Am Mittwoch, dem 19. April, steht die Vorlage der Stadt zum Ersatzneubau Gustav-Esche Brücke I über die Neue Luppe bislang noch auf der Tagesordnung der Leipziger Ratsversammlung. Wieder mit erheblichen Eingriffen in den über 100 Jahre alten Eichenbestand des Auwaldes. Entsprechend deutlich äußern sich im Vorfeld der Kreisverband und die Fraktion der Grünen als auch die Initiative Stadtnatur, die ja auch bei der Landesdirektion Beschwerde eingereicht hat.
Eine Beschwerde, die eigentlich Erfolg hatte. Aber irgendwie scheint das die Pläne der Stadt (noch) nicht zu ändern. Noch steht die ursprüngliche Vorlage in Ratsinformationssystem.
„Die Landesdirektion hat das bisherige Verfahren kritisiert, sodass zunächst die Planungen angepasst werden müssen und der Baubeschluss daher erneut von der Tagesordnung der Ratsversammlung abgesetzt wurde“, so die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die mit dem Kreisverband der Partei fordert, dass insbesondere die Umweltauswirkungen verstärkt beachtet werden müssen.
Im März schon einmal abgesetzt
„Dass das Verfahren zunächst abgesetzt wurde, ist ein Erfolg der Umweltverbände und der Initiative Stadtnatur, die bei der Landesdirektion eine Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt hatte“, kommentiert das Jürgen Kasek, Stadtrat und umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
„Offenbar hat auch die Landesdirektion das Verfahren und insbesondere die Umweltprüfung für die Eingriffe in das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) Leipziger Auwald deutlich kritisiert. Wir erwarten, dass transparent mit der Kritik umgegangen wird und die Planungen angepasst werden. Im Zweifelsfall ist daher nur eine einspurige Ersatzbrücke zu planen.“
„Man hat bei vielen Planungen nicht den Eindruck, dass Umweltbelange bei Planungen prioritär betrachtet werden“, stellt auch Ulrike Böhm, Co-Sprecherin des Kreisverbandes der Grünen, fest. „Gerade bei einem Eingriff in das europaweit bedeutende Vogelschutzgebiet Leipziger Auwald wünschen sich viele Menschen, dass hier vor allen Dingen die Belange des Natur- und Umweltschutzes zum Tragen kommen und eben nicht in erster Linie das Interesse des Autoverkehrs. Es zeigt auch, wie wichtig Umweltverbände sind, die mit ihrer Arbeit helfen Fehlstellungen zu vermeiden.“
In einem Änderungsantrag fordern die Grünen im Stadtrat: „Der Ersatzneubau der Gustav-Esche-Brücke I i. Z. der Gustav-Esche-Straße über die Neue Luppe wird so realisiert, dass nur eine einseitige Ersatzfahrbahn geschaffen wird, die über eine Lichtzeichensignalanlage den Verkehr in beide Richtungen regelt. Die entsprechenden Punkte werden angepasst.“
Damit ließen sich die massiven Baumfällungen für eine Umleitungsstrecke vermeiden.
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Mit einem eigenen Statement meldete sich am Montag, dem 17. April, auch die Initiative Stadtnatur selbst zu Wort. Hier ist es:
Leipziger Bau(m)schutz auf dem Prüfstand
Wer sich die News um den Leipziger Auwald durchliest, der findet zumeist nur negative Schlagzeilen: Hitze, Dürre und Baumsterben. Umso unverständlicher sind nun die Baumfällungen, die laut Leipziger Stadtverwaltung nötig seien, weil Ersatzfahrbahnen für sanierungsbedürftige Brücken bereitzustellen sind, die lediglich während der Sanierung des vorhandenen Brückenkörpers genutzt werden sollen.
Diesen Eingriff in das nach EU-Recht geschützte Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) des Leipziger Auwalds genehmigte sich die Verwaltung dabei selbst – Begründung: Freie Fahrt für freie Bürger. Die Verkehrsbedeutung der Gustav-Esche-Straße könnte laut Straßenverkehrsbehörde nicht höher sein; Umleitungen sind indes nicht zumutbar, sodass aus diesem Grunde jahrzehntealter Baumbestand in einem Areal mit höchstem Schutzstatus zu entfernen sei.
Zu bezweifeln ist hier jedoch, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprach, gleichzeitig hohe Standards und Schutzvorschriften für derartige FFH-Gebiete aufzuerlegen, die dann aus einer solchen Begründungslage heraus aufgehoben werden dürfen. Was aus dieser dürftigen Abwägung folgte, war eine Fachaufsichtsbeschwerde der Initiative Stadtnatur bei der Landesdirektion Sachsen zur Sanierung der Gustav-Esche-Brücke II. Hier wurde bereits für den temporären Brückenbau gerodet – die damit verbundenen erheblichen Eingriffe sind bereits erfolgt.
Nun steht am 19.04.2023 der Bau- und Finanzierungsbeschluss der Gustav-Esche-Brücke I an. Auch hier liegen fachliche Mängel vor – eine Abwägung zwischen der Sicherstellung eines guten Erhaltungszustands des Areals gegenüber dem vermeintlichen Anspruch des motorisierten Individualverkehrs auf ungehinderte Fahrt fand offenkundig nicht statt, sodass auch hier durch die Initiative Stadtnatur eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde eingelegt wurde.
Zwischenzeitlich hat sich vergangene Woche auch die Landesdirektion zum Bauvorhaben der Gustav-Esche-Brücke II gemeldet und teilt mit: „Das Prüfergebnis enthält fachaufsichtliche Beanstandungen.“
Jetzt wäre es aus Gründen der Transparenz angebracht gewesen, klar darzustellen, wie inzwischen die Kommunalverwaltung auf die von der eigenen Aufsichtsbehörde kritisierten Punkte reagieren wird.
Vonseiten der Landesdirektion selbst besteht Hoffnung, sie selbst schreibt: „Es ist davon auszugehen, dass die im Zusammenhang mit dem Vorhaben Gustav-Esche-Brücke II aufgezeigten Kritikpunkte beim Projekt Gustav-Esche-Brücke I Beachtung finden.“ Doch wer sich die Beschlussvorlage anschaut, der wird in der Historie des Dokuments bis auf die ursprüngliche Fassung und einen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vergeblich nach einer korrigierten Neufassung suchen.
Es ist fraglich, ob die Kommune bis zur Ratsversammlung am kommenden Mittwoch die stimmberechtigten Stadträtinnen und Stadträte über das Vorliegen einer fachaufsichtlichen Beanstandung zu einem vergleichbaren Bauvorhaben informieren wird.
Dieser durchaus relevante und gewichtige Informationsfluss wurde daher bereits in eigene Hand genommen und eine kommunikative Brücke zu den Stadträtinnen und Stadträten errichtet – ganz ohne Baumfällung.
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Ein solches Verwaltungsversagen in der unteren Naturschutzbehörde ist ja leider nicht neu. Auch bei dieser Planung wurde viel verseppelt, zu viel…