrgäste.“
Die alte Haltestelle hat zwar auch Vorteile, würde aber noch weitere Eingriffe in den sogenannten Mockauer Platz nach sich ziehen.
Eine neue Haltestelle soll es an der Komarowstraße geben – in der Nähe zum geplanten neuen Schulstandort: „Unmittelbar östlich des Knotens wird die Haltestelle Komarowstraße als barrierefreie Inselhaltestelle angeordnet. Neben der LSA-geregelten Querungsmöglichkeit an der Komarowstraße ermöglichen die Lage und Baulänge der Haltestelle eine sichere zweite Querung der Tauchaer Straße ca. in Höhe der vorhandenen Zuwegung zum Ärztehaus.“
Pkw abschaffen?
Womit die Bewohner des Neubauquartiers nun auch eine direkte Anbindung an die Straßenbahn bekommen, viele also auch darüber nachdenken können, ihren Pkw abzuschaffen. Eines der Streitthemen in den diversen Gremien, das natürlich nicht zu aller Zufriedenheit geklärt werden kann. Was dann ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion thematisiert, der vor allem den Erhalt von Stellplätzen thematisiert. Auch so kann man an alten Gewohnheiten festhalten. Obgleich sich die ÖPNV-Anbindung deutlich verbessert und das Umsteigen zur echten Alternative wird.
Zwischen Simon-Bolivar-Straße und dem Knoten Kieler Straße/Stralsunder Straße liegt dann die nächste Haltestelle in Insellage.
„Mit der Verlegung der Straßenbahntrasse näher an der Schwerpunkt des Fahrgastaufkommens und durch die Ausbildung insbesondere der Inselhaltestellen vor dem Stadtteilzentrum Mockau und an der Stralsunder Straße mit den direkten Umstiegsmöglichkeiten zwischen Straßenbahn und Bus, wird der ÖPNV für einen größeren Personenkreis eine attraktivere Alternative zum Pkw“, betont die Vorlage.
Noch kein konkreter Zeitplan
Ein konkretes Jahr der Umsetzung nennt die Vorlage – neben dem Handlungszeitraum „in den nächsten drei bis fünf Jahren“ – noch nicht. Aber der Zustand der Kieler Straße macht eine zeitnahe Umsetzung eigentlich zwingend erforderlich. Denn erst, wenn die neue Straßenbahntrasse in Betrieb genommen ist, kann auch die heruntergefahrene Kieler Straße saniert werden.
Zumindest einen ersten Kostenrahmen skizziert die Vorlage: „Nach Stand der Vorplanung ist davon auszugehen, dass sich die Gesamtkosten für Stadt und LVB auf Basis der vorgenommenen Kostenermittlung (Kostenschätzung) auf ca. 16,8 Mio. Euro brutto für die Stadt Leipzig und ca. 13,3 Mio. Euro für die LVB GmbH belaufen werden.“
Es gibt 2 Kommentare
Sorry, dies ist jetzt unter den falschen Artikel geraten. Mein Kommentar bezieht sich auf den Artikel über häusliche Gewalt.
https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2023/04/schattenseiten-von-feiertagen-gewalt-krankheit-alkohol-526645
Vielen Dank für die Triggerwarnung. Wie wäre es, wenn noch ein FSK 18 vorangestellt wird?
Seit diese “Warnungen” geradezu inflationär an jeder Stelle auftauchen, brauch ich längst nicht mehr so viel Baldrian und Psychotherapie wie früher. Danke, dass ihr mich vor jedem möglichen Leid bewahrt.
Nach der polizeilichen Räumung von Lützerath gab es eine Protestdemo in Leipzig. Dabei sprache eine junge Frau und hat uns sehr eindringlich davor gewarnt, dass jetzt etwas gaaaanz, gaaanz Schlimmes erzählt wird. Gott sei Dank gab sie noch ein bisschen Zeit, damit sich sensible Gemüter entfernten konnte. Und dann mussten die Leute, die sich – trotzdem – dieser seelischen Herauforderung stellten, tatsächlich erfahren, dass die Demonstranten in den Lützerather Baumhäusern dort aus dem Fenster kacken mussten, weil die Polizei sie nicht herunterließ. Oh Gott, ich hätte es nicht anhören sollen – konnte drei Tage nicht mehr aufs Klo gehen, ohne dran zu denken.
Oder dieser recht bekannte Podcast zweier junger Frauen, der True-Crime-Geschichten zum Thema hat (Serienkiller usw.). Wenn die nicht von vornherein bei Spotify warnen würden, dass es um – Gewalt!!! – geht, hätte ich es womöglich angehört und mich selbst damit traumatisiert.
Gleichfalls den Gipfel meiner Dankbarkeit erreichen die zwei jungen Männer aus dem Landkreis Leipzig, die im Spotify-Podcast über alle möglichen Dinge berichten und ihren Beitrag über das Alltagsleben einer evangelischen Pfarrerin mit der Warnung versehen, dass nun ein äußerst kontroverses Thema (Religion) kommt und sie daraufhin weisen möchten, dass dies nicht jedem gefallen könnte.
Spätere Beispiele folgen auf Anfrage gern. Muss erst die Märchenbücher meiner Enkel mit Warnungen versehen. Da stehen nämlich furchtbar schlimme Dinge drin.
Ach, wenn ihr wüsstet, was ich in meinem Leben schon erlebt habe. Aber ich erzähle es lieber nicht, weil ich niemanden schockieren möchte 😉